Live in der Stadthalle

Wanda: Rock‘n‘Roll-Abriss zum Weihnachtsfest

Musik
23.12.2023 02:10

Rund 11.000 Fans feierten Freitagabend in der Wiener Stadthalle ein vorgezogenes Weihnachten mit Wanda. Die Austropop-Helden waren dabei in absoluter Hochform und luden zahlreiche Top-Gäste zur Party. Ein fulminanter Abschluss eines großartigen Konzertjahres.

(Bild: kmm)

Was man sich denn genau unter „Weihnachten mit Wanda“ vorstellen kann, das hat Frontmann Marco Wanda in diversen Interviews versucht klarzumachen. Den endgültigen Beweis, dass die „stille Nacht“ eben doch der 24. Dezember und kein Tag davor ist, bekam man Freitagabend pünktlich um 20.30 Uhr. Als sich der rote Bühnenvorhang lichtet, kommt ein Monstrum an Anlage zum Vorschein, das ein bisschen an jene der Böhsen Onkelz beim einstigen Comeback-Heimspiel in Hockenheim erinnert, oder, und das ist den Wienern gegenüber wohl schmeichelhafter, eine, die an die Hamburger Hardstyle-Institution Scooter gemahnt. Dafür zeigt sich das nach dem tragischen Tod von Christian Hummer verbliebene Stammtrio Wandas mit kundiger Backing-Band. Produzent Zebo Adam an der Gitarre, Georg Gabler an den Keyboards und - auch brandneu - der querbeet tätige Session-Drummer Florian Holoubek erstmals am Schlagzeugschemel.

Keine Angst und keine Familien
Von Sekunde eins an herrscht Vollgas. Beim Opener „Bologna“ textet Marco eine Passage kurzerhand in ein nicht jugendfreies „ich kann sicher nicht mit meiner Cousine budan“ um, beim schwungvollen „Bussi Baby“ darf sich der neue Schlagzeuger gleich mit einem kleinen Drum-Solo vorstellen und in „Wir sind verloren“ beweist Adam, dass er auch als Leadgitarrist eine gute Figur macht. „Ihr habt offensichtlich keine Familien und auch keine Angst vor Corona“, merkt Marco Wanda schmunzelnd an, „sonst wärt ihr wohl alle nicht hier.“ Rund 11.000 Fans sind der im Sommer relativ spontan ausgesprochenen Einladung der Band gefolgt. Wien-Konzerte sind rar geworden, seit sich die Rock-Band vermehrt um den deutschen Markt bemüht. Umso intensiver werden sie beiderseits erlebt. Die Fans kennen früh kein Halten mehr, Marco selbst stürzt sich in voller Ekstase schon zu Beginn des Sets in eine erotisch-lasziv-kniende Freddie-Mercury-Gedenkpose.

Die Setlist und der dramaturgische Spannungsbogen kombinieren perfekt. Schon bevor Wanda die Bühne enterten, tönten die Rolling Stones oder Iggy Pops „Lust For Life“ aus dem Äther. Mit derart kultigem Liedgut aufgezuckert, war die Konfrontation mit dem Headliner eine leichte Übung für die Fans, die vor den besinnlichen Tagen am Familientisch noch einmal richtig die Sau rauslassen. Die feministisch angehauchte Hymne „Jurassic Park“, der melancholische Klassiker „Auseinandergehen ist schwer“ und das flotte „Luzia“ werden in derart radikalem Tempo in die Halle geholzt, dass das Publikum gar keine Chance zum Durchatmen hat. Erst beim spacig-elektronisch eingeleiteten „Gib mir alles“, bei dem Marco eine „Amore“-Weihnachtsmütze trägt, geht es ein bisschen gediegener zu. Das Heimspiel in Wien sei genial und schwierig zugleich, erzählt er zwischendrin, Mütter und Schwestern wären da, aber man muss trotzdem aufs verbale und musikalische Gaspedal steigen. Immer weiter. Rock’n’Roll ist eben keine Kinderjause.

Raum für ruhige Töne
An diesem Vorweihnachtsabend versprühen Wanda eine besondere Art von Schweiß und Gefährlichkeit, die ihnen zwischenzeitlich auf der Bühne ein bisschen verlustig gegangen ist. Das Kerntrio ist perfekt aufeinander eingespielt und mit Adrenalin vollgepumpt, die zusätzlichen Live-Musiker passen nicht nur musikalisch, sondern auch charakterlich perfekt in das Gefüge und lassen nie das Gefühl aufkommen, hier gäbe es eine hierarchische Trennung. Neben all den Party- und Saufkrachern sind es aber die leisen, bedächtigen Töne, die Wanda zunehmend zu einer wirklich großen Band gedeihen lassen. Zum Prog-Rock-lastigen „Va Bene“ wählt man blutrotes Bühnenlicht und ein ausuferndes Psychedelic-Intro. Dazwischen gibt es eine Schweigeminute samt Handheben für alle Menschen, die wir dieses Jahr verloren haben. Dann folgt der Höhepunkt der Show.

Auf einem eigenen auf die Bühne gerollten Klavier intoniert Marco Wanda erstmals live bei einem abendfüllenden Konzert die neue Single „Bei niemand anders“. Jenen Song, den er im Jänner in kurzer Zeit geschrieben hat und der Emotionen wie Schmerz, Wut, Trauer, aber auch Befreiung und Erleichterung in drei Minuten packt. Das ist eine Soloshow des genialen Kopfes, bei der die Band tüchtiges Beiwerk ist. Es ist der Moment mit der größten Fragilität. Ein Bruch im Programm und vielleicht auch eine Zäsur für die Band. Wird die Zukunft Wandas nach den vielen Schicksalsschlägen melancholischer, geerdeter, ruhiger? Warum nicht? Das im Juni erscheinende Album „Ende nie“ wird uns zeigen, wohin die Richtung geht. In diesem Weihnachtssetting jedenfalls wieder Richtung Hits. „Meine beiden Schwestern“ erweist sich als textsichere Publikums-Nummer des Abends, beim ausgedehnten „Schnaps“ wird sogar das Saxofon ausgepackt, bevor die Quasi-Falco-Huldigung „Rocking In Wien“ das reguläre Treiben beendet.

Kraftklub, Klimaschutz, Kokain
Doch „was wäre Weihnachten ohne Gäste“, wie Marco Wanda folgerichtig betont und dann zum Überraschungspart des Abends lädt. Mit seinem persönlichen Kindheitsidol Boris Bukowski singt er eine mitreißende Version dessen Kult-Hits „Kokain“, bevor der 77-jährige, ewig junge Rockstar einen kurzen, aber flammenden Appell für Klimaschutz abhält. „Überlegt euch, welche Welt ihr Keith Richards und mir einmal hinterlassen wollt.“ Die größte Sensation des Abends ist dann der Auftritt von Christina Stürmer, deren legendärer Song „Ich lebe“ überraschend gut in das Gesamtbild passt. Gar aus dem fernen Berlin reisten die deutschen Rabauken von Kraftklub an, um in ihren Hosenträgeruniformen stilecht „Songs für Liam“ und „Fahr mit mir (4x4)“ zum Besten zu geben. Diese Party kann man nur noch mit „Columbo“ und „1234“ toppen, zu dem auch noch Kunstschnee vom Bühnendach rieselt, während es im echten Leben draußen donnert und regnet wie im April.

Es ist der magischen Nacht mit Wanda zu verdanken, dass Weihnachten anno 2023 noch einen kantigen Rock’n’Roll-Touch verpasst bekommt und es beim Ganserl/dem Karpfen/der kalten Platte (Traditionsgericht bitte hier einsetzen) am Heiligen Abend im Kopf plötzlich lautstark „Bussi Baby“ nachklingelt. Nach diesem fulminanten Konzertabend mag man sich ein Weihnachten ohne Wanda gar nicht mehr vorstellen. Muss man aber auch nicht, denn 2024 geht es am 21. Dezember in die nächste Runde. Man darf auch schon auf weitere Gäste gespannt sein. Vorher kann man sich Wanda am 31. Mai am Rathausplatz in Gmunden, am 20. Juli in der Grazer Freiluftarena B und am 30. August in der Festung Kufstein ansehen. Unter www.oeticket.com gibt es Karten und weitere Informationen. Frohe Weihnachten und keep on rocking.

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