Den unter Luftabschluss bei hoher Temperatur aus Birkenrinde destillierten klebrigen "Ur-Kunststoff" hätten die Steinzeitmenschen zunächst möglicherweise durch Zufall entdeckt. Dann aber sei die nützliche teerartige Masse als wohl ältestes chemisches Produkt mit komplizierten Verfahren absichtlich hergestellt worden, erklärt Thissen als Ausgräber des Lagerplatzes bei Inden-Altdorf im Rheinischen Braunkohlerevier. Der Fund eines über und über mit Birkenpech verschmierten kleineren Sandsteinstücks in dem rheinischen Steinzeit-Camp spreche für einen solchen Kleber-Herstellungsort. Thissen: "Das ist schon sehr einmalig."
Neandertaler oder moderner Mensch als Erfinder?
Sowohl die Bauart der Speere als auch die Herstellung des Klebers "ist eine moderne Technologie, die für dieses Alter überraschend ist", meinte Thissen. Dies spreche für die Leistung einer früh nach Europa gewanderten Form des modernen Menschen. Andere Experten sehen eher den in Europa siedelnden Neandertaler als Entdecker des Birkenklebers.
Insgesamt seien an dem Lagerplatz rund 700 Steingeräte gefunden worden, von denen viele sehr unterschiedliche Gebrauchspuren aufwiesen, schildert der Wissenschaftler. Erstmals in dieser Epoche sei der durch Kieselsäure entstehende typische "Sichelglanz" an einzelnen Feuersteinklingen zu sehen, der durch das Schneiden von Gras oder Farn entsteht. Möglicherweise hätten die Steinzeitler mit den Pflanzen ihren Schlafplatz gepolstert.
"Fund des Monats"
Der Steinzeitkleber wird im Juni als "Fund des Monats" im LVR-Landesmuseum in Bonn vorgestellt. Er soll dort in der neuen Dauerausstellung zur Vor- und Frühgeschichte im Rheinland seinen Platz finden. Allerdings könnten zwei verklebte Stein-Werkzeuge aus Mittelitalien dem "Rekordfund" schon bald den Rang ablaufen: Laut Jürgen Thissen sind diese nämlich möglicherweise sogar rund 200.000 Jahre alt.
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