Klarheit gefordert!

Impfpflicht: Festhalten, aussetzen, keine Strafen?

Politik
14.02.2022 13:31

Erst vor neun Tagen - am 5. Februar - ist das Gesetz zur Impfpflicht in Österreich in Kraft getreten. Laut aktuellem Fahrplan der Regierung muss ab 15. März jeder über 18 Jahre über einen gültigen Impfstatus verfügen. Ab dann soll auch kontrolliert und gestraft werden. Doch angesichts der neuen Entwicklungen in Sachen Omikron-Welle könnten die Pläne wieder (teilweise) über Bord geworfen werden. Politik und Experten sind sich über die weitere Vorgehensweise jedoch uneinig, beinahe täglich kommen neue Vorschläge. Fakt ist: Die Bevölkerung braucht langsam Klarheit.

„Es gibt erheblichen Erklärungsbedarf, um der durch unterschiedliche Diskussionen verursachte Verwirrung in der Bevölkerung mit klarer Kommunikation entgegenzuwirken“, rüffelt Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) die Bundesregierung im Vorfeld des Bund-Länder-Gipfels am Mittwoch. 

Die Zweifler werden mehr
Zur Erinnerung: Vor Monaten wurde die Impfpflicht seitens der Bundesregierung, großen Teilen der Opposition und beinahe allen Experten noch als der große „Gamechanger“ in Sachen Corona-Pandemie bezeichnet, um vor allem künftige Lockdowns zu verhindern. Beim Vier-Parteien-Beschluss im Parlament Ende Jänner gab es noch breiten Konsens, Lob gab es dafür auch. Doch schon wenige Wochen später haben sich die Wortmeldungen einiger Experten und politisch Verantwortlichen teilweise drastisch gedreht. Die Zweifel daran, ob der jetzige Zeitpunkt der Impfpflicht überhaupt noch sinnvoll ist, werden immer lauter.

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In der aktuellen Omikron-Welle mit deutlich leichteren Verläufen ist diese Maßnahme nicht mehr wirklich in dieser Form notwendig.

Virologe Norbert Nowotny

Situation durch Omikron geändert
Grund dafür ist die Entwicklung der Omikron-Welle des Coronavirus. Tenor: „Diese führt so und so zu einer Durchseuchung innerhalb der Bevölkerung.“ Laut dem Virologen Norbert Nowotny etwa habe das Impfpflicht-Gesetz seinen Ursprung in der Delta-Welle, „da war es absolut gerechtfertigt“. Die Spitäler seien zu diesem Zeitpunkt am Anschlag gewesen. „In der aktuellen Omikron-Welle mit deutlich leichteren Verläufen ist diese Maßnahme nicht mehr wirklich in dieser Form notwendig." Viele Menschen würden außerdem noch auf die Zulassung der Impfstoffe Novavax und Valneva warten, daher hält er das Inkrafttreten der Impfpflicht für verfrüht.

Seine Kollegin Dorothee von Laer wiederum befürwortet die Impfpflicht. Die Tiroler Virologin hofft, dass durch diese noch bestehende „Impflücken“ geschlossen werden können. Außerdem prognostiziert die 63-Jährige, dass zukünftig zumindest eine Impfung jährlich zur Auffrischung gegen Corona notwendig sein werde.

Auch Bundesländer uneinig
Wie bei den Virologen ist man sich auch seitens der politisch Verantwortlichen in den Ländern uneinig über die Impfpflicht. Beinahe täglich kommen neue Vorschläge. Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) etwa zweifelt im Hinblick auf die Omikron-Variante an der Verhältnismäßigkeit. Ähnliche Kritik kommt aus Kärnten und Oberösterreich - auch deren Landeshauptleute appellierten an den Bund. So würden vor allem die stabilen Spitalszahlen und der mildere Krankheitsverlauf durch Omikron die Impfpflicht obsolet machen.

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Man kann nicht ein Gesetz schaffen und dann schaffen wir es gleich wieder ab. Dieses Hü und Hott wird uns die Bevölkerung nicht abnehmen.

Steiermarks Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP)

Wallner gegen Abschaffung der Impfplicht, aber ...
Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner, aktueller Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, kann sich sogar eine Impfpflicht ohne Bestrafung vorstellen. Er glaubt nicht, dass es zum jetzigen Stand der Dinge automatische Sanktionen brauche, sagte er gegenüber den „Vorarlberger Nachrichten“. In Sachen Impfpflicht müsse mit den Experten geklärt werden, „was wir mit Blick auf den Herbst brauchen“, sagte Wallner. Zur Bekämpfung der Omikron-Welle bringe die Impfpflicht wenig, stellte Wallner infrage, ob die Impfpflicht ab Mitte März bei Polizeikontrollen zu berücksichtigen sei. Ebenso hinterfragte der Landeshauptmann, ob allen Ungeimpften in weiterer Folge automatisch eine Strafe drohen soll. „Man kann da langsamer vorgehen“, fand er. Gleichzeitig warnte Wallner mit Blick auf den Herbst aber vor einer Abschaffung der Impfpflicht.

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In Sachen Impfpflicht muss mit den Experten geklärt werden, was wir mit Blick auf den Herbst brauchen.

Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP)

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) bekannte sich zur Impfpflicht. Sie komme zwar zu spät, aber „nur die Impfung schützt. Daher bin ich weiterhin dafür, dass es die Impfpflicht gibt.“ Und er merkte auch an: Man könne „nicht ein Gesetz schaffen und dann schaffen wir es gleich wieder ab. Dieses Hü und Hott wird uns die Bevölkerung nicht abnehmen.“

Mückstein und GECKO wollen an Impfpflicht festhalten
Auch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) will definitiv an der Impfpflicht festhalten. „Bei dem Gesetz handelt es sich um ein gemeinsames Projekt von vier Parteien und der gesamten Bundesregierung“, stellte er klar. Auch die GECKO-Kommission verteidigte sie am vergangenen Donnerstag. So solle die Impfpflicht vor allem als Maßnahme für potenzielle Wellen im Herbst helfen - da der volle Impfschutz plus Booster ein halbes Jahr brauche, um seine volle Wirkung zu entfalten. So wäre man bei einer neuen Welle im Herbst gut gerüstet. Zumindest sagen Prognosen einen entspannten, infektionsarmen Sommer voraus.

Auch Wiens SPÖ-Gesundheitsstadtrat Peter Hacker verteidigte die Impfpflicht: „Ich glaube nicht, dass wir dem Hobby frönen sollten, ständig alles zu hinterfragen, was wir gerade entschieden haben“, sagte er dem ORF.

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Ich glaube nicht, dass wir dem Hobby frönen sollten, ständig alles zu hinterfragen, was wir gerade entschieden haben.

Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ)

Kanzler gesprächsbereit
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) schließt hingegen das Aussetzen der Impfpflicht nicht aus. Wenn sich die von der Regierung beauftragten Experten dafür aussprechen, das Gesetz auszusetzen, werde man das machen, erklärte Nehammer in der „Krone“ am Sonntag. Das Gesetz werde ohnehin ständig evaluiert, „genau das fordern jetzt die Landeshauptleute“. „Solange die Experten der Kommission sagen: ,Ja, das Impfen ist das probate Mittel‘, bleibt die Impfpflicht natürlich aufrecht“, so der Kanzler. Wenn aber die Experten der Regierung vorschlagen, das Gesetz abzusagen, werde man das tun. Die im Bundeskanzleramt angesiedelte Experten-Kommission wird nach den Worten des Kanzlers „in den kommenden Wochen tagen“. 

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Wenn sich die von der Regierung beauftragten Experten dafür aussprechen, das Gesetz auszusetzen, werden wir das machen.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP)

Nehammer betonte, dass die Einführung des Impfpflichtgesetzes mit über 80 Prozent Zustimmung im Nationalrat beschlossen wurde, „weil wir ein Gesetz gemeinsam geschaffen haben, das so flexibel ist wie das Virus an sich“.

Wie verfahren der Karren aber derzeit ist, zeigt sich allein in der Uneinigkeit innerhalb der Ärzteschaft. Während Österreichs Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres klar dafür ist, will Tirols Ärztekammerchef Artur Wechselberger diese aussetzen. Fakt ist: Die Zeit drängt, langsam sollte die Bevölkerung mit einem klaren Fahrplan und Konzept versorgt werden - und nicht mit Worthülsen. 

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