Abschied

Trauerfeier für Amoklauf-Opfer in Winnenden

Ausland
21.03.2009 15:16
Mit einer bewegenden Trauerfeier hat Deutschland Abschied von den Opfern des Amoklaufs in Winnenden genommen. Eineinhalb Wochen nach der Tat gedachten 900 Trauergäste - darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Horst Köhler - am Samstag in der Kirche St. Karl Borromäus der 15 Menschen, die der 17-jährige Tim K. am 11. März erschossen hatte. Tausende weitere Trauernde vor Großleinwänden in Winnenden sowie Millionen Fernsehzuschauer verfolgten den Gottesdienst und den anschließenden Staatsakt. Dort rief der sichtlich bewegte Bundespräsident zur Ächtung von Gewalt in den Medien auf. Zuvor hatten Angehörige der Opfer in einem offenen Brief politische Konsequenzen aus dem Amoklauf gefordert.

In ganz Deutschland wehten die Flaggen an öffentlichen Gebäuden auf Halbmast, in Baden-Württemberg läuteten eine Viertelstunde vor dem Gottesdienst alle Kirchenglocken.

Namen der Opfer verlesen
Zu Beginn der Feier, an der neben Merkel und Köhler auch andere deutsche Spitzenpolitiker wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier teilnahmen, wurden die Namen der 15 Opfer verlesen. Nach dem Verlesen jedes einzelnen Namens trugen Schüler eine Kerze nach vorne, entzündeten sie und stellten sie zusammen mit einer gelben Rose auf dem Altar ab. Der evangelische Landesbischof Frank Otfried July verwies in seiner Predigt während des ökumenischen Gottesdienstes auf die christliche Hoffnung für die Opfer und auch den Amokläufer: "Wir schweigen auch den Täter dieser furchtbaren Mordtaten, Tim K., nicht tot", sagte July. Abgeschieden von den Opfern werde auch sein Leben vor Gott gestellt.

Präsident kämpft mit Tränen
Köhler, dessen Ehefrau Eva Luise in den 70er Jahren als Lehrerin an einer Winnender Grundschule unterrichtete, hatte bei seiner Rede sichtlich mit den Tränen zu kämpfen. Mehrfach zitterte und stockte seine Stimme. Das Staatsoberhaupt forderte, dem Dauerkonsum von gewaltverherrlichenden Filmen und Computerspielen Einhalt zu gebieten. Dabei sei nicht nur der Staat gefordert. Es sei auch eine Frage der Selbstachtung, welches Vorbild man Freunden, Kindern und Mitmenschen gebe.

Der deutsche Bundespräsident, der sich nach der Feier gemeinsam mit Kanzlerin Merkel noch mit Angehörigen der Opfer traf, kritisierte zugleich eine Gesellschaft, die täglich scheinbare Stars produziere und diese morgen schon wieder vergessen habe. "Was wird aus denen, die solchen Bildern nicht entsprechen? Wie schnell fällt einer aus dem Rahmen, nur weil er anders ist, als wir es von ihm erwarten", fragte Köhler. Er rief dazu auf, Menschen nicht den "medialen Scheinwelten" zu überlassen und sie stattdessen so wahrzunehmen, wie seien.

Weniger Trauernde als erwartet
Die Trauerfeier hatte deutlich weniger Trauernde nach Winnenden und Umgebung gezogen als erwartet. Die Polizei sprach eine Stunde nach Auftakt des Gottesdienstes von rund 7.500 Menschen, versammelt an elf Veranstaltungsorten in Winnenden und sieben in anderen direkt betroffenen Gemeinden, in denen Opfer zu beklagen waren. Die Stadt Winnenden hatte sich auf rund 30.000 Gäste eingerichtet. Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger hatte sogar von bis zu 100.000 erwarteten Trauernden gesprochen.

Opfer-Angehörige fordern Konsequenzen
Wenige Stunden vor Beginn der Trauerfeier hatten Angehörige der Amoklauf-Opfer Konsequenzen von der Politik gefordert. Sie meldeten sich in einem offenen Brief an Bundespräsident Köhler, Bundeskanzlerin Merkel und Ministerpräsident Oettinger zu Wort. Darin verlangen sie, den Zugang für Jugendliche zu Waffen zu erschweren, Gewaltdarstellungen im Fernsehen einzuschränken, Killerspiele zu verbieten, den Jugendschutz im Internet auszubauen und die Berichterstattung der Medien über Amok-Täter zu reglementieren.

Die Angehörigen schrieben in ihrem offenen Brief: "In unserem Schmerz, in unserer Hilflosigkeit und in unserer Wut wollen wir (...) nicht untätig bleiben." Sie wollten "mithelfen, damit es kein zweites Winnenden mehr geben kann".

15 Menschen erschossen
Der 17-jährige Tim K. hatte bei seinem Amoklauf am 11. März an seiner ehemaligen Schule in Winnenden und auf der anschließenden Flucht nach Wendlingen 15 Menschen und danach sich selbst getötet. Seine Leiche wurde zwei Tage nach dem Massaker freigegeben, aber bisher nach Polizeiangaben nicht beigesetzt. "Wann und wo dies geschieht, wird nicht bekanntgegeben", sagte eine Polizeisprecherin in Waiblingen. Die Opfer des Amokläufers wurden bereits zu Grabe getragen.

Kerzen für Amokläufer
Vor dem Elternhaus von Tim K. in Leutenbach-Weiler zum Stein legten Unbekannte rund ein Dutzend Kerzen ab. Auf einem Zettel stand in einem Schreiben an Tim K.: "Egal, was geschehen ist, Du wirst immer einen Platz in meinem Herzen haben. Farewell and rest in peace. (Leb wohl und ruh in Frieden)".

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