Kritik auch aus Wien

Weltweit Empörung über Israels neue Siedlungspläne

Ausland
03.12.2012 17:25
Israels Ankündigung neuer Siedlungspläne bei Ostjerusalem und im Westjordanland als Trotzreaktion auf die UN-Aufwertung Palästinas zum Beobachterstaat hat heftige diplomatische Proteste hervorgerufen. Die israelischen Botschafter u.a. in London, Paris, Madrid, Kopenhagen und Stockholm mussten am Montag in den Außenministerien ihrer verärgerten Gastländer Rede und Antwort stehen. Auch Russland, die Niederlande, Deutschland und Österreich verurteilten die Pläne auf das Schärfste.

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu hatte am Sonntag im Hinblick auf die Aufwertung der Palästinenser bei den Vereinten Nationen gesagt, seine Regierung werde als Reaktion auf den "Angriff gegen den Zionismus und gegen den Staat Israel" 3.000 weitere Wohnungen bei Ostjerusalem und im Westjordanland bauen.

Harsche Worte aus zahlreichen Hauptstädten der EU
Das britische Außenministerium erklärte am Montag, die Entscheidung Netanyahus gefährde die Zwei-Staaten-Lösung. Israels Botschafter in London, Daniel Taub, sei zu dem für den Nahen Osten zuständigen Außenstaatssekretär Alistair Burt zitiert worden. Die britische Regierung fordere Israel eindringlich dazu auf, seine Pläne zurückzunehmen.

Auch in Paris wurde Israels Botschafter Yossi Gal einberufen. Nachdem das Außenministerium erklärt hatte, auch andere Möglichkeiten zu erwägen, um seine "Missbilligung" der Siedlungspläne zum Ausdruck zu bringen, wurde spekuliert, dass Frankreich und Großbritannien in einem nie da gewesenen Schritt ihre eigenen Botschafter aus Israel abziehen könnten.

Berlin wiederum forderte eine Aufgabe der Pläne, da diese das Vertrauen in Israels Verhandlungsbereitschaft untergraben würden. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Israel ebenso wie Russland nachdrücklich zum Verzicht auf das Projekt auf. Der schwedische Außenminister Carl Bildt nannte Israels Siedlungspläne "extrem beunruhigend". Das dänische Außenministerium begründete die Einbestellung des Botschafters mit "schweren Bedenken" gegen das Vorhaben.

Spindelegger-Sprecher: "Wir verurteilen Israels Beschluss"
Auch der Sprecher von Österreichs Außenminister Michael Spindelegger, Alexander Schallenberg, erklärte dazu am Montag: "Wir verurteilen Israels Beschluss und erachten ihn als kontraproduktiv." Israel solle die UNO-Abstimmung zu Palästina lieber als "Momentum" und als "Chance" auffassen. Österreich hatte sich am Donnerstag für die Aufwertung des palästinensischen Status bei der UNO ausgesprochen.

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon schließlich erklärte, der Bau der Wohnungen wäre ein "beinahe tödlicher Schlag" für einen möglichen Frieden Israels mit den Palästinensern. "Siedlungen sind nach internationalem Recht illegal", betonte Ban. Sollte das Bauvorhaben realisiert werden, wäre es fast der Todesstoß für die "letzten Chancen" einer Zwei-Staaten-Lösung. Er sei von Israels Ankündigung "tief enttäuscht", meinte Ban.

Israel: "Bestehen auf unseren lebenswichtigen Interessen"
Israel zeigte sich am Montagabend jedoch unbeeindruckt von der Kritik an seinem neuen Siedlungsbau-Projekt. "Israel besteht nach wie vor auf seinen lebenswichtigen Interessen selbst unter internationalem Druck, und es wird keine Änderung der getroffenen Entscheidung geben", hieß es aus Netanyahus Büro. "Das palästinensische Vorgehen bei der UNO ist eine unverhohlene Verletzung der von der internationalen Gemeinschaft garantierten Abkommen."

Gebiet "E1" von enormer Bedeutung für die Palästinenser
Dass die internationalen Reaktionen auf die neuen Siedlungspläne Israels diesmal besonders heftig ausfallen, ist verständlich. Die Palästinenser wollen im arabischen Ostteil Jerusalems die Hauptstadt ihres künftigen unabhängigen Staates errichten. Die Pläne zum Bau von 3.000 Wohneinheiten in einem Gebiet zwischen Ostjerusalem und der Siedlung Maale Adumim (2. Bild), das "E1" genannt wird, drohen diesen Traum jedoch endgültig zu zerstören.

"Dies ist das einzige Gebiet, das einen Ausbau Ostjerusalems als künftige Hauptstadt ermöglichen würde", sagte der palästinensische Politologe Chalil Toufaki am Montag. "Eine jüdische Besiedelung würde diesen Plan zunichtemachen."

Die ursprüngliche Idee des israelischen "E1"-Plans war es, eine jüdisch besiedelte Verbindung zwischen Jerusalem und dem östlich davon gelegenen Maale Adumim herzustellen. Das hügelige Gebiet, das etwa zwölf Quadratkilometer umfasst, ist bisher kaum bewohnt. Die Palästinenser fürchten, ein neuer Siedlungsblock könnte das Westjordanland in zwei Teile trennen. "Er würde das Westjordanland in Norden und Süden aufteilen und die Verbindung abschneiden, sodass die Idee eines zusammenhängenden und lebensfähigen Palästinenserstaates faktisch gestorben wäre", erklärte Toufaki.

"Regierung verursacht schweren politischen Imageschaden"
Frühere israelische Regierungen hatten den Plan auf internationalen Druck hin eingefroren. Nach Angaben der Tageszeitung "Haaretz" habe auch Netanyahu - wie seine beiden Vorgänger - zu Beginn seiner Amtszeit der US-Regierung unmissverständlich versprochen, nicht in "E1" zu bauen. Doch aus Zorn über die nunmehrige Anerkennung Palästinas als Beobachterstaat durch die Vereinten Nationen habe seine rechtsorientierte und siedlerfreundliche Regierung den alten Bauplan doch wieder "aufgetaut".

"Wer in 'E1' baut, sagt damit, dass er nicht wirklich an eine Zwei-Staaten-Lösung in Nahost glaubt", zitierte das Blatt am Montag den israelischen Friedensaktivisten Shaul Arieli. "Die Regierung verursacht unnötigen, schweren politischen Imageschaden", so Arieli, ein Oberst der Reserve.

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