Schauspielhaus Graz

Skurriler Spuk im kultigen TV-Krankenhaus

Kultur
21.01.2023 19:00

Regisseur Jan-Christoph Gockel bringt Lars von Triers Kult-TV-Serie „Das Reich: Hospital der Geister“ am Grazer Schauspielhaus als vierstündigen Theatermarathon auf die Bühne.

Eine taube und blinde Erzählerin (Tanja Hameter) und ihre Assistentin begrüßen das Publikum in der Welt des Reichshospitals in Kopenhagen. Schnell wird klar, dass es sich dabei um kein normales Krankenhaus handelt: Die Ärzte und Patienten sind ein skurriler Haufen an Existenzen, deren Behandlungen und Experimente ebenso schräg sind wie ihre Beziehungen und Leidenschaften. Die Grenze zwischen Gestern und heute, zwischen der realen Welt und der Welt der Geister ist brüchig geworden in dieser Anstalt.

Ein Zombie aus Horror und Humor
Mit der TV-Serie „Hospital der Geister“ haben Lars van Trier und Niels Vørsel in den 1990ern einen Kult-Klassiker geschaffen, in dem Horror und Humor sich zu einem genialen Zombie fügen. Jan-Christoph Gockel bringt die Serie als knapp vierstündigen Theatermarathon auf die Bühne - doch lange Zeit ist nicht so ganz klar warum.

Oliver Chomik, Florian Köhler und Alexej Lochmann (Bild: Lex Karelly)
Oliver Chomik, Florian Köhler und Alexej Lochmann

Die ersten zwei Stunden sind zwar unterhaltsam, aber so recht will man kein Gefühl dafür bekommen, was Gockel erreichen will, außer der Kult-Serie zu huldigen und deren Fans - und davon sitzen viele im Premierenpublikum - all die Szenen, auf die sie warten, zu liefern. Zudem setzt er anfangs exzessiv auf die Arbeit mit Live-Videos, was dem ganzen den Flair eines Reenactments verleiht.

Konzentration mit den Mitteln des Theaters
Erst in der zweiten Hälfte wird die Kamera abgelegt und man kommt von einer Nacherzählung zu einer Konzentration mit den Mitteln des Theaters. Und damit wird langsam auch der emotionale Kern der Dramatisierung freigelegt: Das Mischwesen aus Mensch und Monster, das im Hospital geboren und als überlebensgroße Puppe (Michael Pietsch) schon bald die Bühne dominieren wird, wirft große Fragen auf: Wie sieht ein lebenswertes Leben aus? Wer darf über ein solches bestimmen? Und welche Rolle spielt dabei das marode Gesundheitssystem?

Beatrice Frey mit einer der Puppen, die Michael Pietsch entworfen hat und auch zum Leben erweckt. (Bild: Lex Karelly)
Beatrice Frey mit einer der Puppen, die Michael Pietsch entworfen hat und auch zum Leben erweckt.

Diese Fragen bringen Brisanz in die serielle Huldigung: Wenn Darsteller Florian Finsterbusch etwa wenige Minuten, nachdem er als Gesundheitsminister auftrat, plötzlich als Gevatter Tod auf der Bühne steht, sorgt das für einen Lacher, der zugleich neue Lesarten des Stoffes öffnet. Und so manche scheinbar unnötige Szene der ersten Hälfte entpuppt sich - je näher man dem furiosen Ende kommt - doch noch als notwendig.

Gute Leistung des Ensembles
Getragen wird all das von einem Ensemble, das für Fans der TV-Serie vielleicht nicht an das kultige Original herankommen mag, in diesem Theatermarathon aber dennoch Großes leistet: Beatrice Frey als hypochondrische Patientin mit Riecher für Geister, Andri Schenardi als Pathologe, der in seinem Körper die Leber mit dem größten Karzinom der Welt züchten will, Lisa Birke Balzer als monsterhaft mitfühlsame Mutter oder Florian Köhler als liebestrunkener Neurochirurg, der zum Zombie mutiert, sind nur die Speerspitze dieser kollektiven Anstrengung.

Ganz im Sinne des Stoffes könnte man also zotig resümieren: Operation gelungen, Patient tot.

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