Nerven liegen blank

“Haltlose Gerüchte” treiben Börsen-Abwärtstrend voran

Ausland
11.08.2011 15:21
"Erst verkaufen - dann denken": Unter diesem Motto könnte man die Abwärts-Entwicklung an den europäischen Börsen in den vergangenen Tagen zusammenfassen. Als Ursachen der jüngsten Abstürze nennen Analysten u.a. Gerüchte über eine bevorstehende Herabstufung der französischen Kreditwürdigkeit sowie das starke Engagement der Pariser Großbanken in Griechenland. Die Nerven der Anleger liegen blank.

Am Donnerstag machten sich unter Börsianern schon die nächsten Sorgen im Zusammenhang mit Frankreich breit: Der Verlust der Bank BNP Paribas könnte im Zusammenhang mit der Griechenland-Schuldenkrise größer als angenommen sein. Die Aktien der französischen Bank verloren bis zum frühen Nachmittag in Paris 13 Prozent, nachdem sie in der Früh noch im Plus eröffnet hatten.

Großbank schaltet Finanzmarktaufsicht ein
Die Nervosität sei so hoch, dass alle Gerüchte auf fruchtbaren Boden fielen, erklärte ein Börsianer. Spekulationen über Finanzprobleme bei der französischen Großbank Société Générale hatten bereits am Mittwoch binnen weniger Minuten im Bankensektor für einen massiven Kursrutsch gesorgt. Die französische Bank dementierte die Gerüchte, doch schon am Donnerstag setzte sich die Talfahrt fort.

Die Société Générale forderte bereits die französische Finanzmarktaufsicht AMF auf, den Ursprung von "vollkommen haltlosen Marktgerüchten" zu ermitteln. Die AMF wollte sich am Donnerstag zunächst nicht zu dieser Bitte äußern, veröffentlichte dann aber eine Erklärung, in der sie vor der Verbreitung von Gerüchten warnte und Strafen androhte. "Wir beobachten in Zeiten von Turbulenzen ganz besonders, ob die Märkte ordnungsgemäß funktionieren", sagte eine Sprecherin. Dabei habe man natürlich auch die Bankenwerte im Auge.

Als möglichen Hintergrund der besonderen Anfälligkeit seines Instituts für die Gerüchte nannte Société-Générale-Chef Frederic Oudea den vor zwei Jahren eingeleiteten Strategiewechsel mit tiefgreifenden Veränderungen des Geschäftsmodells. Der Wandel werde aber mit der Zeit überzeugen, sagte er der französischen Tageszeitung "Le Figaro". Das Gerede über Probleme der Bank sei vollkommen unbegründet.

Gerüchte immer schwerer zurückzuverfolgen
Die Anleger sind nach Händler-Angaben momentan vollkommen verunsichert, jedes Gerücht führe zu enormen Kursschwankungen. "Es kommt irgendein dummes Gerücht, keiner weiß, ob da überhaupt was dran sein kann, aber erst wird mal draufgehauen", sagte ein Börsianer.

Transportiert werden die Gerüchte nicht mehr übers Telefon - vielmehr über Chatrooms oder via Twitter. "Das heißt, wir wissen überhaupt nicht mehr, wer das Gerücht streut", fügte ein anderer Händler hinzu. Und damit ist die Glaubwürdigkeit eines Gerüchts nur noch schwer auszumachen.

"Überhaupt keine Zeit mehr nachzudenken"
So war zuletzt ein Gerücht herumgereicht worden, wonach die großen Ratingagenturen Frankreich die Bestnote für die Kreditwürdigkeit aberkennen könnten. Üblicherweise müssten die Bonitätsprüfer dafür den Ausblick schon mal gesenkt haben. Das war bei allen drei Agenturen nicht der Fall. Dennoch wurde am Markt eine Herabstufung gehandelt. "Wir haben überhaupt keine Zeit mehr nachzudenken - geschweige denn, selbst zu recherchieren", sagte ein Frankfurter Händler.

Einmal mehr zeige sich dabei außerdem, dass ein Großteil der Kursbewegungen maßgeblich vom sogenannten "Algorithmic Trades" (automatischer Handel) beeinflusst wird, was diese enormen Kursschwankungen nach sich ziehe, erklärte ein Aktienstratege. Die Kurssprünge finden binnen weniger Sekunden statt, so schnell, dass kaum jemand die Infos prüfen kann.

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