Es geht ums Gas

Bergkarabach: „Putin hat die Seiten gewechselt“

Ausland
21.09.2023 21:53

Mit einem breit angelegten Militäreinsatz ist Dienstagfrüh der Konflikt in der Region Bergkarabach neu aufgekeimt. Sichtbare Unterstützung erhält der Aggressor Aserbaidschan dabei just aus dem Kreml. Ein Experte für die Region erklärt nun, was dahintersteckt.

Das autoritär geführte Aserbaidschan sprach von „lokalen Anti-Terror-Maßnahmen“, die dazu dienen sollen, „die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen“. Mittlerweile konnte man sich zwar auf eine Feuerpause einigen, eine Lösung für den Konflikt, der während der Endphase der Sowjetunion aufkeimte, ist das aber noch lange nicht.

„Putin will irgendeine Gegenleistung“
Wie schon im Jahr 2020, in dem Aserbaidschan Teile des Gebiets zurückerobern konnte, hat einmal mehr Moskau den Waffenstillstand vermittelt. Für den Südkaukasus-Experten Stephan Malerius ist aber klar: „Putin wird irgendeine Gegenleistung von Aserbaidschan dafür erwarten“, erklärte er im Interview mit ntv.

Putin sei durch den Krieg auf die Ukraine zwar derart „absorbiert“, dass er im Bergkarabach-Konflikt nicht als starker Akteur auftreten könne, „was aber entscheidender ist: Putin hat die Seiten gewechselt“, führt der Wissenschaftler der Konrad-Adenauer-Stiftung in Georgien weiter aus.

Russisches Gas fließt über Aserbaidschan in EU
Nicht weniger als 30 Jahre lang galt Moskau als Schutzmacht Armeniens, jetzt arbeitet man jedoch mit Aserbaidschan zusammen. Und das aus „geopolitischem Kalkül“, so Malerius: „Zum einen hat Moskau in den vergangenen zwei Jahren unter Sanktionen die Möglichkeit genutzt, russisches Gas über Aserbaidschan nach Europa zu verkaufen. (…) Zum anderen ist das Land enger Verbündeter der Türkei, und für Putin sind gute Beziehungen zur Türkei auch sehr wichtig. Das sind die beiden wichtigsten Faktoren, mit denen Armenien nicht konkurrieren kann.“

Wirklich ein „verlässlicher Partner“?
Die Ex-Sowjetrepublik Aserbaidschan ist wegen des Embargos für russisches Öl zum wichtigen Gaslieferanten für die EU geworden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete das Land sogar als „verlässlichen Partner“. Tatsächlich aber fördert man dort gar nicht mehr Gas, sondern Aserbaidschan schöpft das Gas aus dem eigenen Markt ab, und der wird von Russland wieder aufgefüllt, so der Experte zu ntv.

Bergkarabachkonflikt

Die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan streiten seit Jahrzehnten um die Kaukasus-Region. Das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Bergkarabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, von dem es sich 1991 lossagte. Dort herrscht eine autonome Regierung mit engen Beziehungen zu Armenien. Der Konflikt führte immer wieder zu kurzen Kriegen zwischen den beiden ehemaligen Sowjetrepubliken. Nach einem von Moskau vermittelten Waffenstillstand nach einem sechswöchigen Krieg mit vielen Toten im Jahr 2020 wurden russische Truppen in der Region stationiert.

Aserbaidschan hat „alles über den Haufen geworfen“
Mit dem Effekt, dass sich die russische Rhetorik nun ganz auf aserbaidschanische Seite geschlagen habe. Viele Jahre lang sei man neutral gewesen - „weil beide Seiten Schuld auf sich luden“, erklärte Malerius weiter. „Um weiter vermitteln zu können“, würden auch die westlichen Staaten versuchen, in dem Konflikt möglichst neutral zu bleiben: „Über Monate hinweg hat der Westen Verhandlungen gefördert.“ Aserbaidschan habe aber „all das über den Haufen geworfen“ und wolle nun „mit Waffen neue Realitäten schaffen.“

„Keinerlei Gemeinsamkeiten“ ein Problem
In Beziehung zu den westlichen Ländern sei dabei vor allem problematisch, dass es mit Aserbaidschan jenseits von Gas- und Öllieferungen „keinerlei Gemeinsamkeiten und auch keinen Dialog“ gebe, erinnert der Experte, dass dort Demokratie, Menschenrechte, bürgerliche Freiheiten wie Versammlungs- und Pressefreiheit sowie Recht auf freie Meinungsäußerung nicht zum Alltag gehören.

Dennoch müsste das Engagement für den eigentlich schon gestarteten Friedensprozess nun weitergehen, fordert Malerius: „Nur der Westen kann ihn voranbringen. Russland hat daran kein Interesse.“

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