Opposition und NGOs:

Entlastungspaket nur „Tropfen auf heißen Stein“

Politik
20.03.2022 16:53

Mit einem zwei Milliarden Euro teuren Maßnahmenpaket will die Regierung Haushalte, vor allem Pendler, und Wirtschaft entlasten. Damit soll der rasant steigenden Inflation und den stark gestiegenen Energiepreisen entgegengewirkt werden, wie Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Sonntag ankündigten. Von Opposition, Umweltgruppen, Wirtschaft und Industrie gibt es teils harsche Kritik, Wirtschaftsinstitute sehen Vor- und Nachteile.

Für Wifo-Chef Gabriel Felbermayr ist das Energiepaket „in Summe ein vernünftiger Kompromiss“. Besonders positiv seien Maßnahmen, die nicht kamen: der Verzicht auf eine Mehrwertsteuersenkung und auf behördliche Preisfestsetzungen. Gut findet der Wirtschaftsforscher auch die Senkung der Strom- und Gasabgabe sowie Förderungen für öffentlichen Verkehr und erneuerbare Energieträger. Weniger gut seien die starke Erhöhung der Pendlerpauschale und fehlende sozialpolitische Entlastungen. Auch die zeitliche Begrenzung der Maßnahmen lobt Felbermayr und hielt in seinem Twitter-Beitrag fest, es sei „wahrscheinlich nicht das letzte Paket“.

FPÖ sieht „Entlastungs-Mogelpaket"
Breite Kritik hagelte es unmittelbar nach der Pressekonferenz von Opposition, Umweltgruppen, Wirtschaftskammer (WKÖ), Industriellenvereinigung (IV) und Landwirtschaft. FPÖ-Chef Herbert Kickl sieht ein „Entlastungs-Mogelpaket“, denn „bei den Menschen, die von den exorbitanten Preisen am Energiesektor, beim Tanken und Einkaufen betroffen sind, kommt zu wenig an Entlastung an“. Die Entlastung der Pendler sei „mit viermal Tanken schon wieder aufgebraucht“. FPÖ-Umweltsprecher Walter Rauch forderte daher eine Verdoppelung des Kilometergeldes auf 84 Cent.

Für SPÖ nur „Tropfen auf den heißen Stein“, NEOS kritisieren „Kosmetik“
„Die heute präsentierten Maßnahmen der Regierung sind bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein, aber keinesfalls geeignet, der Teuerungswelle gegenzusteuern und Menschen wirklich zu entlasten“, schrieb SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll in einer Aussendung. „Während die Hilfen bei denen, die sie am dringendsten brauchen, zu klein sind, machen etwa Mineralölkonzerne das Geschäft ihres Lebens.“ Ungerecht sei auch die Erhöhung der bestehenden Pendlerpauschale um 50 Prozent, wodurch die schon bestehende Begünstigung von Menschen mit höherem Einkommen verstärkt werde.

Für die NEOS ist das Paket „Kosmetik, keine nachhaltige Entlastung“, die Oppositionspartei fordert einmal mehr die Abschaffung der kalten Progression.

WKÖ und IV fordern weitere Entlastungen
Für WKÖ-Chef Harald Mahrer und IV-Chef Georg Knill geht das Paket nicht weit genug. „Bestenfalls ein erster Schritt“ ist es für Mahrer, „nur ein Tropfen auf den heißen Stein und geht an der tatsächlichen Realität der Unternehmen vorbei“, befindet Knill. Industrie und Unternehmen bräuchten weitere Entlastungen, etwa eine Strompreiskompensation, wie es sie in einigen EU-Ländern bereits gebe.

Die Landwirtschaftskammer ist vorerst unzufrieden mit dem Energiepaket. Es sorge nicht für Klarheit für die Bauern und verkenne deren prekäre Lage, die vorgesehene Entlastung liege noch völlig im Ungewissen. Der Handelsverband dagegen begrüßte das Energiepaket, entscheidend sei eine „branchengerechte und zeitnahe Umsetzung“. Die Energieintensität im Handel sei nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Maßnahmen für ÖGB-Chef Katzian „zu zaghaft“
Für ÖGB-Chef Wolfgang Katzian sind „die Maßnahmen der Bundesregierung im Kampf gegen die massiven Energiepreissteigerungen zu zaghaft“. Er verweist auf eigene Vorschläge vom November, die nach Gewerkschaftsberechnungen mehr zur Entlastung der Haushalte beigetragen hätten. „Die heutigen Maßnahmen als große Entlastung in dieser Lage zu präsentieren, ist völlig unangebracht“ so Katzian, der fordert, in weitere Verhandlungen eingebunden zu werden.

Auch die Arbeiterkammer stellt auf Twitter klar: „Wir werden am Mittwoch beim Treffen der Sozialpartner sicher nicht nur über Preisbeobachtung reden. Sondern weiter um die soziale Abfederung der Teuerungswellen.“

Lob und Kritik von Verkehrsclubs
Der ÖAMTC lobt die Unterstützung für Pendler, wies aber darauf hin, dass es noch viele andere Menschen gebe, die auf ihr Auto angewiesen seien. Für sie wäre eine Erhöhung des Kilometergelds oder eine Senkung der Spritpreise hilfreicher. Der Verkehrsclub Österreich lobte Maßnahmen zur Preissenkung und zum Ausbau bei Öffis und hält auch die Erhöhung der Pendlerpauschale kurzfristig für treffsicherer als allgemeine Steuersenkungen. Dennoch seien mehr Maßnahmen nötig, um die Erdölabhängigkeit des Verkehrs zu reduzieren.

Steuergeldverschwendung „nach dem Gießkannenprinzip“
WWF und Global 2000 kritisieren fehlende Maßnahmen zum Energiesparen bzw. fehlende Weichenstellungen für die Energiewende raus aus Öl und Gas. „Schritte in die richtige Richtung“ seien zusätzlichen Mittel für öffentliche Verkehrsmittel und für den Ausbau erneuerbarer Energien. „Sehr kritisch“ sieht der WWF die Förderung für Pendler. Global 2000 fordert gesetzliche Maßnahmen für den Ausbau erneuerbarer Energien und meint, „angesichts der dramatischen Situation, von Krieg, fossiler Abhängigkeit und Klimakrise, sind die heute präsentierten Antworten völlig unzureichend“. Greenpeace kritisiert, mit dem Paket würden „Steuermilliarden nach dem Gießkannenprinzip verschwendet. Das ist weder für den sozialen Ausgleich noch fürs Klima sinnvoll.“

Pensionistenverband „enttäuscht“
„Enttäuscht“ ist auch der Präsident des Pensionistenverbandes. „Die von der Regierung heute vorgeschlagenen Maßnahmen sind für ältere Menschen kaum relevant“, schreibt Peter Kostelka. „Ich erwarte, dass die Bundesregierung am Mittwoch tatsächlich mit den Sozialpartnern weitere Maßnahmen ausverhandelt“, er werde nicht „die heute präsentierten Maßnahmen formal absegnen“.

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