Für die Elektromobilität ist Norwegen sozusagen das Land, wo Milch und Honig fließen. Das macht das an und durch Erdöl reiche Land zum idealen Ziel für einen Roadtrip mit Audis neuestem Reise-Stromer, dem A6 e-tron Sportback. Dabei soll er zeigen, wie sparsam und reichweitenstark er ist. Ob das gelingt? Das und mehr verrät das Video hier oben.
Die Route ist auf zwei Tage angelegt. Von Kopenhagen geht es durch Schweden auf dem schnellsten Weg nach Oslo, am zweiten Tag weiter nach Bergen. Die Strecke könnte man locker auf zwei Wochen ausdehnen, ohne dass es einem langweilig würde, aber weder Gastgeber Audi noch wir wollen uns nachsagen lassen, dass ein Autohersteller einen Urlaub sponsert. Also: direttissima.
Natürlich haben sie uns den Reichweitenkönig der Baureihe hingestellt. Nicht weil Norwegen eine Monarchie ist, sondern weil der A6 e-tron performance eine WLTP-Reichweite von beachtlichen 756 Kilometern aufweist und damit den besten Push fürs Ingolstädter Image erwarten lässt. Theoretisch könnte man damit nicht nur weit, sondern auch schnell fahren, schließlich liefert die E-Maschine an der Hinterachse 270 kW/367 PS (mit Launch Control sogar 280 kW/381 PS) und 565 Nm.
Praktisch sind die Tempolimits in den durchfahrenen Ländern dafür zu niedrig und die Strafen zu hoch. Der A6 kann in 5,4 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigen, Vmax. 210 km/h. Limits: in Schweden maximal 110 km/h (selten 120 km/h), Norwegen maximal 110 km/h (wobei Autobahnen selten sind). Strafen: + 20 km/h kosten in Schweden 250 Euro, in Norwegen 725 Euro. Selten haben wir Straßenverkehr als so friedlich empfunden wie im Land der Fjorde. Obwohl die Strafen höher sind, nimmt Norwegen damit sicher weniger ein als Österreich.
Elektronik braucht Überwachung
Aber noch sind wir in Schweden, nachdem wir die Öresundbrücke und den zugehörigen Tunnel überquert haben. Das kostet gut 60 Euro Maut – und hoffentlich keine Radarstrafe: Der intelligente Tempolimitassistent des Audi hat das Tempolimit falsch erkannt und ist kurzzeitig zu schnell gefahren, bis wir es gemerkt haben. Wir, das sind „Krone“-Motorredakteur Stephan Schätzl und mein ehemaliger Radiokollege Oliver Luxenburger, den Audi für den Wiener eingeladen hat (bei von Herstellern organisierten Fahrveranstaltungen ist es üblich, dass sich zwei Journalisten ein Auto teilen).
Durch Schweden fühlt es sich an wie im deutschen Norden im Herbst, nur das fehlende Tempolimit fehlt. Mit 110 km/h, Adaptivtempomat, Spurführungsassistent und automatischer Tempolimitübernahme tuckern wir auf der Autobahn dahin. Nein, nicht tuckern, gleiten. Cruisen kann man gut im Audi A6 e-tron, man sitzt auch sehr bequem.
Die Anmutung im Innenraum kann allerdings mit früheren Generationen nicht ganz mithalten. Klar geben sie in Sachen Komfort Vollgas: Riesiges Doppeldisplay, dazu das optionale für den Beifahrer, das macht was her. Ob der Beifahrer ein Display braucht oder sowieso das Handy in der Hand hat, kann jeder für sich selber entscheiden. Man kann damit aber mehr machen als nur Filme schauen – etwa die Route verfolgen oder den Verbrauch checken. Jedenfalls ist es hilfreich, dass der Fahrer seinen Handballen auf der Konsole abstützen kann, um am zentralen Touchscreen zu tippen.
Dass es praktisch keine physischen Tasten mehr gibt, ist hingegen weniger gelungen. Touchfolien am Lenkrad haben im Vergleich zu Tasten ausschließlich Nachteile (abgesehen vom Kostenvorteil für den Hersteller). Hinzu kommt das unpraktische Feld an der Tür, das zur Bedienung viel Aufmerksamkeit (Hinschauen!) erfordert und billig wirkt, weil man immer die ganze Folie eindrückt. Zu allem Überfluss sind auch noch zu viele Funktionen integriert, bis hin zu den Scheinwerfern. Großes Lob verdient Audi für den echten Lautstärkeregler auf der Mittelkonsole.
Wer in Schweden das Gefühl haben will zu rasen, fährt in Göteborg von der Autobahn ab und kauft sich eine Eintrittskarte für Liseberg, den größten Vergnügungspark Nordeuropas. Dort steht eine riesige Achterbahn komplett aus Holz. Höchsttempo: 90 km/h. Gefühlt wahrscheinlich deutlich mehr.
Leistung: 270 kW (280 kW mit Launch Control)
Akkukapazität: 100 kWh brutto, 94,9 kWh netto
WLTP-Reichweite: 756 km
max. Ladeleistung: 270 kW
Ladedauer DC: 10-80% in 21 min.
Länge/Breite/Höhe: 4928/1923/1487 mm
cW-Wert: 0,21; Stirnfläche: 2,46 m²
0-100 km/h: 5,4 sec.
Vmax.: 210 km/h
Anhängelast: 2100 kg
Preis in Österreich: ab 79.400 Euro
Der Verbrauch durch Schweden
Wir haben fix damit gerechnet, dass der Durchschnittsstromverbrauch auf der Fahrt durch Schweden weit unter 20 kWh/100 km liegen würde. Weit gefehlt. Bei einem Durchschnittstempo von 86 km/h kommen wir auf 20,6 kWh/100 km. Schneller als 110 km/h sind wir nur auf dem kurzen Stück gefahren, wo 120 km/h erlaubt waren. Audi gibt einen WLTP-Verbrauch von 14 bis 17 kWh/100 km an, inklusive Ladeverluste. Die 20,6 am Bordcomputer beinhalten keine Ladeverluste. Rechnerische Reichweite mit dem netto 94,9 kWh großen Akku: 460 Kilometer. Von 80 bis 10 Prozent: 322 Kilometer.
Schnitt. Wir sind in Norwegen
Im Scandic Hotel oben am geschichtsträchtigen Holmenkollen über Oslo hängt in meinem schlichten Zimmer Hermann Maier in Siegerpose, japanische Touristen fotografieren einander vor dem Audi und wir haben bereits über den ersten Ladepark gestaunt: Direkt an einem Autobahnrastplatz mit Tankstelle haben drei Anbieter ihre Ladesäulen stehen, darunter Tesla mit locker 20 Plätzen. Aber: Wie bei uns sind nur die Zapfsäulen für Verbrenner überdacht, Stromtanker sind Wind und Wetter ausgesetzt.
Reichweitenangst ist in Norwegen kein Thema. Auch auf der Fahrt über die Berge und den Hardangervidda, Europas größte Hochebene, findet man Ladeparks alle Nase lang. Bei den meisten funktioniert Audis Ladekarte. Dass 100 Prozent der Ladesäulen nicht nur anwesend, sondern auch einsatzwillig sind, davon darf man dennoch nicht ausgehen. Auch im Elektrowunderland Norwegen gibt es störrische Ladepunkte.
Überall im Outback haben wir beim Laden irgendeine zugängliche Infrastruktur vorgefunden, zumindest einen personallosen Supermarkt mit Bankomatkasse und eine Kreditkartentoilette. Man bekommt so ziemlich alles außer Alkohol. Dafür Schnapsflaschen mit Kräutern drin zum Selberansetzen.
Angesichts der vielen unberührten, friedvollen Landschaft ist es ein angenehmes Gefühl, ohne lokale Abgase und Verbrennungsgeräusche unterwegs zu sein. Auch auf 1100 Metern liegt im Sommer noch Schnee. Kein Wunder, dass der Hardangervidda für viele polare Tier- und Pflanzenarten das südlichste Verbreitungsgebiet ist. Den Schnee hat Copilot Luxenburger schon bei der Abfahrt in Oslo auf der Routenübersicht am Navi entdeckt: „Da liegt ja noch Schnee!“ Aber nein, man kann Audi zwar viel zutrauen, aber das Satellitenbild ist keine Echtzeitdarstellung.
Land der Tunnels
Immer wieder nehmen uns teils kilometerlange Tunnels die Sicht auf die Schönheiten der Natur. Passstraßen wie in den Alpen finden wir auf unserem Weg nicht vor, stattdessen wahre Tunnelsysteme mit unterirdischen Kreisverkehren. Und dann fährt man wieder aus einem Tunnel heraus, direkt auf eine Schrägseilbrücke und direkt wieder in den nächsten Berg hinein. Anders als bei uns darf man hier in manchen Gegenverkehrstunnels sogar überholen.
Norwegen ist das Land der Tunnels, mehr als 1100 gibt es insgesamt, davon rund 900 Verkehrstunnels. Der Lærdalstunnel ist mit 24,5 km der längste der Welt, der Ryfylketunnel mit 292 m unter dem Meeresspiegel der tiefste Straßentunnel der Welt. Und es soll zwischen Moldefjord und Vanylvsfjord sogar der erste Tunnel für Kreuzfahrtschiffe entstehen.
Warum gibt es so viele Elektroautos in Norwegen?
Die Dichte an Elektroautos (auffallend viele VW ID. Buzz Cargo!) in Norwegen ist auffällig, was kein Wunder ist: Derzeit entfallen 92 Prozent der Neuzulassungen auf reine Stromer. Dazu kommen drei Prozent Plug-in-Hybride und zwei Prozent Vollhybride. Bis 2035 sollen sogar 80 Prozent des Fahrzeugbestandes elektrisch sein. Dabei wurde die Mega-Förderung, die es einst gab, längst abgeschwächt. Es gibt auch eine gewichtsabhängige Zulassungssteuer: 14,44 NOK (1,22 Euro) für jedes Kilogramm über 500 kg.
Rund 20 Jahre lang entfielen beim Kauf generell die 25 Prozent Mehrwertsteuer, seit 2023 gilt das nur noch bis zu einem Kaufpreis von bis zu 46.700 Euro. Außerdem spart man sich eine allfällige City-Maut, Straßen- und Tunnelmaut entfällt oder ist reduziert und Busspuren darf man immerhin noch nutzen, wenn man nicht allein im Auto sitzt. Vielerorts kann man mit einem E-Auto günstiger parken.
Klingt nachhaltig. Aber für eines der reichsten Länder der Welt ist das relativ leicht darzustellen. Bemerkenswert ist, dass fast die Hälfte der norwegischen Staatseinnahmen der Förderung von Erdöl bzw. dessen Export zuzuschreiben ist. Der Strom stammt zu etwa 90 Prozent aus Wasserkraft und knapp 10 Prozent aus Windenergie. Weniger als zwei Prozent kommen aus fossilen Brennstoffen. Norwegen exportiert auch Strom – allerdings deutlich weniger als Erdöl.
Das Angebot an Verbrennern ist in Norwegen längst ziemlich überschaubar. So bietet zum Beispiel Audi nur noch RS-Modelle mit Verbrennungsmotor an. Der Steueranteil im Kaufpreis beträgt 40 bis 60 Prozent.
Geringes Tempo senkt den Verbrauch
Zwischen Oslo und Bergen sind wir hauptsächlich auf Landstraßen unterwegs, mit einem maximalen Tempolimit von 80 km/h. Dadurch beträgt unser Durchschnittsverbrauch auf dieser Strecke (bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 56 km/h) nur 15,4 kWh/100 km, also deutlich weniger als am Vortag. Das wiederum würde eine Reichweite von 616 km bedeuten.
Insgesamt haben wir auf der Gesamtstrecke von 1108 Kilometer bei einem Durchschnittstempo von 66 km/h einen Durchschnittsverbrauch von 18,1 kWh/100 km erzielt – ohne Ladeverluste. Wir haben angesichts der Papierwerte und des günstigen cW-Wertes von 0,21 weniger erwartet. Die Außentemperatur betrug übrigens zwischen 14 und 18 Grad.
Die Ladeleistung des 800-Volt-Systems liegt bei maximal 270 kW, tatsächlich haben wir sogar kurzzeitig 275 kW gesehen. Von 10 auf 80 Prozent sollen unter optimalen Bedingungen lediglich 21 Minuten ausreichen. Wir haben es in der Zeit von 14 auf 80 Prozent geschafft. Wechselstrom nimmt der A6 nur mit bis zu 11 kW, 22 kW sollen etwas später angeboten werden.
Fahrzit
Norwegen ist ein ungewöhnliches Land. Eines der flächengrößeren Länder Europas (8.), aber mit nur 5.594.340 Einwohnern (Stand: 1. Jänner 2025) dünn besiedelt. Schwimmt dank Erdöl in Geld, ist aber das absolute Elektroautoland, indem Verbrenner tatsächlich eine aussterbende Art sind. Der Anteil der E-Autos an den Neuzulassungen steigt weiter drastisch. Das Konzept der entsprechenden Förderungen wurde dort auch nicht nach Regierungswechseln infrage gestellt. Und 80 Prozent der Menschen laden zu Hause oder am Arbeitsplatz. Ein Paradies also für die E-Mobilität, das von unserer Realität in der Heimat weit entfernt ist und wohl noch einige Zeit bleibt.
Wobei es auch in Norwegen jede Menge Verbrenner-Fans gibt, wie das Straßenbild zeigt. Und in Bergen ist uns sogar eine schwimmende Sauna begegnet. Tuckernd. Und mit Schornstein.
Und der Audi? Ist ein angenehmes Reiseauto. Leise, gleitend auf harmonischen Strecken in seinem Element. Agilität stand bei der Fahrwerksabstimmung nicht ganz oben im Lastenheft, was ihm auf solch entspannten Trips eher zugutekommt.
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