Derzeit tobt ein Streit zwischen Sozialversicherung und Ärztekammer, es geht um einen neuen Gesamtvertrag mit bundeseinheitlichen Tarifen. Im „Krone“-Gespräch beziffert Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer die Potenziale in unserem Gesundheitssystem mit über 7 Milliarden Euro. Soviel könnte der Staat einsparen, ohne dass die Qualität für einen einzigen Patienten sinkt.
Die unter Schwarz-Blau groß orchestrierte Reform der Sozialversicherung hat dem Gesundheitssystem am Ende keine radikale Kur verpasst. Dabei wäre diese nötig, findet der Ökonom Ernest Pichlbauer im „Krone“-Gespräch. Doppelgleisigkeiten, fehlende Koordinierung, ein ineffizienter Föderalismus und ein Fleckerlteppich aus unterschiedlichen Tarifen verschlingen viel Geld.
Milliarden versickern ohne Nutzen für Patienten
Über 7 Milliarden Euro wären durch eine echte Reform einzusparen, ist Pichlbauer sicher – und das ohne, dass darunter die Qualität der Versorgung leidet. Zu diesen Summen kommen auch internationale Studien. Gesamt kostet das Gesundheitssystem den Staat jährlich 45 Milliarden Euro, 7 Milliarden Euro entsprechen 15 Prozent. Damit wäre Österreich auch ungefähr im OECD-Schnitt. Österreich hat ein duales System aus 50 Prozent Steuer- und 50 Prozent Beitragsfinanzierung, wie es sonst nur noch in Griechenland Praxis ist.
Auch der Rechnungshof kritisiert die unübersichtlichen Finanzströme im Gesundheitswesen, was durch ein komplexes Gemisch aus vielen Akteuren wie Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen entstehen. Aufgaben werden mehrfach ausgeführt und es kommt zu Querfinanzierungen. Lücken bei Ordinationen werden etwa mit Spitalsambulanzen geschlossen.
Fehlende Koordinierung und ein ineffizienter Föderalismus verschlingen viel Geld. Eine Entflechtung ist dringend an der Zeit.
Ernest Pichlbauer
Bild: Jöchl Martin
Soll-Kostenrechnung für Tarife
Dass es für dieselben Leistungen weiterhin unterschiedliche Honorare für Ärzte gibt, ist auch laut Rechnungshof nicht plausibel. Über Jahre wurde um Tarife immer wieder gefeilscht, der jetzige Fleckerlteppich ist Ergebnis unterschiedlichster Verhandlungen. Pichlbauer betont: „Sinnvoll wäre, einfach eine Soll-Kostenrechnung zu machen, wie in jedem Unternehmen. Stattdessen wird um diese Tarife gefeilscht.“
Zu einem Gesamtvertrag kommt es am Ende nicht, da ÖGK und Ärztekammer derart unterschiedliche Interessen haben und sich auch immer gerne gegenseitig den „schwarzen Peter“ zuschieben. Pichlbauer nennt die Situation einen „gordischen Knoten“, das 1956 geschaffene System könne sich kaum in sich reformieren. Dazu müssten die handelnden Akteure entmachtet werden.
Eine Entflechtung ist dringend nötig. Bei einem 9-Millionen-Einwohner-Land wie Österreich könne auch alles über den Bund geregelt werden, so Pichlbauer. Schweden zeigt das z. B. mit einer zentralen Krankenkasse vor. Das spart auch Verwaltungskosten.
„Geld kommt nicht nur bei Patienten an“
Derzeit gliedert die ÖGK viel an die Ärzte aus. „Es gibt enorm viel Verwaltung auf Behandlungsebene“, so Pichlbauer. „Die ÖGK tut aber so, als würde jeder Euro, den sie an die Ärzte überweisen, beim Patienten ankommen.“ Auch die Pflege ins Gesundheitssystem einzubeziehen, würde Synergien entstehen lassen, die das System effizienter machen.
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