Erdbeben von L'Aquila
Risiko unterschätzt – Haftstrafen für Wissenschaftler
Zu den Verurteilten zählen führende Wissenschaftler Italiens, wie etwa der ehemalige Leiter des Instituts für Geophysik und Vulkanologie, Enzo Boschi, und Ex-Zivilschutzchef Franco Barberi. Die Wissenschaftler waren vor dem Beben zu dem Schluss gekommen, dass eine Reihe von vorangegangenen Erdstößen in der Region auf kein erhöhtes Erdbebenrisiko hinweise. Ihre Empfehlungen dienten den Behörden als Entscheidungshilfe.
Sorgen der Bevölkerung heruntergespielt
Die Angeklagten hätten die lange Serie kleiner Beben ohne Schäden ignoriert, die in der Region Wochen vor dem Erdbeben registriert worden waren, und die wachsende Sorge der Bevölkerung heruntergespielt, meinten die Staatsanwälte. Die Verteidiger erwiderten, dass Erdbeben unvorhersehbar seien.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von L'Aquila gegen die sieben Experten war nach einer Anzeige von 30 Bürgern eingeleitet worden. Fünf Tage vor dem großen Erdbeben hatte eine Kommission aus Funktionären des Zivilschutzes und Seismologen getagt und den Bürgern erklärt, dass keinerlei Erdbebengefahr bestehe.
Der Erdbeben-Experte Giampaolo Giuliani, Forscher des nationalen Physikinstituts Gran Sasso in der Region Abruzzen, hatte ein Gerät entwickelt, mit dem er eigenen Angaben zufolge schwere Erdbeben vorhersehen konnte. Seine wiederholten Warnungen hatten damals für große Aufregung in der Bevölkerung gesorgt. Er war jedoch von der Staatsanwaltschaft der Stadt Sulmona wegen unbegründeten Alarmierens angezeigt worden. Auch das italienische Geophysik-Institut hatte seine Prognosen als vollkommen unrealistisch bewertet. Bei dem Erdbeben wurden 308 Menschen getötet und mehr als 1.600 verletzt.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.