Festgefahrene Fronten bei der geplanten „Chatkontrolle“ der EU: Eigentlich hatten die EU-Kommission und Innenkommissarin Ylva Johansson gehofft, bis Jahresende einen Vorschlag für einen Gesetzesentwurf präsentieren zu können. Der Widerstand gegen ihren Plan, verschlüsselte Kommunikation aller EU-Bürger zu durchleuchten, wirft diesen Zeitplan aber nun nach hinten - und zwingt die Kommission, an einer Übergangslösung festzuhalten.
Als Reaktion auf die Veto-Androhung wichtiger EU-Staaten wie Deutschland sowie vom EU-Parlament geforderter Ausnahmen für Dienste mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wie Signal oder WhatsApp will die EU-Kommission die umstrittene Chatkontrolle vorerst auf freiwilliger Basis ermöglichen.
Datenschützer liefen gegen die als Instrument gegen Darstellungen von Kindesmissbrauch präsentierte Überwachungsmaßnahme Sturm, geißelten verpflichtende Scans als „Generalverdacht“ und werten nun das Festhalten an der Übergangslösung als Erfolg. Man rechne nicht mehr damit, dass es in der Angelegenheit vor der EU-Wahl 2024 zur Einigung komme, so die Bürgerrechts-NGO EDRi.
Freiwillige Scans werden verlängert
Innenkommissarin Johansson will es Internetplattformen wie Facebook, Instagram oder Snapchat angesichts des Widerstands nun für zwei weitere Jahre erlauben, private Botschaften oder Posts freiwillig auf anstößige Inhalte zu durchforsten. Ein Zwang zur Inspektion verschlüsselter Chats ist damit wieder vom Tisch. Die Verlängerung soll ab 4. August 2024 greifen.
Nach dem Willen von Johansson soll die freiwillige Zwischenlösung nun greifen, bis doch noch eine gesetzliche Grundlage gefunden ist. Dass dies noch vor der EU-Wahl im Juni 2024 der Fall sein wird, darf aber angesichts der großen Differenzen innerhalb der Union aber bezweifelt werden: Während einige Länder die Chatkontrolle unbedingt einführen wollen, drohen andere mit Verweis auf Schutz der Privatsphäre und Briefgeheimnis mit Veto.
Nationale Behörden wollen Überwachungsmöglichkeiten
Während die EU-Kommission ihre Pläne für die Überwachung verschlüsselter Kommunikation auf Eis legen muss, werben nationale Sicherheitsbehörden wie Österreichs Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN, das ehemalige Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung BVT) weiterhin dafür, verschlüsselte Messenger zu überwachen.
Vom Instagram-Mutterkonzern Meta verlangte die EU-Kommission indes Aufschluss, wie er gegen Sex-Bilder mit Minderjährigen vorgeht. Dafür setzte sie eine Frist bis zum 22. Dezember. Grundlage für die Anfrage ist ein seit August geltendes Gesetz zu digitalen Diensten. Damit will Brüssel auch gegen womöglich illegale Inhalte bei TikTok, Snapchat oder YouTube vorgehen.
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