„Müssen jetzt handeln“

Macron und Merkel einig: EU steht am Scheideweg

Ausland
18.11.2018 18:05

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel haben die EU-Staaten eindringlich zu einschneidenden Reformen bei ihrem Gipfel im Dezember aufgerufen. „Du hast gesagt, wir stehen am Scheideweg. Dies ist auch genau das, was ich empfinde“, sagte Merkel bei einem gemeinsamen Auftritt am Sonntag in Berlin. Macron hatte zuvor in einer teils drastischen Rede im Bundestag gewarnt, man dürfe nicht zum Spielzeug anderer einflussreicher Staaten werden: „Es gibt zu viele Mächte, die uns ausbremsen wollen. Wir haben die Aufgabe, jetzt zu handeln, weil wir es Europa schulden.“

Auf dem Weg zu mehr Europa dürften Deutschland und Frankreich nicht zögern. „Die neue deutsch-französische Aufgabe besteht darin, Europa mit den notwendigen Instrumenten der Souveränität auszustatten“, sagte Macron bei einer Sondersitzung der deutschen Volksvertretung anlässlich des „Volkstrauertages“, an dem in Deutschland der Kriegstoten gedacht wird. „Das deutsch-französische Gespann hat die Aufgabe, die Welt nicht ins Chaos abdriften zu lassen und sie auf einen friedlichen Kurs zu bringen.“

Mehr EU-Kompetenzen bei Migration, Budget und Verteidigung gefordert
Frankreichs Präsident forderte, die EU weiter zu stärken. Sie sei noch nicht für Herausforderungen wie etwa die Einwanderung oder den Klimawandel gewappnet. Die EU taste sich an die Herausforderungen mit der Berührungsangst eines Anfängers heran. Es gebe Ängste, wenn gemeinsame Entscheidungen in der Außen- und Migrationspolitik getroffen oder ein wachsender Teil des Budgets und sogar der Steuereinnahmen geteilt werden müssten.

Ziel sei es, eine europäische Verteidigung zu verwirklichen, aus dem Euro eine internationale Währung mit europäischem Budget zu machen und ein europäisches Flüchtlingsamt mit gemeinsamen Regeln zu schaffen, sagte Macron. Die Welt und die EU stünden nämlich an einem Scheideweg: Entweder man stürze sich „in den Abgrund der grenzenlosen Faszination für Technologie ohne Gewissen, Nationalismus ohne Gedächtnis und Fanatismus ohne Werte“, oder aber man besinne sich „auf die aufregenden Errungenschaften des Fortschritts“, von denen die ganze Menschheit profitieren solle.

In dem Auftritt mit Merkel bezeichnete Macron etwa eine Reform der Eurozone und die Einführung einer Digitalsteuer sowie eine engere Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik als nötig. Den Vorschlag der Finanzminister beider Länder für ein Eurozonen-Budget erwähnten Macron und Merkel nicht. Das Budget soll nach Vorstellung des deutschen Vizekanzlers Olaf Scholz und Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire als Instrument der Ko-Finanzierung für Investitionen in die Wirtschafts- und Forschungspolitik dienen und Teil des allgemeinen EU-Budgets sein.

Neuer Vertrag für die weitere deutsch-französische Zusammenarbeit
Macron, dessen Popularität in Frankreich schwindet und dem derzeit ein äußerst rauer Wind entgegenschlägt, hatte am Vormittag mit seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier an einem Treffen europäischer Jugendlicher teilgenommen und dann einen Kranz am Ehrenmal für die Kriegstoten niedergelegt. Die beiden Staatsoberhäupter und Merkel betonten, dass es wichtig sei, 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges nach vorne zu schauen. Am 22. Jänner soll deshalb ein neuer Elysee-Vertrag als Grundlage für die weitere deutsch-französische Zusammenarbeit beschlossen werden.

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