Auftritt mit Merkel

Hollande warnt vor einem “totalen Krieg” in Nahost

Ausland
07.10.2015 18:17
Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Francois Hollande haben am Mittwoch im Europäischen Parlament angesichts der aktuellen Flüchtlingskrise und des Kriegs in Syrien die europäische Einheit beschworen. Während Merkel von einer "Bewährungsprobe historischen Ausmaßes" sprach und das Dublin-System als "nicht tragfähig" bezeichnete, warnte Hollande vor einem "totalen Krieg" im Nahen Osten und dem "Ende Europas".

Es war der erste gemeinsame Auftritt eines deutschen und eines französischen Staatschefs dieser Art seit mehr als 25 Jahren. Zuletzt hatten am 22. November 1989 der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl und Frankreichs Präsident Francois Mitterrand gemeinsam vor dem Europäischen Parlament gesprochen - wenige Tage nach dem Fall der Berliner Mauer. Die immense Flüchtlingsherausforderung veranlasste nun Merkel und Hollande, es ihren Vorgängern gleichzutun.

Hollande sieht Europa angesichts der Flüchtlingsbewegungen vor einer Reihe von Krisen. Es gelte, dringlich zu reagieren. "Niemand kann die Augen verschließen gegenüber den Realitäten der Welt. Es gibt keine Grenzen, die stark genug sind, keinen Stacheldraht, der hoch genug ist, gegenüber den Herausforderungen und Gefahren, die auf uns zukommen", sagte Frankreichs Präsident in Straßburg.

Hollande: "Keine andere Lösung als ein starkes Europa"
Es gebe keine andere Lösung als ein starkes Europa, um die eigene Souveränität zu garantieren. Die sei notwendig angesichts der Terrorbedrohung, des Kriegs in der Ukraine und der Lage in Syrien, "wo das Assad-Regime eine Katastrophe geschaffen und gespeist hat. Dort wird noch heute massakriert."

Hollande warnte zugleich vor einem "totalen Krieg" im Nahen Osten. Wenn Europa zulasse, dass sich die religiösen Konfrontationen in der Region weiter verschärften, könne der Konflikt auch unseren Kontinent erreichen. Vor diesem Hintergrund forderte er eine weitere Vertiefung der Europäischen Union: "Die Debatte dreht sich nicht um weniger Europa oder mehr Europa. Es geht um die Bekräftigung Europas oder das Ende Europas."

Konkret forderte der französische Präsident auch dazu auf, an einer politischen Lösung zu arbeiten, die eine Alternative zu Syriens Machthaber Bashar al-Assad und der Terrormiliz Islamischer Staat sei. Es sei nicht möglich, die moderate und demokratische Opposition mit dem "Henker des eigenen Volkes" zusammenzubringen. Merkel hatte zuletzt Gespräche mit Assad nicht mehr ausgeschlossen.

Merkel: "Abschottungen sind eine Illusion"
Die deutsche Bundeskanzlerin bezeichnete die Flüchtlingskrise als eine "Bewährungsprobe historischen Ausmaßes". Europa könne sich nicht von globalen Ereignissen entkoppeln. Ebenso wie Hollande rief sie zu Solidarität unter den EU-Staaten bei der Aufteilung der Flüchtlinge auf. Das Dichtmachen von nationalen Grenzen sei der falsche Weg. "Abschottungen und Abriegelungen im Zeitalter des Internets sind eine Illusion." Damit würde kein Problem gelöst, sondern es entstünden noch gravierendere Schwierigkeiten.

Merkel verwies darauf, dass seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch nie so viele Menschen auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung gewesen seien wie heute: "60 Millionen Menschen. Niemand verlässt seine Heimat leichtfertig, auch nicht die, die aus wirtschaftlichen Gründen kommen." Aber "denen müssen wir auch sagen, dass sie nicht bei uns bleiben können, damit wir jenen wirklich helfen können, die tatsächlich Schutz vor Krieg und Verfolgung brauchen".

Staatschefs sehen "Schlüsselrolle" der Türkei
Bei der Lösung der Krise werde die Türkei als unmittelbarer Nachbar der EU und Ausgangspunkt der "irregulären" Migration eine "Schlüsselrolle" spielen, so Merkel. Gleichzeitig leiste die Türkei "außergewöhnliche Arbeit für zwei Millionen Flüchtlinge". Auch Hollande forderte eine Zusammenarbeit mit der Türkei: "Wir müssen der Türkei helfen, wenn wir wollen, dass sie uns hilft."

Das Dublin-System sieht Merkel als de facto gescheitert an: "In der jetzigen Praxis ist es obsolet, seien wir ehrlich. Es war in der Tat gut gemeint, aber unterm Strich hat sich das als nicht tragfähig erwiesen. Ich setze mich für ein neues Vorgehen für Fairness und Solidarität in der Lastenverteilung ein." Abgesehen davon dürften Flüchtlinge aber nicht "als anonyme Masse behandelt werden, egal, ob sie eine Bleibeperspektive haben oder nicht".

Hollande wandte sich gegen ein Rütteln an Schengen. Eine Rückkehr zu nationalen Grenzen sei der falsche Weg. Er forderte auch ein gemeinsames Asylsystem in der EU. Es gehe um ein "Nach-vorne-Gehen oder ein Zurückrollen".

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