Franco umgebettet

Größter faschistischer Pilgerort nun belanglos?

Ausland
24.10.2019 14:11

Nach 44 Jahren und unendlichen Debatten und Rechtsstreitereien wurden am Donnerstag die Überreste von Spaniens faschistischem Ex-Diktator Francisco Franco (1892-1975) im „Tal der Gefallenen“ vor den Toren Madrids exhumiert. Mit der Verlegung Francos verliert damit Europas größtes Diktatoren-Denkmal seine Bedeutung.

Das mediale Interesse war am Donnerstagvormittag enorm. Obwohl die Exhumierung im Inneren der Basilika auf Anordnung der spanischen Regierung nur im engsten Familienkreis und ohne militärische Ehren stattfand, berichtete das spanische Staatsfernsehen live vom Transport von Francos sterblichen Überresten zum Friedhof El Pardo-Mingorrubio. Hier am Nordrand Madrids wurde der frühere Gewaltherrscher im Familiengrab neben dem Leichnam seiner Frau Carmen Polo beigesetzt.

Sanchez: Letztes Kapitel der faschistischen Diktatur schließen
Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Pedro Sanchez hofft, mit der polemischen, heiß debattierten Exhumierung endlich eines der letzten Kapitel der faschistischen Diktatur zu schließen und dem Tal der Gefallenen eine neue Bedeutung zu geben. Es soll in ein „Nationales Gedächtnis- und Dokumentationszentrum“ über die franquistische Diktatur umgewandelt werden. Bisher war das gigantische Mausoleum im Guadarrama-Gebirge 60 Kilometer nordwestlich der spanischen Hauptstadt der wahrscheinlich umstrittenste Ort in ganz Spanien.

Es war der größte faschistische Pilgerort Europas. In Deutschland oder Italien kaum vorstellbar. Doch jeden 20. November versammelten sich Hunderte spanische Faschisten öffentlich und ohne Probleme auf dem gewaltigen Vorplatz vor der Höhlenbasilika, um mit Gesängen und erhobenem rechten Arm dem Todestag ihres „Caudillos“, ihres Führers, zu gedenken. Jeden Tag schmückten bis zuletzt frische Blumen das Grabmal des faschistischen Militärdiktators.

Zwangsarbeiter und Häftlinge errichteten Monument
Franco selber gab den Bau 1940 wenige Jahre nach dem von ihm selber angezettelten Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) in Auftrag. Die Ausmaße sind gigantisch, die Entstehung ist beschämend. 20.000 Zwangsarbeiter und politische Häftlinge mussten das riesige „Nationalmonument des Heiligen Kreuzes im Tal der Gefallenen“, so der komplette Name, errichten. „Linke Gewerkschaftsführer, Kommunisten, Anarchisten. Generell politische Regimegegner. Auch zahlreiche normale Häftlinge schufteten für Francos Personenkult. Im Gegenzug erhielten sie Haftverkürzungen“, erklärt die spanische Historikerin Sara Nunez.

Über 18 Jahre brauchten die Häftlinge, um das Mausoleum und die Basilika tief in den Granitfelsen im Guadarrama-Gebirge zu schlagen. 18 Zwangsarbeiter verloren dabei ihr Leben. Mit fast 261 Metern entstand eine der längsten Kirchen der Welt. Am Haupteingang zur Felsenbasilika befindet sich ein riesiger Aufmarschplatz. Hinter dem Felsen auf der anderen Seite der Basilika das Kloster des Benediktinerordens, der die Kirche verwaltet. Über dem Altar mit seiner 42 Meter hohen Kuppel thront auf dem Felsen ein gewaltiges Betonkreuz - mit 150 Metern Höhe eines der größten der Welt.

Kein Symbol für die Überwindung der Spaltung Spaniens
Als „Geste der nationalen Versöhnung“ ließ Franco 1959 aus ganz Spanien die Überreste von im Bürgerkrieg gefallenen Soldaten beider Seiten bringen. 34.000 Gebeine wurden in den Mauern und Seitenkammern der Krypta eingebettet. Über dem Eingang zur Krypta der Basilika hängt die Inschrift „Gefallen für Gott und Spanien. 1936-1939“. Es sollte ein Symbol für die Überwindung der Spaltung Spaniens sein.

In Wirklichkeit aber trat das Gegenteil ein. Aus zwei Gründen, wie Emilio Silva, Vorsitzender der spanischen Franco-Opfervereinigung ARMH, der APA erklärt. Erstens: „Die meisten Überreste stammen von Menschen, die weder für Gott noch für Spanien im Krieg gefallen sind, sondern einfach wegen ihrer politischen Ideologie und als Franco-Gegner hingerichtet worden sind.“ Zweitens: „Von Beginn an hatte Franco die Basilika als Teil seines eigenen Personenkultes konzipiert und bestimmt, hinter dem Altar beerdigt zu werden. Damit machte er die Basilika zu einem Pilgerort für alle Faschisten.“

„Gesetz zur Historischen Erinnerung“
Franco, der Spanien bis zu seinem Tod 1975 mit eiserner Faust regierte, ließ bei der Einweihung der Basilika vor dem Altar auch einen seiner wichtigsten Mitstreiter beisetzen, Jose Antonio Primo de Rivera, Gründer von Francos faschistischer Falange-Bewegung. Seit Jahren kämpfen Angehörige von Franco-Opfern vergeblich, ihre im Tal der Gefallenen verscharrten Familienangehörige zurückzubekommen. Im April 2018 wurden die Überreste der ersten vier Leichen exhumiert. Basis war das 2007 von der sozialistischen Regierung von Jose Luis Rodriguez Zapatero nach heftigen politischen Debatten verabschiedete „Gesetz zur Historischen Erinnerung“.

Das Gesetz verbietet nicht nur die öffentliche Huldigung des Franco-Regimes, sondern legte auch fest, dass im Tal der Gefallenen tatsächlich auch nur die Überreste von im Bürgerkrieg gestorbenen Personen liegen dürfen. Auf dieser rechtlichen Grundlage gelang es der heutigen Regierung von Sanchez, auch gegen den Willen der Franco-Familie die Gebeine des Diktators am Donnerstag zu exhumieren. Denn Franco starb friedlich im einem Krankenhausbett 40 Jahre später.

Das Problem: Falange-Gründer Primo de Rivera darf nicht exhumiert werden. Er wurde 1936 von republikanischen Soldaten während des Bürgerkriegs hingerichtet. Die Regierung will seinen Leichnam nun zumindest in eine Seitenkrypta verlegen.

Viele Stimmen für Abriss der Gedenkstätte
Der Plan der Sozialisten, das Tal der Gefallenen zu entpolitisieren und in einen Ort der Versöhnung zu verwandeln, dürfte aber nicht nur deswegen scheitern. „Das Tal der Gefallenen wird auf Generationen mit dem Franco-Personenkult in Verbindung gebracht“, erklärt Emilio Silva. So sieht es auch eine große Mehrheit der Spanier. In einer Umfrage der Zeitung „La Vanguardia“ sprechen sich deshalb auch 65 Prozent aller Befragten für den kompletten Abriss der faschistischen Gedenkstätte aus.

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