1500-2002 Turbo

So traf BMWs „Neue Klasse“ schon mal ins Schwarze

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10.08.2025 12:57

BMW hat seiner Zukunft einen Namen gegeben: „Neue Klasse“ nennen sich die E-Modelle des Konzerns, die in diesem Herbst auf der IAA debütieren. Also alles wie 1961, als BMW schon einmal mit „Neue Klasse“-Dynamikern aus einem Formtief fuhr?

Zurück auf Los, heißt es für BMW im Monopoly der Premiumhersteller. Die Münchner resetten im Herbst ihre Mittelklasse und machen trotz neuer Elektroarchitektur für den iX3 SUV und den nächsten 3er vieles wie im September 1961. Damals, als sie auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt mit der „Neuen Klasse“ das bisher wichtigste Modell ihrer Firmengeschichte vorstellten und so zur sportlichen Messlatte für Premiumplayer avancierten.

Bayerisches Idyll mit Dackel, Boot und Neuer Klasse – der BMW 1500 beherrschte ab 1961 den ...
Bayerisches Idyll mit Dackel, Boot und Neuer Klasse – der BMW 1500 beherrschte ab 1961 den Spagat zwischen Sportwagen, Familienlimousine und Businessliner.(Bild: BMW AG)

Die Wartezeit lag bei mindestens einer halben Stunde: So lange musste Schlange stehen, wer den Publikumsliebling der weltgrößten Autoschau aus nächster Nähe erleben wollte, den BMW 1500. Diese Vierzylinder-Limousine stahl sogar dem gleich nebenan gezeigten V8-Coupé BMW 3200 CS die Show, denn der neue Viertürer war ein Auto, wie es noch keines gab. Strahlte der Neue-Klasse-Typ 1500 doch eine frische Dynamik aus, wie sie speziell die Freiberufler der Wirtschaftswunderjahre als Erfolgsausweis schätzten.

Daher stammt der „Hofmeister-Knick“
Der von Starcouturier Giovanni Michelotti und BMW-Chefdesigner Wilhelm Hofmeister in Form gebrachte Viertürer präsentierte das neue Gesicht der Marke: Mit prägnanten Scheinwerfern, Niere in der Frontmitte sowie Horizontaleffekt der Kühlermaske, hinzu kam der „Hofmeister-Knick“, jener markante Übergang von der C-Säule zum Wagenkörper. Dazu unter der Haube ein modernes Triebwerk mit dem Potential für frühe Einspritzer und Vierventil-Technik. Eine Sportlichkeit, die der BMW 1500 weitergab: Am Ende umfasste die „Neue-Klasse-Familie“ Zweitürer (1600-2002 Turbo), Viertürer, Coupés, Cabrios und Sportkombi Touring - auf die dann die ersten BMW 5er und 3er folgten.

Bis 1972 blieben die Viertürer in Michelotti-Couture und mit Hofmeisterknick aktuell, dann ...
Bis 1972 blieben die Viertürer in Michelotti-Couture und mit Hofmeisterknick aktuell, dann folgte der erste BMW 5er.(Bild: BMW AG)

Historischer Unterschied zwischen den „Neuen Klassen“
Entsprechend hochgesteckt sind heute die Erwartungen an eine „Neue Klasse“ für das E-Zeitalter. Ob die seit 2021 angeteaserten Typen auf softwaredefinierter Architektur den für die historische „Neue Klasse“ erfundenen Claim „Freude am Fahren“ aufladen können? Die Zukunft wird es zeigen.

Elektrische Hoffnungsträger – die Neue-Klasse-Concepts zeigen, wie BMW ab Herbst 2025 seine ...
Elektrische Hoffnungsträger – die Neue-Klasse-Concepts zeigen, wie BMW ab Herbst 2025 seine Führungsrolle im Premiumsegment festigen will.(Bild: BMW AG)

Dabei braucht das vollelektrische Doppelpack BMW i3 und ix3 eigentlich nur den Spuren seiner Ahnen zu folgen, die allerdings einen entscheidenden Vorteil hatten: Mit der sportiven Viertürer-Familie aus 1500 (gebaut ab 1962), 1800 (ab 1963), 1600 (ab 1964) und 2000 (ab 1966) füllte BMW eine Marktlücke, die seit dem Untergang der agilen, aber nur zweitürigen Borgward Isabella bestand.

Tatsächlich musste Borgward nur wenige Wochen vor der IAA 1961 Konkurs anmelden, und BMW hoffte, frustrierte Isabella-Fahrer zum Umstieg auf den viertürigen 1500 in italienisch inspiriertem Schick zu verführen. Klar, auch Alfa Romeo hatte ab 1962 mit der Giulia einen viertürigen Sportwagen im Angebot, vom niederbayerischen Hersteller Glas gab es 1964 den sportiven 1700 im Pietro-Frua-Design, von Volvo bereits den Amazon 123 GT, und Ford und Opel schärften ihre Mittelklasse durch starke Sechszylinder. 

Aber die Karriere der bis 1972 gebauten BMW-Neue-Klasse-Viertürer und der bis 1977 aktuellen 02-Typen als Vorboten der GTI-Fraktion blieb einzigartig. Kein Konkurrent der Münchner bot vergleichbar agile Mittelklassemodelle, die als Firmenauto wie auch als Familienfahrzeug und sogar als Motorsportgerät überzeugten.

Den BMW 2002 tii respektierten bei Sprintderbys sogar Porsche-Piloten.
Den BMW 2002 tii respektierten bei Sprintderbys sogar Porsche-Piloten.(Bild: BMW AG)

Stärker als Porsche
Bereits in früher 1,5-Liter-Ausbaustufe zeigte der BMW 1500 seine Vmax-Gene. Dafür genügten der Limousine 80 PS, ein Leistungswert, den heute Kleinstwagen erreichen, der aber damals sogar einen Porsche 356 S übertraf. Zu berüchtigten Linke-Spur-Rennern auf Autobahnen avancierten die ab Herbst 1963 folgenden Modelle 1800 und 1800 TI, die mit 90 bzw. 110 PS Leistung auch schnelle Sechszylinder überholten.

Damals, als die westdeutschen Autobahnen in Verkehrssicherheitsstatistiken erstmals eine unrühmliche Position einnahmen: 17 Unfalltote pro 10.000 Fahrzeuge wurden pro Jahr gezählt, drei Mal so viele Verkehrstote wie auf US-Highways. Allerdings lobten US-Fachmedien die Fahrsicherheit der BMW-Viertürer, und sie wählten die weißblaue Firma in den Zirkel der fünf besten Marken der Welt.

Der BMW 02 Touring und ...
Der BMW 02 Touring und ...(Bild: BMW AG)
... das Cabrio waren ihrer Zeit voraus.
... das Cabrio waren ihrer Zeit voraus.(Bild: BMW AG)

Zeitenwende bei BMW
Aufbruchstimmung und Dynamik war 1963 ohnehin angesagt, in der Politik verkörpert durch den amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy, aber auch durch Ludwig Erhard, der „den Alten“, Konrad Adenauer, als deutschen Bundeskanzler ablöste. „She Loves You“ wurde der erste Nummer-1-Hit der Beatles, die „Neue Klasse“ zum ganz großen Hit von BMW. Vergessen waren im Stammwerk Milbertshofen nun die wirtschaftlichen Flops der 1950er, die barocken Oberklassetypen 501 und 502, aber auch der 600 auf Isetta-Basis, stattdessen flog BMW gefühlt im Tempo des Weltraumzeitalters von Erfolg zu Erfolg.

Die Formel 1 war überraschend früh angelegt
Die Wettbewerbsversion 1800 TI/SA mit auf 130 PS (im Motorsport bis 185 PS) erstarktem Triebwerk machte die Limousine zum Schrecken aller Racing-Rivalen: Deutscher Rundstreckenmeister 1964, Gesamtsieg bei den 24 Stunden von Spa 1966 und erste Nürburgring-Nordschleifenzeit für Tourenwagen von unter zehn Minuten lauteten die frühen Triumphe. Die robusten Triebwerksblöcke des Vierzylinders machte der legendäre Motorenentwickler Paul Rosche sogar im reifen Alter fit für die Formel 1: 1983 legten sie die Basis für den 1,5-Liter-Turbo, mit dem Nelson Piquet auf Brabham-BMW die Weltmeisterschaft gewann.

Schneller als Mustang V8 und Mercedes Sechszylinder – Die BMW Neue-Klasse-Typen auf der ...
Schneller als Mustang V8 und Mercedes Sechszylinder – Die BMW Neue-Klasse-Typen auf der Rennstrecke.(Bild: BMW AG)

Wer es elitärer wollte, wählte die 1965 aufgelegten Hardtop-Coupés 2000 C/CS, die das Vierzylinder-Programm krönten, aber so viel kosteten wie V8-Boliden anderer Fabrikate. Auch der 1966 eingeführte viertürige BMW 2000 mit markanten Breitband-Scheinwerfern war teurer als etwa ein Mercedes 200, dafür gab es ihn optional mit neuartiger Einspritzung und starken 130 PS - nicht einmal der Wankelmotor im futuristischen NSU Ro 80 entwickelte so viel Kraft.

Mit dem eleganten Hardtop-Coupe 2000 CS gewann BMW weltweit Anerkennung als Spezialist für ...
Mit dem eleganten Hardtop-Coupe 2000 CS gewann BMW weltweit Anerkennung als Spezialist für extravagante Sportler.(Bild: BMW AG)

„BMW goes like schnell“
Und dann kam ein kleiner BMW, den keiner erwartet hatte: Der zweitürige, nur 4,22 Meter lange 1600-2 debütierte 1966 zum 50. Gründungstag der Bayerischen Motoren Werke. Die Münchner hätten sich kein besseres Geschenk machen können, denn die in den USA mit Slogans wie „BMW goes like schnell“ beworbenen 02-Dynamiker entwickelten sich zu anfangs konkurrenzlosen sportlichen Überfliegern. Die größte Auflage in der 02-Familie erzielte der Typ 2002 mit 330.000 Einheiten, schon zur Produktionszeit Kultstatus errangen allerdings nur die Topmotorisierungen 2002 tii mit „injection“-Benzineinspritzung und der 1973 eingeführte 2002 turbo als 170 PS starker und 210 km/h schneller Autobahnfeger.

Spoiler mit Spiegelschrift für freie Überholspuren – der BMW 2002 Turbo startete 1973.
Spoiler mit Spiegelschrift für freie Überholspuren – der BMW 2002 Turbo startete 1973.(Bild: BMW AG)

Allein die Karosserievarianten Cabrio und Touring verfehlten den Nerv des Zeitgeists. Als der spätere DTM-Seriensieger Klaus Ludwig 1977 auf einem 2002 turbo von Schnitzer den finalen Lauf der Deutschen Rennsportmeisterschaft gewann, hatte die „Neue Klasse“ ihre Mission erfüllt: Die 3er- und 5er-Modelle schrieben die Erfolge von 1800/2000 und „Nullzwo“ fort, und das Unternehmen befand sich bereits auf dem langen Weg zum weltweit volumenstärksten Premiumhersteller. Eine Position, die BMW heute verteidigen will, ungeachtet aller Krisen, die die Automobilbranche erschüttern. Die Kraft einer „Neuen Klasse“ 2.0 wird es richten, da sind sich die Bayern sicher.

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