„Erschreckendes Bild“

Ungereimtheiten bei Covid-19-Agentur des Bundes

Wirtschaft
09.08.2022 17:25

Die für die Verteilung der milliardenschweren Coronahilfen zuständige COFAG (Covid-19-Finanzierungsagentur des Bundes) ist von März 2020 bis Juni 2021 vom Rechnungshof (RH) geprüft worden. In dessen Rohbericht werde nun ein erschreckendes Bild gezeichnet werden, berichten mehrere Medien. Externe Berater hätten bestens mit der COFAG verdient, Beamte seien ignoriert worden und es soll auch Postenschacher gegeben haben.

„Falter“ und der „Standard“ berichten über die RH-Erkenntnisse. Der Rechnungshof spricht demnach von einem „erheblichen Risiko für Überförderungen“ und kommt zu dem Schluss, dass die COFAG, die bislang 17 Milliarden Euro an Hilfen und Garantien ausgezahlt oder gewährt hatte, an sich „wenig zweckmäßig“ sei.

Die APA fasst die Berichte aktuell wie folgt zusammen:

  • Für einen Tagsatz von 4032 Euro sollen Wiener Rechtsanwälte den „Entwurf des Auftrags des Finanzministers zur Gründung der COFAG“ erstellt haben. Einen rechtlichen Auftrag vom damaligen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) habe es nicht gegeben. Die Rechnungsprüfer hätten sich später auf persönliche Mitschriften der späteren COFAG-Geschäftsführer verlassen müssen, weil im Finanzministerium die Schritte nicht dokumentiert worden seien.
  • „Die COFAG entstand binnen weniger Tage, ohne nachvollziehbare Dokumentation der Willensbildung und Entscheidungsfindung im Finanzministerium sowie ohne ein Mindestmaß an Begründung und Abwägung der Alternativen“, kommentiert der Rechnungshof.
  • Vom März 2020 bis Juni 2021 soll die COFAG Beraterleistungen in Höhe von 21 Millionen Euro zugekauft haben. Vier Millionen seien allein in Rechtsberatungen geflossen. Externe Berater sollten eigentlich nur „allfällig“ zugezogen werden, so der Rechnungshof.

Blümel und dessen Sprecher hatten stets betont, wie dringend man habe handeln müssen, was auch gelungen sei. Wozu es mit der COFAG eine neue Abwicklungsstelle gebraucht habe, warum das BMF nicht Finanzämter beauftragt habe, die über alle Unternehmensdaten verfügen oder die staatliche Förderbank AWS? Von der Beantwortung dieser Fragen habe die historische Corona-Notlage das Finanzministerium nicht entbunden, schreiben die Rechnungsprüfer.

Das Kabinett habe es verabsäumt, „Fachwissen und Erfahrung“ aus dem Finanzministerium zu ziehen, moniert der Rechnungshof. Teilweise ohne Leistungsbeschreibung, ohne zweites Angebot, ohne schriftlichen Auftrag hätten vor allem Rechtsanwälte an Gesetzesentwürfen gearbeitet und die COFAG entworfen: „Unzureichend und verbesserungswürdig.“

Die Opposition hatte stets auch kritisiert, dass sie vom Informationsfluss bei der COFAG ausgeschlossen sei. Ein verlangter Unterausschuss zum Budgetausschuss wurde ihr von den Regierungsparteien ÖVP und Grünen verweigert.

Doppeltes Gehalt für Geschäftsführer
Ex-Geschäftsführer Bernhard Perner sei als „vorläufig interimistischer COFAG-Geschäftsführer“ auf doppelter Gehaltsschiene gefahren, schreibt der „Falter“. 280.000 Euro seien im „Rumpfjahr“ 2020 von der Bankenabbaugesellschaft ABBAG gekommen, 175.000 Euro habe die COFAG dazugegeben. Das sei geschehen, obwohl Perner - er war seit 2016 Geschäftsführer der ABBAG - laut Arbeitsvertrag mit der ABBAG Dienste bei Töchtern wie eben der COFAG ohne zusätzliches Entgelt leisten müsste. Dass Finanzminister Blümel Perners definitive Bestellung zum COFAG-Geschäftsführer außerdem vier Monate auf dem Schreibtisch liegen habe lassen, obwohl das den gesetzlichen Fristen widerspreche, habe Perner von März 2020 bis Dezember 2020 den Zuverdienst von 8750 Euro im Monat abgesichert. Erst dann seien die Einkommensverhältnisse geregelt worden.

Perner wollte sich dazu nicht äußern.

Interessenskonflikte im Aufsichtsrat
Die Rechnungsprüfer befürchten auch Interessenskonflikte im Aufsichtsrat der COFAG. Der muss Förderungen, die 800.000 Euro übersteigen, absegnen. Dafür müssen die Antragsteller Einsicht in die Bilanzen geben. Wer schon vor der Pandemie in finanziellen Schwierigkeiten steckte, muss mögliche Veräußerungsobjekte offenlegen. „Es bestand das Risiko, dass Aufsichtsratsmitglieder aus Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie möglicherweise wettbewerbsrelevanten Informationen des antragstellenden Unternehmens Nutzen ziehen konnten.“

Im ersten Jahr wendete die COFAG laut Bilanz 405.186 Euro für den Aufsichtsrat auf. Ein Gesellschaftsrechtler habe als Aufsichtsrat-Schriftführer mit 125.000 Euro zu Buche geschlagen.

Vorschüsse für Nichts
Laut „Standard“ übt der Rechnungshof auch an der Abwicklung der „Zuschussinstrumente“ Kritik: etwa daran, dass das Ministerium den Zuschussbedarf an die Branchenzugehörigkeit geknüpft habe und Kosten bevorschusst habe, die nicht oder kaum angefallen sind.

Millionenförderungen für Bergbahn-Töchter
Unter den zehn größten Zuschussempfängern fanden sich laut Rohbericht übrigens vier Bergbahn-Gesellschaften. Und weil Konzerne auch für ihre unabhängigen Töchter Zuschüsse bekommen konnten, kassierte ein Handelsbetrieb mit 47 Töchtern in Summe 16,2 Millionen Euro. Fast ein Fünftel aller Unternehmen musste sich mit weitaus weniger begnügen: mit weniger als 2500 Euro.

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