Die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede gewinnt in der Medizin zunehmend an Bedeutung – mittlerweile auch in der Rheumatologie. Denn verschiedene Faktoren haben entscheidenden Einfluss auf Diagnose, Therapie und Verlauf einer rheumatischen Erkrankung.
Verschiedene Faktoren haben entscheidenden Einfluss auf Diagnose, Therapie und Verlauf einer rheumatischen Erkrankung. Während Frauen tatsächlich öfter an entzündlich rheumatischen Systemerkrankungen leiden – wie rheumatoide Arthritis oder Autoimmunerkrankungen, die das Bindegewebe betreffen, – galt Spondyloarthritis mit Beschwerden vor allem an Wirbelsäule und Kreuz-Darmbeingelenken lange als „Männerkrankheit“. Neue Erkenntnisse zeigen jedoch ein anderes Bild.
„Heute wissen wir, auch aufgrund der modernen bildgebenden Verfahren, dass Frauen fast ebenso häufig betroffen sind, allerdings oft atypische oder sehr wenige Symptome zeigen, was zu verzögerter Diagnose und Therapieeinleitung führen kann“, berichtet Prim. Dr. Judith Sautner, LK Korneuburg-Stockerau, NÖ Kompetenzzentrum für Rheumatologie, Karl Landsteiner Institut für klinische Rheumatologie, im Fachmagazin „Ärzte Krone“.
Gene, Hormone, Immunsystem
Eine große Rolle spielen dabei die Hormone, insbesondere Östrogene und Androgene, sowie das Immunsystem. Die Körperabwehr von Frauen reagiert schneller und intensiver als jene der Männer, was sie aber auch anfälliger für Autoimmunerkrankungen macht. Neben der Genetik (zwei X-Chromosomen) können auch die hormonellen Einflüsse (vor allem in Schwangerschaft und Menopause) die Entstehung von immunologischen Erkrankungen begünstigen und deren Verläufe verändern.
Auswirkungen auf Diagnose und Therapie
Eine Herausforderung beim Erstellen der Diagnose sind die unterschiedlichen Beschwerden. „Frauen berichten häufiger über unspezifische Symptome wie Fatigue – d. h. extreme Müdigkeit und Erschöpfung – diffuse Schmerzen und kognitive Beeinträchtigungen“, so Prim. Sautner. Diese Anzeichen werden häufig fehlinterpretiert und verzögern dadurch den Behandlungsbeginn. Auch die höhere Schmerzwahrnehmung bei Frauen kann das Ergebnis maßgeblich beeinflussen.
Bei der Behandlung gilt es ebenfalls, die geschlechtsspezifischen Abweichungen zu berücksichtigen. In klinischen Studien wurde wiederholt ein unterschiedliches Therapieansprechen beobachtet, wie die Expertin weiter ausführt. So wirken manche Medikamente bei Frauen schlechter, zeigen häufiger Nebenwirkungen oder Unverträglichkeiten, wodurch es mitunter zum Abbruch der Behandlung kommt.
Männer hingegen laufen Gefahr, bei milderen Symptomen übertherapiert zu werden, was potenziell vermeidbare Risiken birgt. Prim. Sautner: „In der Praxis empfiehlt es sich, Therapien unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten zu individualisieren – dies betrifft nicht nur die Substanzwahl, sondern auch Dosisanpassung, Applikationsform, Monitoringfrequenz und psychosoziale Begleitmaßnahmen.“
Einfluss durch Bildung und Rollenbilder
Der individuelle Umgang mit Krankheiten wird auch durch soziale Geschlechterrollen beeinflusst. Frauen haben oft familiäre Betreuungspflichten und berichten seltener von Einschränkungen im Beruf. Männer dagegen suchen häufig erst spät medizinische Hilfe, wodurch sich Diagnosen verzögern und Krankheitsverläufe aggressiver ausfallen können. Ebenso erhöht ein geringer Bildungsstand das Risiko für ein verzögertes Erkennen und Behandeln sowie schwere Verläufe der Erkrankung.
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