Steter Tropfen höhlt den Stein - seit Jahrzehnten haben sie in München dem Flehen und Drängen der Fans widerstanden. Es gab zwar mal den M5 als Touring, es gibt den X3 M als SUV, aber eine Kombi-Version des M3 zu bauen, das haben sie bisher verweigert. Doch nun ist er da, der Lichtblick in dieser für Benzinbrüder so herausfordernden Zeit. „Krone“-Motorredakteur Stephan Schätzl hat den BMW M3 Touring schon gefahren - seine Eindrücke hier im Video!
Am liebsten hätten ihm einige Ingenieure Verstrebungen quer durch den Kofferraum verpasst, denn bei der M GmbH in Garching bei München war eines klar: „Wenn wir einen M3 Touring bauen, dann muss er die gleichen Fahreigenschaften haben wie der M4“, sagt Projektleiter Robert Pilsl im „Krone“-Gespräch. Genauso präzise und soweit möglich auch so schnell. Und dafür muss die Karosserie genauso steif sein. Schwierig mit so viel Nichts mitten im Auto, über der Hinterachse.
Doch dann haben sie doch beides unter einen Hut gebracht: den ungeschmälerten Laderaum des normalen Touring und das steife Chassis des M3/M4. Das Geheimnis liegt in zusätzlichen Streben, die sie hinterm Diffusor unterm Fahrzeugboden eingezogen haben. Die setzen knapp vor den Hinterradaufhängungen an (an den vom M4 bekannten Versteifungen) und verlaufen V-förmig zum Heck. Damit ist der Unterschied zu Zwei- und Viertürer minimal, in Zahlen: plus 85 Kilogramm zur M3 Limousine.
Ein echter M3
Praktisch alles entspricht den Brüdern, bis hin zu den Ausstattungsoptionen. Nur ein Carbondach ist nicht zu bekommen. Ansonsten strotzt der Testwagen aber nur so von Kohlefaserteilen: 9,6 kg leichtere Carbon-Sitzschalen, -Zierleisten, -Schaltpaddles, -Diffusor, -Außenspiegelkappen, bis hin zu den Carbon-Keramik-Bremsen.
Motor und Abgasanlage sind sowieso identisch. Dreiliter-Biturbo-Sechszylinder, 510 PS, 650 Nm bei 2750/min., Achtgang-Sportautomatik, Klappenauspuff - den Touring gibt es nur in der Competition-Version. Also nicht mit manuellem Getriebe, nicht mit nur 480 PS und auch nicht mit reinem Hinterradantrieb. Auf den kann man aber umschalten, wenn man das DSC deaktiviert, und kann dann sogar mit dem Drift-Analyzer seine Querfahrt-Skills trainieren und sie bewerten lassen.
Der Schnellste von allen
Optisch trägt der M3 Touring durchaus dick auf. Die Front stammt nicht vom Touring, sondern von M3 und M4, mit den dicken Nüstern und den Falten auf der Motorhaube. Dazu kommen mächtige Kotflügelverbreiterungen und ein fetter Diffusor. Mit 1,90 m ist er mehr als 7 cm breiter als der zivile 3er Touring und mit 4,80 m ganz 9 cm länger. Damit ist er sogar ein paar Millimeter länger als die M3-Limousine.
Die ganze Optik erweckt den Eindruck, als wäre der M3 Touring im Vergleich zum zivilen 3er Touring tiefergelegt. Doch das Gegenteil ist der Fall: Wegen der größeren Räder (20 Zoll hinten, vorn 19 Zoll) verläuft die Dachlinie sogar vier Millimeter höher.
Damit sieht er nicht nur schnell aus, der M3 Touring ist bewiesenermaßen tatsächlich schnell. Im Vergleich zum M4 verliert er auf der Nordschleife nur zwei Sekunden. Mit 7:35,060 Minuten hält er den Rekord für Kombis auf der Nordschleife (gesamte Strecke), damit hat er den Mercedes-AMG E 63 S 4MATIC+ T-Modell um mehr als zehn Sekunden deklassiert - obwohl dessen V8-Motor um 102 PS stärker ist.
Die Fahrleistungen sprechen für sich: Sprint auf 100 km/h in 3,6 Sekunden (0,1 s mehr als der M4), auf 200 km/h geht’s in 12,9 Sekunden. Das Höchsttempo liegt standardmäßig bei 250 km/h, lässt sich aber gegen Aufpreis und ein Fahrertraining auf 290 km/h erweitern.
Den Verbrauch gibt BMW mit 10,4 bis 10,1 l/100 km an. In der Realität kommt man gut mit 12,5 Liter aus, kann aber je nach Fahrweise auch etwas darunter oder deutlich darüber liegen. Der Tank fasst übrigens 59 Liter.
Fährt wie ein „echter“ M3
Am Fahrverhalten ist praktisch nicht zu spüren, dass es sich um einen Kombi handelt. Höchstens zu erahnen, dass er eine Spur mehr untersteuert als der M4. Aber das müsste man im direkten Vergleich evaluieren. Der Kombi lenkt willig ein, die Lenkung ist hochpräzise und feinfühlig, dürfte fürs Kehrenfahren jedoch gerne noch eine Spur direkter übersetzt sein.
Das adaptive M Fahrwerk entspricht dem der Nicht-Kombi-Brüder, wurde lediglich an das höhere Gewicht angepasst. Es ist natürlich grundsätzlich hart. Jedoch bietet die Normalstellung durchaus so etwas wie ahnbaren Komfort, ohne dass bei gerade noch winterreifentauglicher Geschwindigkeit Unsicherheiten aufkämen.
Sound mehrstufig schärfbar
Die Klappen-Abgasanlage wurde komplett vom M4 übernommen. Per Taste auf der Mittelkonsole lassen sich die Klappen zwecks Soundverbesserung öffnen. Die volle Dröhnung gibt es aber nur, wenn man über die Setup-Taste auf der Mittelkonsole das entsprechende Menü aufruft und den Antrieb auf Sport Plus stellt.
Ach ja, der Kofferraum
Der wesentliche Unterschied zu M3/M4 findet sich unüberraschenderweise im Heck. Der Kofferraum ist identisch mit dem im normalen 3er Touring und fasst 500 bzw. 1510 Liter. Das Umklappen funktioniert per Taste auf den Lehnen, Abdeckrollo und Trennnetzrollo sind kinderleicht zu herausnehmbar. Und auf der Rückbank sitzt man ebenso gut wie im Viertürer. Damit ist volle Alltagstauglichkeit gegeben.
Die Preisliste sagt 122.700 Euro, was einen Aufpreis von 3100 Euro gegenüber dem BMW M3 Competition als Limousine bedeutet. Der Testwagen kommt inklusive Extras (Carbon-Sportsitze, Carbon-Paket innen und Außen etc.) auf knapp 163.000 Euro.
Fahrzit
Ein Kombi wie ein Sportwagen: Wenn die ganze Familie motorsportbegeistert ist, ist das die richtige Familienkutsche. Ansonsten kann man ihn auch als Tracktool sehen, mit der Möglichkeit, einen Satz Rennreifen mitzunehmen. Auf jeden Fall: Alles richtig gemacht, BMW!
Warum?
Weil es ihn jetzt endlich gibt
Weil er Sport und Familientauglichkeit (oder einfach Praxisnutzen) perfekt kombiniert
Warum nicht?
Im Alltag ist er nicht unanstrengend
Oder vielleicht …
… BMW M340i xDrive Touring, Audi RS4 Avant
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