Weichen gestellt

EU will Digitalsteuer von IT-Giganten einheben

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21.09.2017 13:58

Die EU-Kommission hat am Donnerstag die Weichen für eine Digitalsteuer gestellt. Der Vizepräsident der EU-Kommission Valdis Dombrovskis erklärte, Ziel sei eine faire Regelung, die effizient und zukunftstauglich sei. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici sagte, digitale Unternehmen müssten den gerechten Anteil für hohe Gewinne, die sie in der EU machten, bezahlen.

Ein konkreter Gesetzesvorschlag zur Digitalsteuer soll im Frühjahr 2018 vorliegen. Der derzeitige steuerliche Rahmen stehe mit den modernen Gegebenheiten nicht im Einklang. Die geltenden Steuervorschriften seien für die traditionelle Wirtschaft konzipiert worden und könnten keine Tätigkeiten erfassen, die zunehmend auf immateriellen Vermögenswerten und auf Daten beruhten. Daher werde der effektive Steuersatz der digitalen Unternehmen in der EU auf die Hälfte des Steuersatzes herkömmlicher Unternehmen geschätzt - oft noch deutlich niedriger. Gleichzeitig berge das Flickwerk unilateraler Maßnahmen der EU-Staaten zur Bewältigung des Problems die Gefahr, dass neue Hindernisse und Schlupflöcher im Binnenmarkt entstehen.

EU fordert weltweite Lösung
Gleichzeitig betont die EU-Kommission die Bedeutung einer weltweiten Lösung. Solange es aber keinen angemessenen Fortschritt auf globaler Ebene gebe, sollte die EU ihre eigenen Lösungen für die Besteuerung der Gewinne der in der digitalen Wirtschaft tätigen Unternehmen umsetzen. Eine kurzfristige Sofortmaßnahme könnten eine gezielte Umsatzsteuer und eine EU-weite Werbesteuer werden, wobei dies noch geprüft werde, heißt es in dem Dokument der Kommission. Vor allem die gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage sei eine gute Basis für die Bewältigung der zentralen Herausforderungen und für die Schaffung eines nachhaltigen, stabilen und fairen Rahmens für die künftige Besteuerung aller großen Unternehmen.

Schließlich stelle sich die Frage, wo besteuert werde und was besteuert werde. Auch mögliche kurzfristige Maßnahmen listet die Brüsseler Behörde als alternative Optionen auf. Als solche nennt die EU-Kommission eine Ausgleichssteuer auf den Umsatz von digitalen Unternehmen (equalization tax on turnover of digitalised companies), eine Abzugssteuer auf digitale Transaktionen (withholding tax on digital transactions) sowie eine eigene Abgabe auf Einnahmen, die durch Bereitstellung digitaler Dienstleistungen oder Werbung generiert werden (levy on revenues generated from the provision of digital services or advertising activity). All diese kurzfristigen Optionen hätten Vor- und Nachteile und müssten auf ihre Vereinbarkeit mit Doppelbesteuerungsabkommen, WTO-Regeln, den Staatsbeihilfenregeln und internationalen Freihandelsabkommen überprüft werden, "aber irgendetwas muss gemacht werden", schreibt die EU-Kommission.

Digitale Geschäfte im Schnitt mit 8,5 Prozent besteuert
Derzeit seien digitale Geschäftsmodelle im Durchschnitt in der EU einer effektiven Besteuerung von 8,5 Prozent unterworfen, weniger als die Hälfte der traditionellen Geschäftsmodelle (20,9 Prozent) in der EU, rechnet die EU-Behörde vor. Dabei schreite die Digitalisierung der Wirtschaft rasch voran: 2006 sei nur ein Technologieunternehmen unter den Top-20 gewesen, das für 7 Prozent der Marktkapitalisierung verantwortlich war. 2017 seien neun von 20 der kapitalkräftigsten Unternehmen Technologieunternehmen, die 54 Prozent der Marktkapitalisierung in dieser Gruppe einbrachten. Von 2008 bis 2016 seien die Einnahmen der fünf größten Unternehmen im elektronischen Handel um 32 Prozent gestiegen. Dagegen seien die Einnahmen im gesamten Handelssektor in der EU in dieser Zeit nur um ein Prozent gewachsen.

Beim jüngsten EU-Finanzministerrat in Tallinn vergangenes Wochenende hatte der estnische Ratsvorsitz angekündigt, bis Jahresende einen Vorschlag vorzulegen. Dabei waren zwei Möglichkeiten erörtert worden. Der estnische Ratsvorsitz präferiert dabei den Ansatz, mittels Zugriffszahlen - was kostet ein Klick dem Konzern - eine entsprechende Kostenrechnung zu machen und dann den Gewinn solcher Klicks entsprechend dem Klick-Anteil ihres Landes zu erhalten. Dabei gibt es das Problem, dass sich die Staaten nicht völlig einig sind, weil jedes Land die Klicks an andere Parameter anknüpfen will. Der Vier-Länder-Vorschlag von Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien wiederum tritt für eine "quick fix"-Lösung als Übergang ein. Dabei sollen die Umsätze zusätzlich mit einer Art Ausgleichssteuer versehen werden, wobei fünf Prozent als eine Variante ins Spiel gebracht wurden. Diese "equalization tax" ist de facto ein Aufschlag zur bestehenden Umsatzsteuer und würde die elektronischen Dienste verteuern.

EU-Politiker erfreut über Digitalsteuer-Pläne
Die österreichischen EU-Parlamentarier zeigen sich gegenüber der Möglichkeit einer Digitalsteuer aufgeschlossen. Die SPÖ-Delegationsleiterin im EU-Parlament Evelyn Regner zeigte sich erfreut über das Umdenken in der EU in Richtung Einführung einer Digitalsteuer. Die Nichtbesteuerung von Internet-Multis habe von 2013 bis 2015 zu Steuereinnahmenverlusten von 5,1 Milliarden Euro geführt, sagte Regner.

Es könne nicht sein, dass sich die Internet-Multis Google oder Facebook davor drücken können, Steuern zu zahlen, während Klein- und Mittelbetriebe sowie Arbeitnehmer draufzahlen. Die Digitalsteuer sei notwendig, um das fehlende Geld der europäischen Staatskassen für die Ausstattung von Schulen mit Laptops oder die Modernisierung der Krankenhäuser zu finanzieren.

Karas will Einführung in der gesamten EU
Der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament Othmar Karas will eine Einführung einer Digitalsteuer durch die gesamte EU. Die Digitalsteuer sollte nicht nur von einigen EU-Staaten gemacht werden. "Mit Minimallösungen schwächen wir uns selbst", so Karas.

Eine sogenannte Google-Steuer sei auch nur möglich, wenn die Nationalegoismen zurücktreten. Karas verwies darauf, dass die Steuerpolitik in der EU leider durch das Vetorecht der nationalen Finanzminister ständig ausgehebelt werde. Notwendig seien mehr gemeinsame Regeln, sonst könne die Steuervermeidung der multinationalen Firmen nicht abgestellt werden. Dazu bedürfe es einer Änderung der Abstimmungsmechanismen unter den Finanzministern.

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