Das E-Missverständnis

Vespa elettrica: Unsinn und Sinnlichkeit

Motor
12.08.2019 01:00

Es könnte so schön sein, und optisch ist es das auch. Und auch auf dem Papier. Doch die Vespa elettrica, also die elektrisch angetriebene Vespa, ist ein großes Missverständnis. Warum? Es werden zwei Versionen angeboten, ein Moped und eine 125er. So weit, so irreführend, denn die beiden unterscheiden sich in ihren Fahrleistungen fast gar nicht. Und das sorgt für Enttäuschung bei Fans ebenso wie bei Händlern.

(Bild: kmm)

Normale 125er laufen an die 90 km/h und sind vollwertige Verkehrsteilnehmer. Damit handelt es sich um eine Top-Fahrzeugklasse für junge Motorradeinsteiger wie auch für Autofahrer, die mit nur sechs Fahrstunden die Fahrerlaubnis dafür erwerben können (Stichwort Code 111).

Eine 125er mit geringerer Höchstgeschwindigkeit ist also völlig sinnlos. Die Vespa elettrica L3e, so heißt die „High-Speed-Variante“ schafft jedoch nur (GPS-gemessene) 49 km/h. Auch bergab wird es nicht mehr, auch wenn sie offiziell mit 52 km/h angegeben wird. Damit kommt man an der Ampel zwar flott weg, steht dann aber quasi im Weg herum. Dass diese Version in Österreich überhaupt angeboten wird, kann man eigentlich nur als krasse Fehlplanung im Piaggio-Konzern bezeichnen (treffen Praktikanten grundlegende Vertriebsentscheidungen?). Denn: Eigentlich ist die Vespa elettrica ausschließlich als Moped, aber nicht als Leichtkraftrad gedacht. Dass es sie mit zwei leicht unterschiedlichen Spezifikationen gibt, hat seine Ursache in den sich unterscheidenden gesetzlichen Grundlagen in verschiedenen Ländern. Anderswo darf so ein Moped eben auch mehr als 50 km/h laufen. In Österreich fällt ein Zweirad mit dieser Höchstgeschwindigkeit aber in die Klasse der 125er.

Interessanterweise hat Importeur Faber dennoch bereits 15 Stück der L3e verkauft. Da kann es sich nur um Hardcore-Vespa-Fans handeln.

Als Moped sieht die Sache ganz anders aus
So unsinnig die Vespa elettrica L3e in Österreich ist, so sinnvoll ist die L1e, also die Mopedversion, die mit dem AM-Führerschein gefahren werden darf. Die läuft klassenadäquate 44 km/h (offizielle Angabe: 45 km/h), womit es grundsächlich mal nichts zu meckern gibt. Mit maximal 4 kW/5,4 PS beschleunigt sie aus dem Stand sanft, aber durchaus kräftig und fährt sich ziemlich erwachsen. Das Fahrwerk ist stabil, die Bremsen packen gut zu, man sollte aber eine eher unempfindliche Wirbelsäule haben, denn Kanten im Asphalt schlagen derb auf den Rücken durch.

Eine Ladung des 4,2-kWh-Akkus reicht für realistische 70 Kilometer. Piaggio gibt in der Werbung zwar 100 Kilometer an, das gilt aber nur für den Eco-Modus, der das Maximaltempo auf 30 km/h drosselt. Theoretisch kann man per Rekuperation zweistufig Bremsenergie zurückgewinnen, angesichts der geringen Bremswirkung kann das aber nicht viel sein.

Ist die Batterie leer, zieht man das fest installierte Spiralkabel unter dem Sitz hervor und steckt es für knapp vier Stunden in die Haushaltssteckdose. Besser wäre es, wenn man das Akkupack herausnehmen und in der Wohnung laden könnte, doch das ist nicht leider vorgesehen. Das hätte das ohnehin knapp bemessene Ladevolumen wahrscheinlich noch weiter eingeschränkt. Aktuell passt mit Mühe und Not ein Jethelm unter den Sattel.

Das Display der Vespa elettrica ist digital und man kann via Bluetooth auch ein Smartphone verbinden. Die volle Konnektivität, die Piaggio bei der Vespa GTS Supertech anbietet, gibt es bei der elektrischen aber nicht. Hier bleibt es bei Musikhören und Telefonieren (wenn man ein Bluetooth-Headset im Helm hat) sowie SMS-Lesen. Das hat an der Test-Vespa aber nicht funktioniert.

Selbstbewusste Preise
Die Vespa elettrica ist sicher kein Roller für sparsame Rotstiftspitzer. Schöpft man alle Förderungen aus, zahlt man für die L1e 5920 Euro! Wer sich dem Geschwindigkeitsrausch der L3e hingeben will, muss noch einmal 570 Euro drauflegen. Zum Vergleich: Die Vespa Primavera 125 mit 2,4 kW/3 PS ist ab 3199 Euro zu haben, die 125er mit 7,9 kW/10,7 PS kostet 4799 Euro, schafft 91 km/h und hat auch noch ABS.

Unterm Strich
Die Vespa ist eine Designikone. Insofern entscheidet man sich in der Regel nicht hauptsächlich aus rationalen Gründen für sie. Im Falle der L1e spricht rational jedoch nicht viel mehr dagegen als der hohe Preis und der fest eingebaute Akku. Bei der L3e muss man hingegen schon sehr „Vespa-deppert“ sein, um sie bestellen zu können. Das weiß man auch beim Importeur. Nachdem mittlerweile auch schon die Händler Sturm laufen (ihnen hatte man ursprünglich eine 125er angekündigt, ohne die technischen Spezifikationen zu nennen), strebt man nun an, die auf Lager befindlichen L3e umzutypisieren. Gute Idee, denn prinzipiell hat es ja etwas Sinnliches, mit einer Vespa unterwegs zu sein, jedenfalls wenn man sich als italophil bezeichnet. Den Sinn kann die Sinnlichkeit aber nicht vollständig ersetzen.

Warum?
Weil es eine Vespa ist
L1e: Weil sie für ein Moped recht flott ist

Warum nicht?
L3e: siehe oben!
L1e: Akku nicht herausnehmbar

Oder vielleicht …
… Niu N1S, Torrot Muvi, unu Scooter Classic, Kumpan 1954 Ri.

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(Bild: kmm)



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