Elons Längster
Tesla Model 3 mit Top-Reichweite: Reicht‘s jetzt?
„Es reicht!“ kann im Zusammenhang mit Tesla viel heißen. Angefangen beim pseudogenialen Freak an der Konzernspitze. Oder man bezieht es auf die immer wieder neuen Bedienschrullen. Oder auf die Reichweite – und die beträgt beim Model 3 jetzt im Bestfall 702 Kilometer. Wie weit reicht es wirklich?
Was Elon Musk betrifft, scheint es potentiellen Autokäufern mit ihm aus bekannten Gründen (Stichwort Trump) derart zu reichen, dass die Absatzzahlen komplett in den Keller gegangen sind. Allerdings nicht zum Lachen. Denn um den Tesla-Boss selbst schrullig nennen zu können, sind seine Verhaltensauffälligkeiten zu wenig harmlos.
Die Bedienschrullen am Model 3 sind es hingegen zum Glück, auch wenn sie bisweilen nicht ungefährlich sind, etwa weil man wegen der Blinkertasten am Lenkrad schlichtweg zu blinken versäumt, beim Versuch, den Blinker zu setzen, derart abgelenkt wird, dass man fahrverhaltensauffällig wird oder weil man sich beim Blinkversuch zwischen Ein- und Gleich-wieder-Abbiegen einen Finger verstaucht.
Manches ist einfach nervig, etwa wenn am Testwagen die automatische Übernahme von Tempolimits eigentlich abgeschaltet ist, aber trotzdem plötzlich ein Limit übernommen wird. Zum Beispiel auf der A2 bei Guntramsdorf, wo das Model 3 sich plötzlich auf 100 km/h eingeregelt hat. Am Rande bemerkt: An der Stelle (entlang der Raststätte) ist Tempo 80 vorgeschrieben.
Oder die Scheibenwischautomatik, die einfach nicht macht, was sie soll, was insofern besonders lästig ist, als das Ein- und Ausschalten der Dauerfunktion nicht so einfach ist wie bei normalen Autos. Es gibt einfach viele Funktionen, die man normalerweise intuitiv bedienen kann, die aber im Model 3 Zeit, Aufmerksamkeit und Nerven kosten können. Jedes Mal ein bisschen. Steter Tropfen höhlt die Stimmung. Fernlicht, automatische Blinkerabschaltung, die Liste ist lang.
Und da rede ich jetzt noch nicht vom unverschämt übergriffigen Autopiloten samt Fahrerüberwachung. Keine Ahnung, wie Leute in den USA das Auto dazu bekommen, länger selbst zu fahren – hierzulande droht schon bei einem falschen Blick die Abschaltung des Assistenten.
Viele Hard Skills sind richtig gut
Dabei macht das Model 3 ja auch viel richtig oder zumindest richtiger als vorher. Das neue Fahrwerk ist besser als beim Vor-Facelift-Modell (die Optik auch), aber es ist immer noch zu hart und spricht mäßig an, anders als beim Model Y, das sich ganz formidabel fährt. Die Lenkung im 3er ist gefühllos, trotzdem kann man schnell und präzise fahren.
Hilfreich dabei ist das für ein E-Auto mit diesen Leistungsdaten geringe Leergewicht von nur 1761 Kilogramm. Zwar hat diese Longest-Range-Version zur einen Motor (hinten), aber die große Batterie mit 75 kWh Netto-Kapazität.
Womit wir beim Thema Reichweite sind
702 Kilometer sollen es nach WLTP sein, bei einem Verbrauch von 12.5 kWh/100 km, inklusive Ladeverlusten. Ein frommer Wunsch. Ich möchte echt wissen, wer im Alltag auch nur annähernd so weit kommt, und wenn, wie er das macht. Im Alltagsdurchschnitt bin ich auf 19,6 kWh/100 km gekommen (laut Display, also ohne Ladeverluste), bei kühlen, aber nicht brutal kalten Temperaturen. Macht rechnerisch gut 380 Kilometer von 100 bis 0 Prozent. Teslas gehören generell zu den sparsamsten E-Autos, das muss man anerkennen.
Etwas schräg ist, dass Tesla den Stromverbrauch mit dem eines Mikrowellenherds vergleicht: „Das Model3 ‘Maximale Reichweite mit Hinterradantrieb‘ kann einen ganzen Kilometer mit dem Strom zurücklegen, der zum Erwärmen einer gefrorenen Mahlzeit in der Mikrowelle benötigt wird (700-Watt-Mikro, 10,7 Minuten, 125 Wh).“
Da spielen wir zur Feier des gelungenen Vergleichs und der Reichweite doch gleich Partymusik! Nur bitte nicht zu laut, sonst fangen die Boxen zu dröhnen an. Fürs Karaoke reicht’s aber. Eine sehr spaßige Funktion.
Beim Laden war es aber dann schon wieder vorbei mit Party. Ich hab einmal am Supercharger angehängt und für 10 bis 80 Prozent 40 Minuten gebraucht!
Da überlegt man sich zweimal, ob man die 5,2 Sekunden für den Standardsprint wirklich ausreizen oder (zumindest in Deutschland) mit 201 km/h über die Autobahn zischen will.
Das Platzangebot ist nach wie vor sehr gut. 682 Liter Kofferraum unter der recht hoch angesetzten Heckscheibe (was die Übersicht nach hinten einschränkt), dazu ein Frunk. Brauchbare Verhältnisse auch auf der Rückbank, wo man nun einen eigenen Acht-Zoll-Touchscreen zur Verfügung hat.
Erfreulich ist auch die Preisgestaltung. Ab 37.590 Euro steht das Model 3 angeschrieben. Das Long-Range-RWD-Model, um das es hier geht, kostet 5000 Euro mehr, bringt aber auch fast 200 km mehr WLTP-Reichweite mit. Für weitere 5000 Euro bekommt man den zweiten Motor dazu, opfert aber wieder 73 WLTP-Kilometer. Nochmal 8500 Euro und man bekommt die Performance-Variante. Da ist für jeden was dabei, aber nicht jeder will sich mit den Soft Skills des Autos anfreunden. Oder kann.
Fahrzit
Wenn Teslas Model 3 nicht so viel richtig machen würde, müsste man sagen „zurück zum Start, bau ein Auto, dass nicht zum Selbstzweck erkoren hat zu nerven“. Manche Dinge kann man nach dem Kauf noch verbessern. So gibt es etwa einen Blinkerhebel zum Nachrüsten. Allerdings nicht von Tesla selbst. Und aus Image-Gründen kann man dann noch ein paar Euro investieren – in den Aufkleber, mit dem man sich von Elon Musk distanziert. Man könnte als Tesla-Fahrer sonst leicht für einen Fanboy oder ein Fangirl gehalten werden.
Warum?
Gute Reichweite
Schwache Schnellladefunktion
Warum nicht?
Muss ich das jetzt wirklich nochmal zusammenfassen?
Oder vielleicht …
… Model Y (Blinkerhebel, besseres Fahrverhalten), Polestar 2, Hyundai Ioniq6, BMW i4
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