Ein mögliches Defizitverfahren gegenüber Österreich steht seit November im Raum. Am Mittwoch dürfte die EU-Kommission die Einleitung eines solchen Verfahrens tatsächlich empfehlen. Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) hatte vorige Woche schon erklärt, er habe „überhaupt keine Angst“ davor.
Empfiehlt die EU-Kommission ein Defizitverfahren, muss danach noch der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister zustimmen. Grund für das erwartete Defizitverfahren ist, dass Österreich mit seinem Budgetdefizit von 4,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) im vergangenen Jahr und den geplanten 4,5 Prozent heuer klar über der erlaubten Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung der sogenannten Maastricht-Kriterien der EU liegt.
EU-Kommission legt Frühjahrspaket vor
Die EU-Kommission wird am Mittwoch ihr Frühjahrspaket zum sogenannten Europäischen Semester vorlegen. Darin enthalten sind auch Berichte zur Haushaltsüberwachung. Diese nimmt die Einhaltung des Defizit- sowie Schuldenkriteriums für gefährdete Länder unter die Lupe.
Grundlage sind dafür die Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Insbesondere müssen die Mitgliedstaaten das Defizitkriterium und das Schuldenkriterium einhalten:
Finanzministerinnen und -minister müssen entscheiden
Wird eines dieser beiden Kriterien nicht eingehalten, überprüft die Kommission, ob das Defizit die öffentlichen Ausgaben für Investitionen übertrifft. Außerdem schaut sie sich die allgemeine mittelfristige Wirtschafts- und Haushaltslage an. Auf Grundlage dieser Prüfung entscheidet die Brüsseler Behörde, ob sie den EU-Wirtschafts- und Finanzministerinnen und -ministern die Eröffnung eines Verfahrens empfiehlt. Die finale Entscheidung liegt dann bei diesen.
Van der Bellen sieht „keinen Grund zur Panik“
Bereits im Rahmen des Herbstpakets im November überlegte die Kommission die Eröffnung eines Verfahrens gegen Österreich. Die im Jänner von den FPÖ-ÖVP-Koalitionsverhandlern nach Brüssel gesandten Maßnahmen konnten Anfang des Jahres das Verfahren noch abwenden.
Nachdem die Budgetprognosen aber von Monat zu Monat düsterer wurden, wurde klar, dass sich das Verfahren nicht vermeiden lässt. Politiker und die Kommission beschwichtigen seither die Folgen eines Defizitverfahrens: Neben Marterbauer betonte auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen kürzlich, er sehe „keinen Grund zur Panik“. 2028 will die Bundesregierung wieder aus dem EU-Defizitverfahren herauskommen.
Wäre zweites Defizitverfahren für Österreich
Wird ein Defizitverfahren eingeleitet, erstellen Brüssel und Wien gemeinsam einen Plan zum Abbau der Schulden. Es gibt Vorgaben, auf welches Niveau das Defizit im laufenden und im darauffolgenden Jahr gesenkt werden muss. Die Kommission zwingt Österreich dabei nicht zu konkreten Maßnahmen, diese schlägt das Land selbst vor.
Das Verfahren dauert in der Regel vier Jahre. Werden die Sparpläne nicht geschafft, kann es im schlimmsten Fall zu Geldstrafen kommen, was aber bisher noch nie vorgekommen ist. Für Österreich wäre es das zweite EU-Defizitverfahren: Das Erste war nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 eröffnet worden.
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