U-Boot, Drohne & Co.

Wie Roboter den Atommüll der Menschheit entsorgen

Wissenschaft
11.08.2015 12:22
Sie wagen sich in eine Umwelt vor, in der sich Menschen binnen Minuten eine tödliche Strahlendosis einfangen würden: hochspezialisierte Roboter, die in radioaktiven Teichen, Atom-Ruinen und Lagern für nukleare Abfälle eingesetzt werden. Nicht nur in der japanischen Atomruine Fukushima verrichten sie ihren Dienst, sondern auch in Europa. Im britischen Sellafield-AKW wird derzeit erprobt, wie Roboter während der nächsten hundert Jahre bei der Entsorgung des Meilers und seiner Hinterlassenschaften helfen können.

Sellafield war eine der ersten Atomanlagen Großbritanniens und wurde 1957 durch einen Brand im zur Herstellung von atomwaffenfähigem Plutonium genutzten Reaktor bekannt, bei dem größere Mengen radioaktiver Stoffe freigesetzt wurden, die das umliegende Farmland bis heute belasten. 2005 entwichen in Sellafield 83.000 Liter hochradioaktive Flüssigkeit, 2014 wurde das Personal wegen erhöhter Strahlenbelastung angewiesen, zu Hause zu bleiben.

Mittlerweile ist das Maß voll und die alte Atomanlage soll einem Bericht der britischen TV-Anstalt BBC zufolge stillgelegt werden - inklusive Beseitigung der nuklearen Überbleibsel. Und hier fängt das Problem an. "Ich würde Ihnen gerne sagen, dass wir sehr gute Aufzeichnungen über das Material in diesen Anlagen haben. Aber das ist einfach nicht so", erklärt Kevin Gunston, der für die Stilllegung des Meilers verantwortlich ist. Hinzu kommt: Manche Orte in der Atomanlage sind so gefährlich, dass dort seit Jahrzehnten kein Mensch mehr war.

U-Boote im Abklingbecken, Drohnen im Schornstein
Am Sellafield-Gelände gibt es riesige Abklingbecken, in denen Atommüll liegt. Ins verseuchte Wasser dieser Teiche kann kein Mensch vordringen, der Zustand der Behälter am Grund ist für Gunston und sein Team eine Unbekannte. Ein beim Zwischenfall von 1957 kontaminierter Schornstein stellt die Arbeiter ebenfalls vor Probleme. Und auch bei der Verarbeitung der nuklearen Abfälle gibt es etliche Gefahren für die mit der Stilllegung betrauten Arbeiter.

Als Lösung dienen - ebenso wie in Fukushima - Roboter. Statt Menschen sehen ferngesteuerte Mini-U-Boote in den sauren Fluten der Abklingbecken nach dem Rechten, Drohnen inspizieren den Schornstein und andere gefährliche Areale der Atomanlage. Und bei der Umverpackung nuklearer Abfälle kommen Industrieroboter zum Einsatz, die sonst in der Autoindustrie genutzt werden. Die Arbeiten in Sellafield sollen rund hundert Jahre dauern - und Gunston und sein Team erproben jetzt die Technologien, die den Rückbau des AKW überhaupt erst möglich machen.

Bewährte Technik wegen schwieriger Wartung
Die Entsorgung eines Atomkraftwerks mit Roboterhilfe stellt Gunston und sein Team vor erhebliche Herausforderungen. Roboter, die in solchen Umgebungen eingesetzt werden, müssen einerseits extrem zuverlässig sein, weil die Wartung eines verstrahlten Roboters erst wieder eine Gefahr für Menschen bedeutet. Andererseits müssen die Roboter auch sehr robust sein und beispielsweise Tauchgänge im durch die nuklearen Abfälle zur Säure gewordenen Wasser der Abklingbecken überstehen.

So kommt es, dass viele der Roboter in Sellafield aus der Industrie kommen. Schwärme von Robo-U-Booten des britischen Konzerns James Fisher Nuclear (siehe Video), die ursprünglich für die Arbeit auf Bohrinseln entwickelt wurden, tauchen in den Abklingbecken Sellafields. Die Palette der Tauchroboter reicht von kleinen Exemplaren, die nur Bilder aus den Becken liefern, bis hin zu waschmaschinengroßen Robotern, die verseuchten Schlamm aufsaugen oder alte Brennstäbe einsammeln.

Drohne wagt sich in verstrahlten Schornstein
Den verseuchten Schornstein der Anlage analysiert eine Drohne. Der Quadrocopter "Riser" ist mit fortschrittlichen Navigationssystemen ausgestattet und kann sogar im Inneren des Gebäudes Aufklärungsarbeit leisten. Strahlungssensoren messen, wie gefährlich es in den Gebäuden der Sellafield-Anlage ist und helfen der Drohne dabei, eine Strahlungskarte zu erstellen.

Auf ihr können die Arbeiter um Kevin Gunston ablesen, in welchen Bereichen der Anlage Menschen für die Aufräumarbeiten eingesetzt werden können - und wo sie besser zu Robotern greifen sollten.

Industrieroboter verpacken Atommüll um
Mit dem Abriss der Anlage ist es allerdings nicht getan, schließlich muss auch für die Verwahrung des Atommülls gesorgt werden, der sich im Laufe der Jahrzehnte in Sellafield angesammelt hat. Hier kommen Industrieroboter des deutschen Herstellers Kuka zum Einsatz. Ihre Aufgabe bei der Sellafield-Stilllegung ist die Umverpackung von nuklearen Abfällen - etwa, weil der Container, der sie enthält, nach Jahrzehnten im sauren Wasser der Abklingbecken nicht mehr dicht ist.

Normalerweise bewegen die Robo-Arme von Kuka Teile in der Automobilindustrie, in Sellafield dagegen hantieren sie mit kontaminiertem Material. Sie bereiten den Abfall aus den Abklingbecken und Silos der Anlage für die langfristige Verwahrung vor, verpacken ihn in solide Metallcontainer.

"Langfristig" ist hier freilich ein relativer Begriff, schließlich werden manche Abfälle aus Sellafield noch in Tausenden Jahren verstrahlt sein - und niemand kann garantieren, dass die nuklearen Abfälle so lang perfekt vor Umwelteinflüssen geschützt werden und ihren bedenklichen Inhalt sicher unter Verschluss halten können, dass kommende Generationen nicht irgendwann damit in Kontakt kommen. Ihnen bleibt dann wohl nur, abermals Roboter zu bemühen, um die Folgen billiger Energie durch Kernkraft einzudämmen.

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