Nur mehr 2500 statt 9000 Euro – Bundeskanzler Christian Stocker will die Sozialhilfe für Großfamilien massiv reduzieren. Die Budgetsanierung werde ohne neue Steuern gelingen, verspricht er im „Krone“-Interview. Die geplante Pensionsanpassung bleibt trotz Protesten.
„Krone“: Herr Bundeskanzler, die Ankündigungen der Regierung, bei Pensionen und Beamten einzusparen, hat sehr viel Kritik ausgelöst. Verstehen Sie den Unmut?
Christian Stocker: Die Inflation ist mit rund vier Prozent zu hoch, ich möchte sie schon nächstes Jahr auf zwei Prozent senken. Um das zu erreichen, ist es notwendig, dass alle einen Beitrag leisten. Ich bin sehr dankbar, dass die Pensionisten diesen Beitrag leisten werden, weil ich weiß, dass es keine Selbstverständlichkeit ist. Man muss aber auch sagen, dass wir in der Vergangenheit Anpassungen über der Inflationsrate vorgenommen haben. Das waren Zeiten, in denen es dem Staatshaushalt besser gegangen ist. In schwierigen Zeiten, wie wir sie aktuell erleben, ist diese Lösung aus meiner Sicht ein zumutbarer Beitrag.
Viele Menschen haben kein Verständnis und sind wütend. Uns haben Leser angerufen, die ihren Parteiaustritt angekündigt haben. Was sagen Sie diesen Leuten?
Wir haben das Richtige getan, und das ist mein Anspruch. Ich will für dieses Land das Richtige tun. Die Zeit, die vor uns liegt, wird nicht einfach werden. Und es wird auch nicht alles sofort gehen. Aber ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir es gemeinsam schaffen können, uns aus dieser Situation wieder herauszumanövrieren. Es geht da nicht nur um die Budgetkonsolidierung, es geht auch um die Inflationsrate. Das Signal, das wir als Bundesregierung jetzt gegeben haben, wurde in der Vergangenheit von vielen Experten gefordert.
Aber viele Experten sagen auch, dass die „soziale Staffelung bei den Pensionen am Ende des Tages unsozial ist, weil sie jene bestraft, die mehr eingezahlt haben“. Das würde auch dem Leistungsgedanken, den die ÖVP sehr gern predigt, widersprechen. Ist das nicht etwas, das auf Dauer zum Problem wird?
Das ist mir durchaus bewusst. Umgekehrt war es auch so, dass diese soziale Staffelung von vielen verlangt wurde und dann in den Verhandlungen eben Teil der Lösung wurde. Aber das ist selbstverständlich kein Modell auf Dauer. Es ist nicht das Ziel, dass das jedes Jahr passiert.
Zu einem anderen Thema, das die Menschen auch sehr bewegt, nämlich Gesundheit und die Gesundheitsversorgung. Die Vorgängerregierung hat erfolglos versucht, die langen Wartezeiten zu verkürzen und die Zwei-Klassen-Medizin zurückzudrängen. Warum schafft es die Regierung nicht, da irgendwie etwas zu ändern?
Wir wollen die Situation für die Patienten verbessern. Aber das wird nicht leicht sein. Gerade im Gesundheitsbereich gibt es viele Akteure: die Gesundheitskasse, die Standesvertretung der Ärzte, die Länder als Erhalter der Spitäler und auch Gemeinden, die teilweise eigene Spitäler betreiben, und dann den Bund. Wir haben über den ganzen Sommer Gespräche geführt. Die grundsätzliche finanzielle Ausstattung im Gesundheitsbereich ist im europäischen Vergleich keine schlechte, aber die Mittel werden nicht effizient genug eingesetzt.
Die Regierung hat eine Sozialhilfereform angekündigt. Die Zahlungen in den Ländern sollen vereinheitlicht werden. Was ist hier Ihr Ziel?
Es ist ja kein Geheimnis und wird niemanden verwundern, dass es für mich kein zufriedenstellendes Modell ist, dass eine Familie 9000 Euro netto Sozialhilfe bekommt. Wir sollten uns an den Bundesländern orientieren, die deutlich niedrigere Sätze haben. Das wären beispielsweise Niederösterreich oder Oberösterreich, wo das sehr gut funktioniert. Wir wollen auch verstärkt auf Sachleistungen setzen. Niemand will, dass Kinder in diesem Land arm sind. Niemand will, dass Kinder in diesem Land darunter leiden, weil sie nicht alles haben, was sie brauchen. Daher werden wir das Kindeswohl natürlich immer berücksichtigen – das geht auch mit Sachleistungen.
Es ist ja kein Geheimnis und wird niemanden verwundern, dass es für mich kein zufriedenstellendes Modell ist, dass eine Familie 9000 Euro netto Sozialhilfe bekommt.
Kanzler Christian Stocker
Wenn Sie sagen, 9000 Euro sind nicht vertretbar, in welche Richtung soll es gehen? Was halten Sie für vertretbar für eine Familie mit sechs, sieben Kindern, die nicht arbeitet?
Ich glaube, dass die Modelle, die wir in Niederösterreich und Oberösterreich haben, durchaus praktikable Modelle sind. Das geht in Richtung 2500 Euro für Familien mit sechs, sieben und mehr Kindern.
Ein sehr großes Thema für die Regierung ist natürlich auch die Budgetsanierung. Werden Sie den Budgetsanierungspfad einhalten?
Die Informationen aus dem Finanzministerium zeigen, dass wir beim Budgetvollzug des Bundes im Plan sind. Das heißt, da gibt es keine Abweichung.
Es gibt also keinen Plan B, dass man sagt, wenn man den Pfad verfehlt, wird zusätzlich einspart, oder dass nächstes Jahr vielleicht Erbschaftssteuer noch einmal Thema werden, schließen Sie aus?
Im Regierungsprogramm ist nicht vorgesehen, dass wir eine Erbschaftssteuer einführen. Und es ist auch nicht vorgesehen, dass wir das noch einmal neu verhandeln. Ich erlebe Markus Marterbauer als einen sehr pragmatischen, auf dem Boden des Regierungsprogramms arbeitenden Finanzminister, der mehrfach gesagt hat, dass wir wieder Wirtschaftswachstum brauchen. Wenn nicht insgesamt das Steueraufkommen steigt, werden wir uns zu Tode konsolidieren. Das Ziel muss daher sein, die Inflation hinunter- und das Wirtschaftswachstum hinaufzukriegen.
Ist nach einem halben Jahr Regieren der Honeymoon vorbei oder ist die Stimmung in der Dreier-Konstellation nicht intakt?
Das darf man weder in die eine oder andere Richtung übertreiben. Es war nie ein Honeymoon und es gab auch nie Streit, der die Regierung gefährdet. Wir bemühen uns alle trotz der durchaus unterschiedlich zusammengesetzten Bundesregierung über unsere Schatten zu springen. Leben und leben lassen. Das ist einmal für eine Partei leichter, einmal für die andere schwieriger. Aber das Bemühen, gemeinsam das Richtige für Österreich zu tun, ist bei allen drei Parteien seit Beginn nach wie vor vorhanden.
Wenn man den Umfragen Glauben schenkt, honoriert die Bevölkerung diese Bemühungen der Regierung nicht. Wie erklären Sie sich das?
Es ist leider nicht so, dass es den berühmten Schalter gibt, den die Regierung umlegt und alle Probleme sind sofort gelöst. Schön wäre es – aber in der Realität ist es so, dass Entscheidungen der Regierung auch Mehrheiten im Parlament brauchen.
Wir haben aus Regierungskreisen auch gehört, dass dieses Pensionsthema, mit dem Sie im ORF-„Sommergespräch“ vorgeprescht sind, eigentlich erst Mitte des Monats diskutiert werden hätte sollen. War es klug, das zu machen – eine Woche bevor FPÖ-Chef Herbert Kickl seinen Auftritt hat?
Ich glaube nicht, dass es gescheit ist, die Entscheidungen einer Bundesregierung von einem Fernsehauftritt des Herbert Kickl abhängig zu machen. Ich glaube, dass die Entscheidung eine richtige war, dass die Lösung auch eine gute ist. So gesehen bin ich damit auch sehr zufrieden.
Ich werde auch in Zukunft Urlaub machen. Und es wird auch in Zukunft weit unter dem gesetzlichen Ausmaß sein. Aber ich mache es nicht davon abhängig, ob Herbert Kickl im Fernsehen sitzt oder bergsteigen ist!
Kanzler Christian Stocker
Es gab auch Kritik daran, dass sie zu diesem Zeitpunkt auf Urlaub waren und dass Vizekanzler Andreas Babler während der Verhandlungen teilweise in New York weilte. War das rückblickend ein Fehler?
Ja, es stimmt, ich war dann eine Woche weg und habe meinen Sommerurlaub nachgeholt. Ich werde auch in Zukunft Urlaub machen. Und es wird auch in Zukunft weit unter dem gesetzlichen Ausmaß sein. Aber ich mache es nicht davon abhängig, ob Herbert Kickl im Fernsehen sitzt oder bergsteigen ist. Mein Terminplan ist gut gefüllt. Sie können sich darauf verlassen, dass die Work-Life-Balance eine ist, die den Fokus mehr auf Arbeit als auf Freizeit legt.
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