Während der Pandemie tauschten sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Chef des Pharmaunternehmens Pfizer per SMS aus. Die Nachrichten sollten später offengelegt werden. Nun kommen neue Details an Licht: Die SMS wurden offenbar gelöscht.
Von der Leyen und Pifzer-CEO Albert Bourla hatten die Nachrichten im Jahr 2020 ausgetauscht. Damals bemühten sich die Spitzen der internationalen Politik, während der Pandemie die Kontrolle nicht zu verlieren und Impfstoffe zu beschaffen. Auch die EU-Kommissionspräsidentin dürfte unter hohem Druck gestanden haben.
US-Zeitung klagte EU-Chefin
Was in den Nachrichten stand? Unklar. Die „New York Times“ hatte die Kommission auf Herausgabe der SMS verklagt. Von der Leyen hatte sich zuvor geweigert, diese offenzulegen. Im Mai erklärte ein Gericht, die Kommission habe keine glaubwürdige Erklärung für die Verweigerung des Zugangs geliefert.
In einem Brief an die US-Zeitung vom 28. Juli erklärte die Kommission, von der Leyens Kabinettschef Björn Seibert habe – erst im vergangenen Monat – das von der Kommissionschefin verwendete Mobiltelefon und die darauf installierte Signal-App überprüft und keine Nachrichten gefunden, die der Beschreibung der Zeitung entsprächen.
So erklärt EU-Kommission die Löschung
Eine vorherige Prüfung des Gerätes soll bereits im Jahr 2021 stattgefunden haben. Damals sei klar geworden, dass die SMS lediglich dazu gedient hätten, die erforderlichen Telefonate zwischen Von der Leyen und Bourla zu koordinieren. Daher seien die Nachrichten nicht als offizielle Dokumente aufbewahrt worden. Die Kommission betonte, es habe sich um „flüchtige“ elektronische Mitteilungen gehandelt. Daher seien sie für eine Veröffentlichung nicht von Interesse gewesen.
Während der Pandemie hatte die EU-Kommission im Namen der Mitgliedsstaaten Verträge über Hunderte Millionen Dosen Impfstoff verhandelt und abgeschlossen. Das Vorgehen stand immer wieder in der Kritik, weil die Verträge nur teilweise öffentlich gemacht wurden oder weil es Verzögerungen bei der Lieferung des Impfstoffs gab. Die milliardenschweren Käufe von Corona-Impfstoff gerieten auch in das Visier der europäischen Staatsanwaltschaft.
Von der Leyens Handy soll „mehrfach ausgetauscht“ worden sein
Die Kommissionschefin selbst war dafür verantwortlich, zu entscheiden, welche Wichtigkeit diesen und anderen Nachrichten und Dokumenten zukamen. Die Kommission wies in ihrem Schreiben auch darauf hin, dass ihr Telefon seit dem Austausch der Nachrichten „mehrfach“ ausgetauscht worden sei, zuletzt Mitte 2024. Ihr Kabinett erklärte, die alten Nachrichten seien nicht gespeichert worden und die Telefone seien „formatiert und recycelt“ worden. Die SMS seien so spätestens seit Juli 2023 nicht mehr vorhanden gewesen.
Keine „wichtigen“ Informationen
Schon zu diesem Zeitpunkt untermauerte die Kommission ihre Behauptung, auf Basis der europäischen Informationsfreiheitsregeln keine Einblicke in den SMS-Austausch gewähren zu können. Nach der Verordnung zur Akteneinsicht für EU-Gremien gebe es nur eine Pflicht, so die Argumentation damals, Dokumente aufzubewahren, „wenn sie wichtige Informationen enthalten, die nicht von kurzer Dauer sind“. Das gelte ferner, sobald Maßnahmen „seitens der Kommission oder einer ihrer Dienststellen“ erforderlich seien. Die erfragten SMS hätten diese Kriterien nicht erfüllt.
Kritiker werfen von der Leyen und Seibert vor, die Macht in der mächtigen Exekutive der EU zu zentralisieren und streng zu kontrollieren, wer in den Teams der verschiedenen Politikbeauftragten arbeitet. Außerdem werde die Kommunikation überwacht.
Misstrauensvotum auch wegen „Pfizergate“
Von der Leyen überstand am 10. Juli ein Misstrauensvotum im EU-Parlament, das erste gegen einen Kommissionspräsidenten seit über einem Jahrzehnt. Grund dafür: „Pfizergate“, der mutmaßlichen Missbrauchs von EU-Geldern und zweifelhafte Vorwürfe der Wahlbeeinflussung.
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