Hohes Amt

F: Finanzministerin Lagarde kandidiert als IWF-Chefin

Ausland
25.05.2011 16:20
Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde hat offiziell ihre Kandidatur für die Führung des Internationalen Währungsfonds erklärt. "Ich habe mich dazu entschieden, meine Kandidatur einzureichen", sagte die 55-Jährige am Mittwoch in Paris. Die Unterstützung aus einer ganzen Reihe von Ländern habe sie dazu ermutigt. Der bisherige IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn war nach dem in New York erhobenen Vergewaltigungs-Vorwurf zurückgetreten.

Sollte sie gewählt werden, werde sie sich dafür einsetzen, dass der Währungsfonds flexibler und der Einfluss der Staaten gestärkt werde, sagte Lagarde. Das Amt bezeichnete die französische Politikerin als "immense Herausforderung, die sie mit Demut angehe, und in der Hoffnung, die größtmögliche Zustimmung zu erreichen".

Kandidatur findet breite Zustimmung
EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso zeigte am Mittwoch "volle Zustimmung" für die Bewerbung Lagardes. Ihre Qualitäten und ihr Einsatz für weltweit mehr wirtschaftspolitische Steuerung seien "unverzichtbar" für die Mission des IWF und seinen Beitrag zur Stabilität der internationalen Wirtschaft, erklärte Barroso. Lagarde sei in der internationalen Gemeinschaft "hoch angesehen", betonte der Kommissionspräsident. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel machte sich für Lagarde stark - nicht zuletzt in Ermangelung eines geeigneten deutschen Kandidaten. Diplomaten zufolge wird die 55-jährige konservative Politikerin auch von den USA und China unterstützt.

Widerstand aus den Schwellenländern
Widerstand droht Lagarde allerdings aus den Schwellenländern. Brasilien, Indien, Südafrika und Russland sprachen sich dagegen aus, dass der neue Managing Director wie bisher automatisch von den Europäern gestellt wird. Demnach sollten die Fähigkeiten des Bewerbers und nicht die Nationalität den Ausschlag geben. Zudem verwiesen sie auf ihr deutlich gestiegenes Gewicht in der Weltwirtschaft. Auf einen gemeinsamen Kandidaten für die anstehende Neubesetzung konnten sich die Schwellenländer aber nicht einigen. Bisher schicken lediglich Mexiko und womöglich Südafrika und Kasachstan eigene Kandidaten ins Rennen.

Auch China war anfangs gegen einen Europäer an der Spitze des IWF, doch Lagarde konnte die Gunst der Chinesen im Rahmen der Verhandlungen der 20 größten Industrie- und Schwellenländer (G-20), die in diesem Jahr unter dem Vorsitz Frankreichs geführt werden, erwerben. Französischen Regierungsvertretern zufolge begrüßte Peking insbesondere Lagardes sensiblen Umgang mit dem strittigen Thema Yuan-Kurs. Vor allem die USA werfen China vor, sich durch eine künstliche Abwertung der heimischen Währung unfaire Handelsvorteile zu verschaffen.

Souveränes Auftreten brachte Lagarde großes Ansehen
Durch souveränes Auftreten erwarb sich Lagarde im Kreis der führenden Industrie- und Schwellenländer großes Ansehen. Sie war zudem maßgeblich beteiligt am Zustandekommen des 750-Milliarden-Euro-Rettungsfonds in der Finanzkrise 2009 und bei der Begrenzung der Macht von Hedge-Fonds.

In der aktuellen Schuldenkrise tritt sie mit Nachdruck einer Umschuldung Griechenlands entgegen. Sie verlangt Solidarität innerhalb der Euro-Zone: Große Länder wie Frankreich und Deutschland müssten in Schwierigkeiten geratenen kleineren Ländern helfen. Diese wiederum seien mit Privatisierungen und Sparprogrammen zu schmerzhaften Reformen verpflichtet.

"Financial Times": "Beste Finanzministerin der Euro-Zone"
Lagarde ist die erste und bisher einzige Finanzministerin der acht größten Industrienationen der Welt (G-8). Die "Financial Times" verlieh ihr im vergangenen Jahr den Titel der "besten Finanzministerin der Euro-Zone". Auf der "Forbes"-Liste der wichtigsten Frauen der Welt steht sie auf Platz 17.

Vorwurf des Amtsmissbrauchs könnte Kandidatur gefährden
Die Kandidatur der Französin gefährden könnte noch die heimische Justiz. Lagarde sieht sich mit Vorwürfen des Amtsmissbrauchs konfrontiert, weil sie gegen den Rat ihres Ministeriums in einem Rechtsstreit einen für den Staat sehr kostspieligen Vergleich akzeptierte. Nach Auskunft von Diplomaten haben französische Regierungsvertreter gegenüber anderen Regierungen bereits signalisiert, dass dieser Fall Lagardes Bewerbung nicht stoppen werde. Die Ministerin äußerte sich selbst gelassen: "Ich handelte im Interesse des Staates und unter Beachtung der Gesetze."

Die Justiz muss befinden, ob gegen Lagarde eine formelle Untersuchung wegen Beihilfe zur Veruntreuung öffentlicher Gelder eingeleitet wird. Die Entscheidung wird am 10. Juni bekanntgegeben. Am selben Tag endet auch die Frist des IWF für die offizielle Nominierung von Kandidaten. Aus den Vorschlägen will das IWF-Führungsgremium dann drei Kandidaten in die engere Auswahl nehmen. Bis Ende Juni soll eine Entscheidung fallen. Mit Lagarde würde erstmals eine Frau an der IWF-Spitze stehen.

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