„Ich würde nie einen Vergewaltiger verteidigen“, lautet das Credo einer Anwältin, die sich beim Prozess in Eisenstadt für einen angeklagten Kinderschänder starkmachte – der Mann soll vor 35 Jahren ein Mädchen missbraucht haben.
Die schwerwiegenden Vorwürfe gegen den heute 71-jährigen Ungarn liegen sein halbes Leben zurück. Zwischen 1990 und 2000 soll sich der Arbeiter regelmäßig an einem Mädchen im Nordburgenland vergangen haben – von dessen 4. bis zum 14. Lebensjahr
„Und wenn du das jemandem erzählst, dann kommt deine kleine Schwester dran“, sagt die Staatsanwältin am Landesgericht Eisenstadt.
Schlaftabletten im Kakao
Weiters ist die Rede davon, dass der Angeklagte den Schwestern Schlaftabletten in den Kakao rührte. Zum einen, dass die Kleinere nichts mitbekommt; zum anderen, dass das mutmaßliche Opfer sich bei den abscheulichen Taten nicht wehren würde. Zeugen gibt es nicht.
„Glaubwürdig unschuldig“
Die Anwältin des Pensionisten, Viktoria Ujvarosi, wirft sich für ihren Mandanten voll ins Zeug. „Ich übe diesen Beruf jetzt seit 15 Jahren aus. Mein Credo war immer: Ich vertrete keine Vergewaltiger. Und das wird auch so bleiben. Er ist glaubwürdig unschuldig.“
Lesestunde in Eisenstadt
Weil es für das Urteil des Schöffengerichts egal sei, welche Befindlichkeiten der Mann bei der Befragung an den Tag legt – „ist er emotional, ist er wütend, ist er unverbindlich“ – darf er eine vorgefertigte Aussage vorlesen. Denn: „Wie beweise ich, dass ich etwas nicht gemacht habe?“
1990 war der damals schon verheiratete dreifache Vater als Freund bei der Familie im Nordburgenland eingezogen. Er schlief im Wohnzimmer auf der Couch. Die Eltern der Kinder waren kaum daheim. „Ich hatte einen guten Job. Wenn ich nicht gearbeitet habe, habe ich geschlafen. Mit den Mädchen hatte ich kaum Kontakt.“
Aufarbeitung nach der Psychotherapie
Dem widerspricht die heute 39-jährige Frau vehement. „Er hat jede Gelegenheit genutzt, zu mir ins Zimmer zu kommen.“ Freilich stellt sich nun die Frage, warum es mit der Aufarbeitung so lange gedauert hat. „Es gab immer wieder Flashbacks, die ich nicht einordnen konnte. Erst im Zuge einer Psychotherapie kamen die Erlebnisse zurück, die mein Leben kaputt gemacht haben.“
Anwältin Ujvarosi wirft nun eine Frage auf. „Wenn jemand mit 12 Jahren einen Selbstmordversuch unternimmt und im Spital landet: Wird der dort nicht auf Herz und Nieren untersucht? Es ist nichts dokumentiert.“
Was hat wo wann stattgefunden?
Gerichtspsychiater Peter Hofmann kann ein „False-Memory-Syndrom“ nicht ausschließen, das bedeutet: Menschen erinnern sich an Ereignisse, die in Wirklichkeit nie stattgefunden haben.
Ehefrau und Töchter im Auditorium, der Angeklagte und nicht zuletzt die Anwältin, atmen nach dem rechtskräftigen Freispruch – im Zweifel – erleichtert auf.
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