Man könnte fast glauben, Hyundai ist auf dem Weg zur globalen automobilen Weltherrschaft. Erst haben sie die Qualität und Design Stück für Stück auf europäisches Niveau gehoben, dann mit dem i30 N die GTI-Klasse aufgemischt. Konzernschwester Kia hat dann mit dem Stinger noch eine gar nicht so schlechte Sportlimousine kreiert. Und jetzt folgt der nächste Streich: Mit ihrer Luxus-Marke Genesis wollen sie im Premium-Segment nach Europa vordringen.
Genesis kennen wir aus der Bibel, als Musik aus den Charts (außer die ganz Jungen) und als Modellbezeichnung für ein Hyundai-Coupé. Doch seit ein paar Jahren ist es auch eine eigene Marke, die neben Hyundai und Kia eingeführt wurde. Zunächst in Korea, mittlerweile auch in den USA, Europa ist noch in Warteposition. 2020 geht es in Deutschland los; wann Österreich an der Reihe ist, wird sich zeigen.
Der Auftritt von Genesis ist selbstbewusst, das geflügelte Logo frech angelehnt an Aston Martin oder auch Bentley. Jedenfalls Vorbilder, die auch echt eine Vorgabe sind.
Premium im Visier
Das jüngste Modell der Marke - und das erste nur für Genesis konstruierte - ist der Genesis G70. Der kommt jetzt in den USA auf den Markt, was mir als Juror die Gelegenheit gibt, ihn im Rahmen der Testfahrten zum World Car Awards in Los Angeles unter die Lupe zu nehmen - an die zwei Jahre vor dem Europa-Start.
Auf dem Zielradar des 4,69 Meter langen G70 flimmert die Klasse von BMW 3er, Mercedes C-Klasse und Audi A4, also auch Alfa Romeo Giulia, Jaguar XE & Co. Die Ansage geht aber an die Premiumkonkurrenz.
Eigenständiges Design
Optisch ist der elegante Koreaner unter der Federführung von Peter Schreyer gut gelungen. Er wirkt ziemlich eigenständig, auch wenn man sich an andere Hersteller erinnert fühlen kann. Von vorn hat er etwas von klassischem Jaguar-Design, aber auch Maserati dürfte auf der Inspirationsliste stehen. Im Spannungsfeld zwischen dem Bentley-esken Chrom-Kühlergrill und den flach geschnittenen Scheinwerfern stellt sich die Frage, ob der G70 seinen Siegeszug nun gediegen oder doch eher sportlich angehen soll.
Die Air Breather hinter den Vorderrädern haben sie von BMW entlehnt, den angedeuteten Hofmeisterknick in den hinteren Seitenscheiben auch. Und auch hinten seitlich waren BMW-Fans am Werk. Das Heck leidet ein wenig unter der Plastikblende am unteren Abschluss, aber immerhin hat man auf die derzeit so modernen Auspuffattrappen verzichtet, die Mercedes in der upper class salonfähig gemacht hat. Die Schokoladenseite des Genesis G70 ist sicher die Front.
Innenraum als beruhigte Zone
Das Interieur ist eher schlicht gestaltet, unaufgeregt bis wenig aufregend, ohne Chichi; Hyundai-like, aber wertiger. Klare Instrumente, ein aufgesetztes Display, ein Materialmix, der die ganze Bandbreite von hochwertig bis zu hartem Plastik abdeckt. Wer investiert, kann sich richtig wohlfühlen - je nach Ausstattung gibt es herrliches gestepptes Leder (oben im Video zu sehen).
Das Platzangebot auf den Vordersitzen ist untadelig, auf der Rückbank geht es jedoch etwas beengt zu. Es fehlt größer Gewachsenen sowohl an Kopffreiheit als auch an Knieraum.
Zwei Motoren, zwei Charaktere
Zunächst war ich im 2.0 T unterwegs, also mit dem Zweiliter-Vierzylinder-Turbobenziner unter der Haube. Der zieht mit 256 PS so kräftig an, wie wir das aus dem Kia Stinger kennen, hat aber leider auch den künstlichen Motorsound mitbekommen, der aus den Boxen zugespielt wird. Das nervt auch im Stinger, obwohl es zu der Sportlimousine noch eher passt, im Genesis G70 ist der Krach schlicht deplatziert. Aber gut, dazu hat sich auch BMW beim 3er hinreißen lassen.
Absolut richtig am Platz sind hingegen das manuelle Sechsganggetriebe und der Heckantrieb. So etwas wird es am Markt wohl nicht mehr lange geben. Das Standardfahrwerk ist relativ komfortabel abgestimmt und funktioniert gut, wenn der Asphalt eben ist. Wird es wellig, ist Schluss mit Gleiten, dann merkt man, dass es da doch noch einen Unterschied gibt zu den deutschen Premium-Konkurrenten.
Ein ganz anderes Komfort-Empfinden herrscht im 3.3 T mit seinem seidigen Turbo-Sechszylinder. Angenehm im Ohr, sanft im Umgang, kräftig im Antritt. 370 PS werden via Achtgangautomatik an alle vier Räder ausgeliefert, das Fahrwerk ist mit adaptiven Dämpfern ausgerüstet. Damit fährt sich die Limousine geschmeidiger. Ganz an Mercedes oder BMW kommt sie aber dennoch nicht heran. Gleiches gilt für die Lenkung, die leicht zur Gefühlsarmut neigt.
Unterm Strich ist der Genesis G70 eine starke Ansage, mit der Hyundai die Karten in der Mittelklasse zwar nicht völlig neu mischt, aber erfolgreich das Blatt erweitert. Alles Weitere macht dann der Preis, der deutlich unter dem der Konkurrenten liegen soll. In den USA hat der G70 den gleichen Einstiegspreis wie das BMW-Dreier-Basismodell 320i, also 35.000 Dollar. Ist aber stärker motorisiert und besser ausgestattet.
Beim Premiumgefühl muss man leichte Abstriche machen - beim Premiumpreis aber auch.
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