Madrid-Katastrophe

Triebwerk des Todesflugzeuges auf Schubumkehr

Ausland
26.08.2008 19:11
Die Hinweise darauf, dass das Todesflugzeug von Madrid schon vor dem Start technisch nicht in Ordnung gewesen sein könnte, verdichten sich: Wie Ermittler in der spanischen Hauptstadt jetzt herausgefunden haben, war ein Triebwerk der mehr als 15 Jahre alten Spanair-Maschine offenbar auf Schubumkehr geschaltet. Dieser Mechanismus könne eigentlich nur am Boden aktiviert werden und diene dazu, das Flugzeug bei der Landung abzubremsen, hieß es. Indes geht die Pannenserie bei Spanair weiter: Am Montag musste ein weiteres Flugzeug der in Finanznöten steckenden Airline notlanden. Gute Nachrichten gibt es aus dem Krankenhaus: Ein sechsjähriger Überlebender der Katastrophe konnte entlassen werden.

Es sei völlig unklar, wie der Schubumkehr-Mechanismus aktiviert worden sei, berichten die spanischen Zeitung "El País" und "El Mundo" am Dienstag. Vom jetzigen Standpunkt des Unfallherganges aus gesehen hätte die "Luft-Bremse" vom Piloten auch beim Aufsetzen nicht eingeschaltet werden können. Die Experten, die die Überreste des Flugzeugwracks untersuchen, stünden vor einem Rätsel, heißt es. Der Umkehrschub dient eigentlich dazu, ein Flugzeug zu bremsen, und kann nur eingeschaltet werden, wenn eine Maschine sich am Boden befindet. Hat eines der Triebwerke bereits beim Abheben "gebremst", so würde dies das plötzliche Absacken der Maschine erklären. Ob das so war, muss erst bestätigt werden.

Pannenserie geht weiter
Wenige Tage nach der Katastrophe von Madrid haben zwei weitere Zwischenfälle die Passagiere an Bord einer Spanair-Maschine in Angst und Schrecken versetzt. Ein mit 158 Menschen besetztes Flugzeug musste am Montag kurz nach dem Start im südspanischen Granada wegen technischer Probleme umkehren. Der Flug JK6621 hatte Barcelona als Ziel. Das Flugzeug vom Typ McDonnell Douglas MD-83 gehörte Spanair zufolge der Gesellschaft Swiftair, der Flug wurde aber von einer Spanair-Besatzung durchgeführt. Passagiere berichteten, der Pilot habe erklärt, Probleme mit dem Kommunikationssystem des Flugzeugs hätten die Notlandung nötig gemacht. Bereits am Sonntag musste ein Flieger der spanischen Linie auf dem Flug von Barcelona nach Lanzarote wegen technischer Probleme eine ungeplante Zwischenlandung in Malaga einlegen.

Sechsjähriger Überlebender aus Krankenhaus entlassen
Am Montag ist indes der erste Überlebende des Flugzeugunglücks von Madrid aus dem Krankenhaus entlassen worden. Der sechsjährige Roberto Alvarez Carretero hat bei dem Unglück seine 16-jährige Schwester verloren. Die weiteren 17 Überlebenden des Unglücks mit 154 Toten bleiben in Behandlung. Der Zustand des zweiten überlebenden Kindes, eines achtjährigen Buben, sei weiterhin ernst, aber verbessere sich, so die spanischen Behörden. Der Zustand von zwei weiteren Verwundeten ist hingegen beinahe hoffnungslos. Eine 44-jährige Frau sei ins Koma gefallen, es gebe keine Aussicht auf Besserung ihres Zustandes.

"Da leuchtet ein rotes Lämpchen..."
Britische Medien berichteten am Montag aus den offiziell als "top secret" geltenden Flugschreiberaufzeichnungen, dass der Pilot des Unglücksfluges beim Startvorgang gesagt haben soll: "Da leuchtet ein rotes Lämpchen. Ich weiß nicht, was das heißt!" Zuletzt hatten die Überlebenden der in Finanznöten steckenden Fluggesellschaft vorgeworfen, einen Tausch des Unglücksjets kurz vorm Abflug wieder abgeblasen zu haben. Mit dem Bekanntwerden des angeblich letzten Piloten-Funkspruchs vor dem Absturz bekamen die Überlebenden und die Angehörigen der Opfer ein Indiz mehr für ihre Anschuldigung, dass Spanair am vergangenen Mittwoch eine technisch nicht einwandfreie Maschine starten ließ. Britische Medien berichten zudem, dass das Flugtauglichkeitszertifikat der über 15 Jahre alten MD-82 am 28. August abgelaufen wäre.

Techniker einvernommen
Am Wochenende wurde von den Ermittlern jener Techniker, der die Unglücksmaschine zum Start freigegeben hatte, vernommen. Er sagte aus, dass das Flugzeug vor dem Unglück einen Start wegen einer Panne an einem Fühler der Außentemperatur abgebrochen habe. Daraufhin sei der Fühler gemäß den Vorschriften abgestellt worden. Mit dem Absturz könne dies nichts zu tun haben.

Prügelei bei Treffen am Samstag nur knapp verhindert
Bei den Angehörigen der Verletzten und Toten herrschte am Wochenende weiterhin Trauer, Wut und Verzweiflung: Auf einem spannungsgeladenen Treffen am Samstag warfen sie Vertretern der Fluggesellschaft mangelnde Sorgfalt bei der Wartung der Maschinen vor. Die Verzweiflung unter den Angehörigen erreichte ein solches Ausmaß, dass Polizisten und Psychologen einschreiten mussten, um eine Prügelei zu verhindern.

Die Angehörigen konnten sich nach Angaben eines Anwalts nicht auf die Gründung einer Organisation zur Vertretung ihrer Interessen verständigen. Ihnen stehen nach dem Gesetz wenigstens 127.000 Euro Entschädigung für jedes Opfer zu. Spanair zahlt ihnen nach Presseberichten einen Vorschuss von jeweils 25.000 Euro.

Identifizierung der Leichen könnte zwei Wochen dauern
Viele Angehörige haben Angst, dass es bei der Identifizierung der verbrannten Leichen zu Verwechslungen kommt. 86 der 153 in einer Messehalle in Madrid aufgebahrten Leichen (ein Opfer war im Spital gestorben) wurden von den Forensikern identifiziert. Bei den übrigen Opfern könne sich der Prozess der Identifizierung allerdings noch bis zu zwei Wochen hinziehen, sagte der spanische Innenminister Alfredo Perez Rubalcaba. Wegen des Feuers und der Hitze bei dem Flugzeugabsturz seien die Proben zur Anfertigung der DNA-Analysen "in einem schlechten Zustand". Der Minister schloss nicht aus, dass in einzelnen Fällen eine Identifizierung nicht mehr möglich sein werde.

Erste Opfer beigesetzt
Unterdessen wurden die ersten Opfer am Wochenende in ihren Heimatorten in verschiedenen Regionen Spaniens beigesetzt. Tausende von Menschen erwiesen den Toten die letzte Ehre. Ärger gab es um die offizielle Trauerfeier, die am 1. September in der Madrider Almudena-Kathedrale stattfinden wird. Protestanten und Muslime beklagten, dass die Feier als katholischer Gottesdienst abgehalten werden soll.

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