Erster Exklusivtest

Neuer Skoda Octavia: Sehr beeindruckender Auftritt

Motor
23.04.2020 21:17

Der Skoda Octavia ist eine echte Erfolgsgeschichte, mit 6,5 Millionen verkauften Exemplaren in drei Generationen seit 1996. Doch so, wie es aussieht, geht der Triumphzug erst so richtig los. 2019 war der Tscheche das meistverkaufte Auto Österreichs, und jetzt startet Generation Nummer vier. Und die hat es in sich ...

(Bild: kmm)

Dass der Marktstart etwas holprig verläuft, liegt beim Skoda Octavia (im Gegensatz zu anderen aktuellen Neuheiten im VW-Konzern) nicht an internen Problemen, sondern schlichtweg an der Corona-Krise. Die internationale Fahrpräsentation, bei der über mehrere Wochen hinweg Motorjournalisten aus der ganzen Welt das Auto nahegebracht werden sollte, musste abgesagt werden und seit Wochen haben die Autohändler geschlossen. Mittlerweile haben einige kleinere bereits wieder aufgesperrt, der Rest folgt demnächst und wird nach und nach auch mit Octavias bestückt.

Vorab konnte Skoda-Importeur Porsche Austria nun ein Auto im tschechischen Werk organisieren und der „Krone“ zur Verfügung stellen, ein Combi mit dem 150 PS starken 1,5-Liter-Vierzylinder-Benziner und manuellem Sechsganggetriebe, in Lava-Blau metallic und mit sehr gediegener Ausstattung. Herrschaften, man mag kaum glauben, dass das ein Skoda ist!

Das fängt schon bei der Optik an:
Kein Octavia war jemals so elegant. Gott sei Dank hat er nicht mehr das Vieraugengesicht des Vorgängers, sondern eine richtig harmonische Front. Der Kühlergrill mit seinem Chromrahmen drängt zwar ein wenig nach vorn wie eine Zahnspange, aber das ist alles sehr ruhig und aufgeräumt: Die Motorhaube ist kräftig konturiert, die Scheinwerfer zeigen klare Kante und werden nach außen breiter. LED-Scheinwerfer sind Serie, der Testwagen hat sogar die optionalen LED-Matrix-Leuchten um gut 1000 Euro Aufpreis an Bord, die sehr gut funktionieren.

Die Seitenlinie wirkt fast so dynamisch wie beim 3er-BMW, das Dach fällt nach hinten leicht ab, die Fensterfläche verjüngt sich nach hinten. Die ist aber generell relativ schmal, wodurch die Hüften des Octavia hinten etwas füllig wirken.

(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)

Die LED-Heckleuchten sind wiederum sehr knackig, auch das Heck ist tadellos: Skoda durchbricht den allgemeinen Trend, Auspuffattrappen zu verbauen. Es ist vollkommen okay, den Auspuff unterm Boden zu verstecken, aber dann bitte genau so wie hier. Clean, ohne irgendein Fake. Danke, Skoda!

(Bild: Stephan Schätzl)
(Bild: Stephan Schätzl)

Und das ist Kompaktklasse?
Hinter der Heckklappe: ein deutlich gewachsener Riesenkofferraum. Da passen jetzt 640 Liter rein, und wenn man umklappt (per Hebelzug im Kofferraum), sind es 1700 Liter. Und weil wir gerade beim phänomenalen Platzangebot sind: Auch auf den Rücksitzen geht es unfassbar opulent zu. Es gibt Autos zwei Klassen höher, wo man nicht entspannter sitzt. Und da sprechen wir noch nicht einmal über die optionalen Schlafkopfstützen mit den ausklappbaren Seitenbacken.

Nicht nur groß, sondern auch elegant
Nun gut, dass es in einem Skoda Octavia nicht gerade eng zugeht, ist nicht wirklich etwas Neues. Neu ist aber die überraschende Eleganz des Interieurs. Feine Materialien, ein höchst gelungenes Design, durchdacht, augenschmeichelnd. Allein die Türschnallen verdienen einen Designpreis. Natürlich ist das hier im Testwagen nicht die Basisausstattung, aber selbst gegen Aufpreis hätten wir so etwas nicht in einem Skoda Octavia erwartet. Bis auf sehr vereinzelt verwendetes härteres Plastik ist das premiumlike. 

Das Armaturenbrett ist in Ebenen angeordnet, unter der geschwungenen Zierleiste sickert das Licht der Ambientebeleuchtung (30 Farben!) hervor. Auch die Bedienelemente am Lenkrad sind vom Feinsten: Die freistehenden Drehwalzen sind einfach perfekt, in Form und Funktion.

Der Tacho ist wie im Technikspender VW Golf digital, das Mitteldisplay ist hier aber nicht damit verbunden, sondern steht frei und wirkt überhaupt nicht billig. Auch von der Seite betrachtet, wo der Wolfsburger ein echtes Manko aufweist. Serienmäßig misst der Bildschirm acht Zoll, das hier im Testwagen ist die 10-Zoll-Version. Optional gibt‘s ein echtes Head-up-Display, das die Infos in die Scheibe spiegelt.

Echte Tasten gibt es kaum noch, man braucht für alles den Touchscreen. Aber es kann ja nicht jeder so intuitive, ablenkungsfreie Systeme anbieten wie Mazda im Mazda3 oder im Mazda CX-30. Oder doch? Sei‘s drum. Letztlich ist das alles gar nicht schlecht programmiert, auch wenn man sich ein paar Tasten mehr wünschen würde. Immerhin ist die Temperatureinstellung der Klimaanlage immer im Vordergrund. Und der Touchslider für die Lautstärkeregelung ist besser gelöst als im Golf.

Das große Navigationssystem heißt hier übrigens Columbus, was insofern interessant ist, als Namensgeber Christopher Columbus 1492 eigentlich nach Indien wollte, aber in Amerika herausgekommen ist. Hoffen wir im Octavia auf geringere Abweichung bei der Zielführung. Wer dem Navi nicht traut, kann sich von Google Maps leiten lassen: Apple CarPlay & Co. kann man kabellos aufs Display bringen.

Nicht simpel, aber „simply clever“
Besonders sympathisch bei Skoda sind immer wieder die mit „simply clever“ bezeichneten Ausstattungsdetails. So gibt es hier in der Tür einen Besen zum Schneeabkehren oder einen Regenschirm zum Herausziehen, die Warnwesten sind in einem eigenen Türfach untergebracht, der Deckel des Scheibenwaschwasserbehälters ist zugleich ein Trichter und im Tankdeckel steckt ein Eiskratzer mit integriertem Reifenprofiltiefenchecker (alles siehe Video!).

Auch clever: Einer der vielen USB-C-Anschlüsse befindet sich über dem (rahmenlosen) Rückspiegel - das verhindert herumhängende Kabel bei Verwendung einer Dashcam.

Fahrwerk mit nur nominellem Nachteil
Die Architektur des Skoda Octavia ist bekanntlich der aktuellste Modulare Querbaukasten des Volkswagen-Konzerns, auf dem unter anderem auch der VW Golf aufbaut, den wir bereits gefahren haben.

Daher ist es kein Wunder, dass sie Lenkung ähnlich sensationell funktioniert wie im kompakten Wolfsburger. Sie ist zwar im Normalmodus recht leichtgängig, aber superpräzise und gibt auch gute Rückmeldung. Beim Herausbeschleunigen aus engen Kurven zerren nicht einmal die Vorderräder wesentlich, die Elektronik regelt hervorragend. Im Sportmodus erhöhen sich die Lenkkräfte, dadurch macht sportliches Fahren noch mehr Spaß. Der Testwagen hat das adaptive Fahrwerk, das heißt im Sportmodus wird auch das Fahrwerk straffer. Deshalb lenkt das Auto dann auch noch besser ein.

Der Octavia liegt extrem gut, untersteuert wenig und er fährt sich extrem geschmeidig. Wenn man es übertreibt, wird allerdings das Heck gern unruhig. Es fällt praktisch nicht auf, dass hinten nur eine Verbundlenkerachse verbaut ist. Die Mehrlenker-Hinterachse gibt‘s nur für die Allradler und die Versionen mit mehr als 150 PS. Anders als im Bruder aus Wolfsburg: Der Golf hat schon ab inklusive 150 PS die Mehrlenkerachse.

Fahrwerkseinstellung für Feinmotoriker
Prinzipiell gibt es drei Fahrmodi, also Comfort, Normal und Sport. Normal ist schon ziemlich komfortabel. Comfort ist so sänftenmäßig, dass es sogar dem Fahrer mulmig im Magen werden kann. Ein Stück S-Klasse-Feeling. Und Sport ist sportlich, aber nicht übertrieben. Der Clou an der Elektronik ist: Es gibt zusätzlich den Modus Individual, und da kann man das Fahrwerk noch feiner einstellen. Das geht dann also auf der einen Seite noch drei Klicks über die Härte des Sportmodus hinaus, und das ist spürbar. In der Dämpfung, aber auch im Einlenkverhalten. Ob man auf der anderen Seite noch drei Klicks weicher als Comfort fahren will, das muss man sich mit seinem Magen ausmachen.

Neben dem adaptiven Fahrwerk bietet Skoda drei konventionelle Stahlfahrwerke an: das Standardfahrwerk, das Schlechtwegefahrwerk mit um 15 mm erhöhter Bodenfreiheit (158 mm) sowie das 15 mm tiefergelegte Sportfahrwerk. Das adaptive Fahrwerk ist übrigens auch tiefergelegt, allerdings nur um 11 mm (nicht beim Plug-in-Hybrid).

Sparsam und spritzig: Der 1,5-Liter-Vierzylinder
Unter der Haube des Testwagens steckt der 1,5-Liter-„EVO“-Vierzylinder-Benziner mit 150 PS und manuellem Schaltgetriebe. Das passt ganz gut zusammen. Das Getriebe ist knackig und hat kurze Wege, der Motor hat schön Kraft und hält sich akustisch angenehm zurück. Das maximale Drehmoment von 250 Nm liegt ab 1500/min an, der Einsatz des Schubes ist spürbar. Wer‘s wissen will, schafft den Sprint auf 100 km/h in 8,3 Sekunden - die Top-Zeit geht sich unter anderem deshalb aus, weil Tempo 100 knapp im 2. Gang erreicht wird. 

Auch der Verbrauch geht in Ordnung: Skoda gibt nach WLTP 6,7 Liter an, im Test zeigte der Bordcomputer 7,3 l/100 km. Das ist für einen fast 4,70 Meter langen Kombi mit Benzinmotor richtig gut! Das mag auch daran liegen, dass er mit 1,2 Tonnen ein ausgesprochenes Leichtgewicht ist.

Die Antriebspalette
Zum Marktstart werden auch noch zwei Diesel angeboten, mit 115 PS oder mit 150 PS und Doppelkupplungsgetriebe. Später wird die Motorenpalette dann ausgebaut: ein Erdgasmotor mit 131 PS, ein Dreizylinder-Einstiegsbenziner mit 110 PS, in Verbindung mit DSG auch mit 48-Volt-Mildhybrid-Unterstützung (die gibt es auch für den 1,5-Liter-Benziner), ein 190-PS-Benziner, ein 200-PS-Diesel und zwei Plug-in-Hybride. Der zivile, iV genannt, kommt auf 204 PS Systemleistung, der RS iV auf 245 PS. Den Unterschied macht nur die Steuerung aus, die Motoren sind bei den beiden PHEVS dieselben: Ein 1,4-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 150 PS arbeitet mit einem 85 kW/115 PS starken Elektromotor zusammen. Und natürlich kommen Allradler.

Zwei First Editions zum Marktstart
Als Einführungsangebot bietet Skoda den Octavia vorerst nur als limitierte „First Editions“ an, in den Ausstattungsvarianten Business und Premium. Beide sind sehr gut ausgestattet. Der Einstiegspreis liegt damit bei 29.730 Euro, gleichermaßen für den Combi wie auch für den Viertürer (den Skoda als Coupé bezeichnet). Basismotor ist der hier getestete 150-PS-Vierzylinder. Mit 115-PS-TDI werden mindestens 30.160 Euro fällig, der 150-PS-TDI samt DSG kostet 33.340 Euro. Der Aufpreis auf Premium macht gut 2000 Euro aus, dafür gibt es unter anderem das Columbus-Navi, schlüssellosen Zugang für alle Türen, Rückfahrkamera, das hier gezeigte „Style“-Interieur, Adaptiv-Tempomat und noch so einiges mehr.

Unterm Strich
Ein Skoda Octavia, der alles kann: fahren, glänzen, verräumen. Wer kein Audi-Logo auf seinem Auto für den Seelenfrieden braucht, dem wird hier wohl nichts fehlen. Vor allem, wenn er zum Start bei den Premium-Modellen zuschlägt und auch noch ein bisschen in der Aufpreisliste stöbert.

Das Basismodell soll später unter 24.000 Euro kosten. Da wird sich dann zeigen, wie viel von Glanz und Gloria übrig bleibt. Als sicher kann man aber eines annehmen: Das mit dem schleppenden Marktstart wird sich bald erledigt haben.

Warum?
Trotz Verbundlenkerachse hervorragendes Fahrverhalten
Hochwertige Anmutung
Herausragendes Platzangebot

Warum nicht?
Mit Audi-Logo hat man zwar wahrscheinlich kein besseres Auto, aber ein Audi-Logo

Oder vielleicht ...
... muss es doch ein SUV sein? Ernsthaft? 

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(Bild: kmm)



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