Streit mit Türkei

Dauerhafter Schaden für Wirtschaft befürchtet

Wirtschaft
07.09.2016 16:10

Im Streit mit der Türkei wird eine weitere Eskalation befürchtet. Die beiden Länder sind "in eine Phase eingetreten, wo man sich wehtun möchte", sagte der bisherige österreichische Wirtschaftsdelegierte in Ankara, Konstantin Bekos, am Mittwoch in Wien. Die Nerven lägen in beiden Ländern blank. Neben Verbalattacken gibt es auch schon handfeste Auswirkungen des Zwists: Österreichische Firmen verloren öffentliche Aufträge, die Exporte sind eingebrochen - und vor Kurzem wurde auch eine wissenschaftliche Kooperation auf Eis gelegt.

Das vorzeitige Aus für das österreichische Grabungsteam in der antiken Weltkulturerbestätte Ephesos nahe Izmir ist der aktuelle Tiefpunkt einer zunehmend zerrütteten Beziehung zwischen der Türkei und Österreich. Der Grabungsstopp der Archäologen auf Anweisung des türkischen Kulturministeriums sei eindeutig als "Retourkutsche" zu verstehen, sagte Bekos. Wenn der raue Ton anhalte, könnten die Beziehungen dauerhaft geschädigt werden, fürchtet er. Die politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen der beiden Länder reichten historisch weit zurück und gingen tief. Diese langjährigen Beziehungen könnten jetzt "in einigen Bereichen in die Brüche gehen".

Wasserkraftwerke, Flughafen und "Jahrhundert-Tunnelprojekt"
Rund 140 österreichische Unternehmen seien derzeit vor Ort aktiv, einige schon seit Jahrzehnten. Darunter seien zahlreiche Firmen, die als Zulieferer für die Bauindustrie agierten. "Wir waren bei allen Großprojekten dabei", so Bekos. Ein Großteil der Wasserkraftwerke in der Türkei sei mit österreichischer Beteiligung entstanden. Aktuell seien österreichische Firmen etwa beim Bau des dritten Istanbuler Flughafens und dem Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes für die Bahn eingebunden. Sie hätten auch am Bau des "Jahrhundertprojekts" Marmaray, der Untertunnelung des Bosporus, mitgewirkt.

Im Vorjahr hat das österreichische Außenhandelsvolumen fast drei Milliarden Euro erreicht. Die heimische Wirtschaft lieferte 2015 Waren im Wert von 1,4 Milliarden Euro in die Türkei und führte Güter im Wert von 1,46 Milliarden Euro ein. Im ersten Quartal 2016 hingegen waren die Exporte heimischer Unternehmen in die Türkei um fast 13 Prozent rückläufig, bei gleichbleibenden Importen.

Wirtschaftsdelegierter: "Türkei fühlt sich im Stich gelassen"
Die innenpolitische Zerreißprobe, der zerbrochene Friedensprozess mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, der Syrienkrieg sowie die Fluchtbewegungen der Syrer in die Türkei - und weiter nach Europa - hätten die Türkei zermürbt. Hinzu kam die mangelnde Reaktion der Europäer auf den Putschversuch am 15. Juli. "Die Türkei fühlte sich im Stich gelassen", beschreibt der Delegierte die Wahrnehmung im Land am Bosporus. Die Folgen seien fatal, sowohl für die Beziehungen mit der Europäischen Union als auch für die Türkei selbst.

Dennoch sieht der Wirtschaftsdelegierte die EU-Perspektive der Türkei weiter als wichtig an - für beide Seiten: "So viele essenzielle Kapitel wurden bisher nicht einmal eröffnet." Die Türkei brauche und suche den Anschluss nach Europa. Die Forderung nach Visafreiheit sei mittlerweile eine "Frage der Ehre" für die Türkei geworden.

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