„Krone“-Kommentar

Eine Kommunistin darf nicht Bürgermeisterin werden

Kolumnen
04.10.2021 06:00

International amüsiert man sich über den Wahlerfolg der KPÖ in Graz. „Krone“-Urgestein Hans Peter Hasenöhrl findet den KPÖ-Erfolg in seinem Kommentar aber gar nicht lustig.

„Nützliche Idioten“: Mit dieser zutiefst verächtlichen Bezeichnung charakterisierte Wladimir Iljitsch Lenin, russischer Revolutionär, jene westlichen Intellektuellen, die sich in ihrem Idealismus von der Sowjet-Propaganda vereinnahmen ließen.

Das fiel mir ein, als ich vor einer Woche am Wahlsonntag verstörende Bilder aus Graz sah: Sie sangen „Völker, höret die Signale!“, und im Hintergrund wehten rote Fahnen mit dem Hammer-&-Sichel-Symbol, und sie träumten von der Weltrevolution und geißelten das kapitalistische Profitsystem. Eine  kommunistische Bürgermeisterin in der zweitgrößten Stadt Österreichs? Das ist mit Sicherheit kein harmloses sozialromantisches History-Abenteuer.

Nahmen Uhren, dann Frauen, dann jeden Beliebigen
Ich bin als Kind in der sowjetischen Besatzungszone in Wien aufgewachsen. Der Jubel bei der Befreiung vom nationalsozialistischen Terror-Regime dauerte nur kurz: Zuerst nahmen sich die Soldaten die Uhren, dann die Frauen, schließlich jeden Beliebigen, der ihnen verdächtig erschien. Unter dem Vorwurf der Spionage verschleppten die Sowjets die junge Beamtin Margarethe Ottillinger in ein sibirisches Straflager. Nach Jahren der Qualen kehrte sie auf einer Tragbahre in die Heimat zurück, das Bild ging um die Welt. Sie überlebte, wurde OMV-Vorstand und errichtete als Dank für ihre Rettung die gewaltige Wotruba-Kirche in Mauer.

Als junger „Krone“-Reporter berichtete ich über Schicksale am Eisernen Vorhang. In Erinnerung bleibt vor allem: das Interview mit dem jungen Mann am Ufer der March, dessen Freund die Grenzer kaltblütig in der Mitte des Flusses erschossen hatten. Das Ehepaar, das mit seinem kleinen Sohn unter einer Lastwagenplane in die Freiheit flüchten wollte. Als sie im Waldviertel ankamen, war das Kind tot - erstickt in der Enge des Verstecks.

Stalin ungestraft verherrlichen
Der Staatsvertrag verbietet richtigerweise die Verherrlichung der NS-Ideologie, das Leugnen der Gräuel in den Konzentrationslagern. Graz, wo die Nazis schon früh illegal agierten, erhielt von Hitler persönlich den schmückenden Beinamen „Stadt der Volkserhebung“. Wer jedoch Stalin und seine millionenfachen Morde verherrlicht, kann dies ungestraft tun. Ein sichtbares Zeichen der wahren ideologischen Haltung der steirischen Kommunisten gab ein Funktionär, der im weißrussischen Fernsehen eine Propaganda-Show für das brutale Lukaschenko-Regime abzog.

Mit treuherzigem Blick verteilte die Chef-Kommunistin an der Mur Almosen aus der staatlichen Parteiförderung an Bedürftige: Es sind Arbeitslose, die sich in ihren verfallenen Wohnvierteln kaum mehr die Miete leisten können. Hier haben türkise City-Bobos weggeschaut und Nadelstreif-Sozialisten jämmerlich versagt. Wohnungsnot und Joblose gab es in der DDR nie: Wer sich mit dem kommunistischen System arrangierte, wohnte in Plattenbauten und arbeitete in den „Volkseigenen Betrieben“. Für die Flucht aus dem kommunistischen Paradies hinter der Todesmauer bezahlten Tausende mit dem Leben.

Im Internet kursieren auf und ab Witze über Staatsbesuche aus Nordkorea oder Kuba in der Steiermark. Das mag amüsant sein. Doch die Situation erscheint mir viel zu ernst. Die blutige Geschichte der menschenverachtenden Ideologie zeigt es deutlich auf.

Eine Frau, die sich im Jahr 2021 stolz als Kommunistin bezeichnet, darf nicht Bürgermeisterin der zweitgrößten Metropole der Republik werden.

Hans Peter Hasenöhrl

 Kronen Zeitung
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