Stadtspaziergänge

Bauarbeit im Sommer: Nur selten gibt es hitzefrei

Wien
27.08.2023 13:00

„Krone“-Reporter Robert Fröwein flaniert durch die Stadt und spricht mit den Menschen in Wien über ihre Erlebnisse, ihre Gedanken, ihre Sorgen, ihre Ängste. Alltägliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.

Sommers in Wien muss man sich gar nicht viel bewegen, um schnell zu bemerken, dass relativ wenig weitergeht. Alle Jahre wieder werden alternierend zum Beginn der Schulferien und den ersten randvollen Flugzeugen nach Kreta und Mallorca die Baumaschinen entstaubt und quer durch die Stadt verteilt, um Gleisbauarbeiten vorzunehmen, neue Verkehrsinseln zu installieren oder einfach nur den brüchig gewordenen Asphalt zu erneuern. Ob motorisiert oder nicht - die Leidtragenden sind dabei nicht immer nur die Bürger, die weite Umfahrungen oder ausgedehnte Intervalle in Kauf nehmen müssen. Wenn die Sonne erbarmungslos vom Himmel brennt und rettende Wolkenschatten noch nicht einmal annähernd in Sichtweite sind, dann leiden vor allem die Arbeiter selbst unter den prekären Bedingungen.

Ich wohne in einem gut verbauten Bereich eines westlichen Wiener Außenbezirks. Am Nebengebäude wird seit einigen Wochen die Fassade runderneuert. Von in der Früh bis tief in den Nachmittag hinein müssen die Arbeiter im gleißenden Sonnenlicht verbringen. Die einzigen Schattenspender sind Schirmkappen, die aber meist gegen einen Sicherheitshelm getauscht werden müssen. Bohr- und Spachtelarbeiten begleiten ihren Alltag. Die natürliche Hitze wird durch die körperliche Anstrengung potenziert. Dazu schwappte dieser Tage die wohl letzte intensive Hitzewelle über das Land und zeigte keine Gnade. Während sich Beton und Gestein den ganzen Tag über enorm aufheizen, suchen die Arbeiter so gut wie möglich nach ein paar Ruhephasen, um die leeren Akkus wieder aufzuladen.

Tagtäglich gehe ich mehrmals an dieser Baustelle vorbei und frage mich, wie die Arbeiter mit diesen Bedingungen umgehen. Da auch am Gehsteig renoviert wird, kommt zur Hitze- noch die Lärmbelästigung dazu, denn der Presslufthammer dreht ohne Unterlass seine Pirouetten. So mancher arbeitet oberkörperfrei und hat längst eine Farbe angenommen, die an acht Wochen Strandliegen an der Riviera erinnert. Andere lassen die Sturzbäche an Schweiß in weiße Unterhemden rinnen. Auch die stärkende Jause verändert sich mit Einbruch der tropischen Hitzetage markant. Wo man sonst nicht am Odeur des Käseleberkäses mit Senf vorbeikommt, wird hier tatsächlich auch einmal zur Wassermelone oder einem beim Supermarkt zusammengestellten Salat gegriffen. Stärkung muss sein, aber 36 Grad Außentemperatur zwingen selbst den robustesten Fleischtiger in die Knie. Zumindest temporär.

Im Sinne des Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetztes gilt in Österreich, dass das Arbeiten im Freien ab einer Temperatur von mehr als 32,5 Grad eingestellt werden kann, sofern kein kühlerer Alternativarbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden kann. Die Entscheidung darüber obliegt dem Arbeitgeber oder dessen Beauftragten. In der Praxis sieht die Sache freilich anders aus. Von früh bis spät wird fleißig gehämmert, gebohrt, gespachtelt und restauriert. Unter widrigsten Bedingungen. Der enge Zeitplan der Baufirmen lässt wenig Spielraum zu, zudem werden nur wenige Arbeitnehmer direkt darauf hinweisen, dass ihnen angesichts der Verhältnisse Hitzeferien zustehen. Bei meinem besagten Nebengebäude wird auch unter allen Umständen an der Arbeit festgehalten. Der einzige Trost - auch die ärgste Hitze geht irgendwann vorbei.

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