„Krone“-Kolumne

Der Albtraum aller Eltern

Kolumnen
18.07.2021 08:00

Soziologin und Sexualpädagogin Barbara Rothmüller diesmal zu den Vergewaltigungsberichten bei Maturareisen.

Gerüchte über Vergewaltigungen auf Maturareisen gibt es seit mindestens 20 Jahren. Das weiß ich genau, weil mir damals bei meiner eigenen Maturareise am Flughafen ein Pfefferspray abgenommen wurde. Ich wollte ihn vorsichtshalber mitnehmen, nachdem ich Vergewaltigungsberichte über den bekannten Maturareise-Ort gelesen hatte, an dem wir zwei Wochen lang das Ende der Schule feiern wollten. Zu Hause bleiben ist allerdings auch keine Option. Denn leider werden junge Frauen auch in Österreich in Clubs und auf Partys sexuell belästigt. Manchmal entkommen sie nur durch Zufall sexueller Gewalt, weil ein Kellner oder eine Freundin aufmerksam war.

Das ist so schockierend wie systematisch Teil der Lebensrealität junger Frauen. Sie werden auf Getränke eingeladen und abgefüllt, in der Hoffnung, dass man dann mit ihnen leichter Sex haben kann, als wenn sie nüchtern sind. Die Annahme, dass man Mädchen und junge Frauen für Sex immer ein bisschen gegen ihren Willen überreden oder sogar austricksen muss, ist Teil einer gewaltfördernden, wenn nicht selbst gewalttätigen Männlichkeit. Es macht wütend, dass die Gewalt von Männern es heterosexuellen Frauen noch immer verunmöglicht, ihre Sexualität zu erkunden. Selbstbestimmt und lustvoll. Oder auch einfach nur zum Spaß mit Freundinnen in einen Club zu gehen.

In manchen Ländern ist Sex mit einer betrunkenen Frau einer Vergewaltigung gleichgestellt, weil betrunkene Menschen keine Zustimmung geben können. Und ohne Zustimmung ist Sex kein Sex, sondern sexuelle Gewalt. Das muss man im alkohol-getränkten Österreich erst einmal verinnerlichen, wo viel zu viele Menschen ihre Sexualität überhaupt erst mit Alkohol oder Drogen leben (können). Nicht die alkoholisierte Person hat sich als willenloses Opfer angeboten. Sondern der Täter nutzt einen Zustand aus, in dem keine Einwilligung mehr möglich ist - oder hat diesen sogar bewusst herbeigeführt. Ob betrunken oder nüchtern ist aber eigentlich egal. Die Verantwortung für sexuelle Grenzverletzungen liegt immer bei demjenigen, der sexuelle Handlungen an einer Person verübt, die nicht offensichtlich davon begeistert ist. Es ist der Albtraum aller Eltern: Dass der eigene Sohn junge Frauen sexuell belästigt, genötigt oder vergewaltigt hat.

Die Veranstalter von organisierten Reisen haben meist keinen Plan, wie sie verantwortungsvoll mit den positiven wie negativen Seiten der Sexualität von jungen Menschen umgehen. Bei einer Reise hat mir eine Personalverantwortliche von Reisebegleitern eines internationalen Veranstalters berichtet, dass eine sexualpädagogische Weiterbildung ihrer Mitarbeiter noch nie stattgefunden hat, aber eigentlich sehr wichtig wäre. Sexualität sei nämlich ein Dauerproblem von organisierten Gruppenreisen, erzählte sie mir - sowohl was die sexuelle Gewalt an jungen Reiseteilnehmerinnen betrifft, als teilweise auch die unerwünschten sexuellen Avancen, mit denen Reiseführerinnen, Surf- und Skilehrer usw. belästigt werden. Nach zwanzig Jahren Gerüchteküche sollten Veranstalter Verantwortung übernehmen und sexualitätsbezogene Präventionskonzepte ausarbeiten. Für Reisen, für Clubs, und für alle anderen Orte, an denen junge Frauen einfach nur unbeschwert Spaß haben möchten.

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