Erdbeben von L'Aquila

Risiko unterschätzt – Haftstrafen für Wissenschaftler

Ausland
22.10.2012 18:02
Dreieinhalb Jahre nach dem verheerenden Erdbeben im italienischen L'Aquila sind im Strafprozess gegen sieben Wissenschaftler am Montag alle Angeklagten zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Sie wurden auch lebenslang von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Die Anklage warf ihnen vor, die Risiken des Bebens, bei dem im April 2009 über 300 Menschen umkamen, unterschätzt zu haben. Die Richter zeigten sich strenger als die Staatsanwälte, die vier Jahre Haft wegen fahrlässiger Tötung gefordert hatten.

Zu den Verurteilten zählen führende Wissenschaftler Italiens, wie etwa der ehemalige Leiter des Instituts für Geophysik und Vulkanologie, Enzo Boschi, und Ex-Zivilschutzchef Franco Barberi. Die Wissenschaftler waren vor dem Beben zu dem Schluss gekommen, dass eine Reihe von vorangegangenen Erdstößen in der Region auf kein erhöhtes Erdbebenrisiko hinweise. Ihre Empfehlungen dienten den Behörden als Entscheidungshilfe.

Sorgen der Bevölkerung heruntergespielt
Die Angeklagten hätten die lange Serie kleiner Beben ohne Schäden ignoriert, die in der Region Wochen vor dem Erdbeben registriert worden waren, und die wachsende Sorge der Bevölkerung heruntergespielt, meinten die Staatsanwälte. Die Verteidiger erwiderten, dass Erdbeben unvorhersehbar seien.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von L'Aquila gegen die sieben Experten war nach einer Anzeige von 30 Bürgern eingeleitet worden. Fünf Tage vor dem großen Erdbeben hatte eine Kommission aus Funktionären des Zivilschutzes und Seismologen getagt und den Bürgern erklärt, dass keinerlei Erdbebengefahr bestehe.

Der Erdbeben-Experte Giampaolo Giuliani, Forscher des nationalen Physikinstituts Gran Sasso in der Region Abruzzen, hatte ein Gerät entwickelt, mit dem er eigenen Angaben zufolge schwere Erdbeben vorhersehen konnte. Seine wiederholten Warnungen hatten damals für große Aufregung in der Bevölkerung gesorgt. Er war jedoch von der Staatsanwaltschaft der Stadt Sulmona wegen unbegründeten Alarmierens angezeigt worden. Auch das italienische Geophysik-Institut hatte seine Prognosen als vollkommen unrealistisch bewertet. Bei dem Erdbeben wurden 308 Menschen getötet und mehr als 1.600 verletzt.

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