„Heimlich, still und leise“ haben die Tankstellen in Österreich seit April von E5- auf E10-Superbenzin 95 umgestellt. Bei E10 wird dem fossilen Benzin zu 10 Prozent aus Agrarprodukten und Bio-Abfallprodukten hergestelltes Bioethanol beigemischt. ARBÖ und ÖAMTC begrüßen die Einführung von E10, Kritik gibt es von Greenpeace.
Hintergrund für die schrittweise Einführung ist die Novelle der Kraftstoffverordnung, die seit Anfang 2023 in Kraft ist. „E10 ist an fast allen österreichischen Tankstellen verfügbar“, sagt die Geschäftsführerin des WKÖ-Fachverbands der Mineralölindustrie (FVMI), Hedwig Doloszeski. Die großen Tankstellenketten, unter anderem BP und OMV, haben im April auf E10 umgestellt.
Teilweise waren nicht einmal die Tankstellenmitarbeiter informiert worden. Sie waren ebenso überrascht wie Autofahrer, denen das E10-Zeichen an der Zapfsäule auffiel. Klassisches Superbenzin ist weiterhin verfügbar - aber nur noch in Form des teureren Super plus. Wer also ein Auto hat, das kein E10 verträgt (nachprüfen kann man das hier), muss tiefer in die Tasche greifen.
Die Erhöhung der Bioethanol-Beimischung bei Benzin von 5 auf 10 Prozent ist auch im Regierungsprogramm 2020-2024 der türkis-grünen Bundesregierung verankert. Die Novelle der Kraftstoffverordnung schreibt E10 zwar nicht direkt vor, allerdings verpflichtet das Gesetz die Tankstellenbetreiber, die dadurch verursachten Treibhausgasemissionen schrittweise zu senken. Da mit der Novelle zudem andere Reduktionsmöglichkeiten teilweise nicht mehr angerechnet werden können, blieb den Tankstellen als Alternative fast nur die Einführung von E10.
„Auf den Teller, nicht in den Tank!“
Umweltschutzorganisationen haben stets den Einsatz von E10 kritisiert und darauf hingewiesen, dass „Energiepflanzen“ für die Bioethanolproduktion weltweit immer mehr Anbauflächen für Lebensmittel verdrängen. „Essen gehört auf unsere Teller und nicht in den Tank“, so Sebastian Theissing-Matei von Greenpeace Österreich. Statt „Biosprit“ brauche man eine nachhaltige Verkehrswende in Österreich und Europa, unter anderem mit einem beschleunigten Ausbau des Angebots von öffentlichem Verkehr und einer deutlichen Reduktion des motorisierten Individualverkehrs und des Flugverkehrs.
Der beigemischte Bioethanol-Anteil gilt als klimaneutral, da das freigesetzte CO2 zuvor beim Wachsen der Pflanzen aus der Luft gebunden wurde. Nicht zu verwechseln sind die Bio-Kraftstoffe mit den synthetisch hergestellten e-Fuels.
Daumen hoch von Verkehrsklubs
Die österreichischen Verkehrsklubs ARBÖ und ÖAMTC befürworten die Einführung von E10. Laut einer ÖAMTC-Auswertung der Bestandsfahrzeuge Anfang 2023 - ohne Fahrzeuge mit einer Erstzulassung vor mindestens 30 Jahren - vertragen 98,3 Prozent der Benzin-Pkw in Österreich den 10-prozentigen Bioethanolanteil. Branchen- und Interessensvertreter haben auch eine Informationsplattform ins Leben gerufen. Neben Österreich ist E10 in Europa in 15 EU-Ländern (u. a. Deutschland, Frankreich) und in Großbritannien verfügbar.
Im Vorfeld der E10-Einführung war über höhere Preise für Superbenzin spekuliert worden. „Die Preise orientieren sich an der E10-Notierung, die nur geringfügig höher liegt als die E5-Notierung“, sagte die Geschäftsführerin des Mineralöl-Fachverbands. „Zu beachten ist allerdings, dass für die Bildung der Tankstellenpreise mehrere verschiedene Faktoren ausschlaggebend sind, insbesondere auch Angebot und Nachfrage.“
Österreich kann seinen Bioethanol-Bedarf selbst decken. Der heimische Frucht-, Stärke- und Zuckerkonzern Agrana betreibt seit 2008 in Pischelsdorf (NÖ) eine große Bioethanolanlage und stellt aus dem Stärkeanteil von Futtergetreide (Mais, Weizen) Ethanol her, mit dem Eiweißanteil wird Eiweißfutter produziert.
Seit Ende 2020 wird aus Holzzucker in der Zellstofffabrik von Austrocel in Hallein (Salzburg) Bioethanol gewonnen. Hierbei handelt es sich um Bioethanol aus der sogenannten „Zweiten Generation“, also Ethanol, das aus Bio-Abfallprodukten erzeugt wird. Von der „Ersten Generation“ ist die Rede, wenn für die Produktion ausschließlich Stoffe gebraucht werden, die auch in der Lebensmittelindustrie zum Einsatz kommen.
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