Live im Prater Dome

Badmómzjay: Deutschlands populärste Rapperin

Wien
15.07.2022 06:00

Jordan Napieray aka Badmómzjay ist die derzeit populärste Rapperin Deutschlands. Die 19-Jährige steht für Gleichberechtigung, LGBTQ-Rechte und Feminismus und tritt aktiv gegen Body Shaming an, nebenbei zierte sie das Cover der „Vogue“. Die Mischung aus ihrer Haltung und ihren durchdringenden Songs macht sie zu einer Ikone der Generation TikTok, die bereits an die 2,5 Millionen monatliche Hörer auf Spotify versammelt. Vor ihrem Auftritt heute Abend bei der kultigen „Juicy“-Reihe im Wiener Prater Dome sprachen wir mit ihr über ihren raketenhaften Aufstieg, was sie aus eigenen Fehlern gelernt hat und wie sie den Rap verändern will.

„Krone“: Jordan, du bist in den letzten Jahren extrem durchgestartet und gehörst zu den populärsten Rapperinnen Deutschlands. Wie geht es dir persönlich mit dem ganzen Trubel?
Jordan Napieray:
Es fühlt sich immer noch alles so surreal an. Du siehst bei Auftritten die vielen Leute und realisierst erst auf der Bühne, wie viele Menschen da überhaupt sind. Ich bin unheimlich dankbar für alles, was hier gerade passiert und man wächst mit der Zeit gut in die Situation hinein.

Im November 2021 hast du das Album „badmómz.“ veröffentlicht, mit dem es so richtig losging. Du schreibst aber auch unentwegt weiter an neuen Songs…
Wir haben schon mit dem zweiten Album begonnen, aber es gibt so viele Termine, die vorher noch zu erledigen sind. Es ist gerade sehr schwierig an den neuen Songs zu arbeiten, aber wir probieren auf jeden Fall unser Bestes.

Du bist gerade einmal 19 und hast eine sehr große Vorbildrolle für viele Mädchen und Frauen da draußen. Wie geht es dir abseits der Musik mit dieser Verantwortung?
Wenn ich draußen unterwegs bin, fällt mir oft auf, wie jung meine Hörerinnen eigentlich sind und dass sie zu mir aufschauen. Mir ist es daher wichtig, gute Messages zu verbreiten und mir zu überlegen, was ich ausstrahle. Andererseits bin ich aber auch kein Elternteil und muss bei mir selbst bleiben. Ich bin sehr freizügig und versuche bestmöglich die Mitte zu finden zwischen bei mir selbst zu bleiben und total frei zu reden, dabei aber doch ein gutes Vorbild zu sein.

Wie wichtig sind da Themen wie Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit, die du stark nach außen ausstrahlst?
Ich stehe vor allem für die Message „sei wie du bist“ und genauso lebe ich mein Leben auch. Ich bekomme viel Hate ab, aber ich verändere mich nicht, nur weil andere Leute das nicht mögen oder nicht sehen möchten. Das kommt für mich überhaupt nicht in Frage. Man muss nicht immer das Idealbild eines Körpers propagieren, denn die Wahrheit ist eine andere. Solche Botschaften will ich vermitteln.

Ein perfektes Beispiel für diese Message ist etwa dein Song „Checkst du?!“. Entstehen viele deiner Songs aus Wut und negativen Erfahrungen oder wartest du beim Songwriting darauf, dass die erste große Wut verraucht ist, bevor es ans Schreiben geht?
Bei mir sind alle Emotionen dabei, aber ich bin oft etwas wütend und genervt, woraus dann Songs entstehen. Das ist wichtig, denn so bringe ich die Emotionen ungefiltert rüber, wie ich sie fühle. Manchmal ist es aber auch gut, die Dinge zu reflektieren und eine Nacht darüber zu schlafen, weil dann alles nicht mehr ganz so schlimm ist, wie es vorher gewirkt hat. Prinzipiell entstehen die Songs aber schon aus echten Emotionen. Manchmal soll man einfach die erste Emotion mitnehmen.

Weiblicher Rap aus Deutschland und Österreich wird immer erfolgreicher und setzt sich zunehmend durch, weil auch die Qualität passt. Warum es so lange gedauert, die Männerdomäne zu durchbrechen?
Weil es so viele Männer in dem Genre gibt und sehr viel Hip-Hop und Rap von Männern gehört wird. Dazu gibt es immer noch fix verankerte Rollenbilder. Für viele Menschen ist es noch immer ungewohnt, wenn Frauen über bestimmte Themen rappen. Es hat wirklich ziemlich lange gedauert, aber jetzt sind wir teilweise schon erfolgreicher als die Männer.

Bestärkt ihr euch in der Szene untereinander? Befruchtet das die Kreativität, wenn eine andere Rapperin gerade einen grandiosen Song veröffentlicht hat?
Ich liebe es, wenn andere Frauen erfolgreich sind und unterstütze das so gut es geht. Es ist für uns alle wichtig, wenn wir bemerkt und gehört werden. Da herrscht überhaupt kein Neiddenken.

Du kriegst auch viel Lob von männlichen Rappern, andererseits prasselt auch ungemein viel Kritik auf dich ein. Wie gehst du damit um, dass du so kontroversiell aufgenommen wirst und sehr viel Gegenwind herrscht?
Es ist nicht immer einfach, aber ich bin mit dem Internet aufgewachsen und groß geworden - auch mit meiner Kunst. Ich bin es gewohnt, dass die Leute viel reden und viele Leute checken gar nicht, was sie da eigentlich sagen. Die Menschen labern viel, wenn der Tag lang und ihnen langweilig ist. Ich könnte auch überall Kommentare schreiben, aber ich konzentriere mich eher auf die Leute, die mir wohlgesinnt sind und die ich selbst unterstütze.

Du hast unterschiedliche lyrische Facetten. Der Song „Zimmer allein“ etwa ist ein verpacktes Dankeschön an deine Mama. Auch das wird von vielen Rappern kritisiert, die sich mit derartigen Emotionen schwertun. Fällt es auch dir schwerer, so einen Song zu schreiben als einen Battle-Rap-Track?
Auf jeden Fall. Die Emotionen auf den Tisch zu packen, vor allem dann, wenn es in die traurige Richtung geht, fällt mir schwerer, als Wut- oder Club-Tracks zu produzieren. Man ist dadurch sehr ehrlich und macht sich angreifbar. Solche Tracks sind aber auch sehr wichtig, weil die Fans sehen, dass jemand in ihrem Alter die gleichen Dinge durchmacht, wie sie selbst. Es ist schwer, aber wichtig.

Denkst du mit deiner Vorbildrolle auch an die Menschen, die deine Musik und deine Texte hören oder machst du dich komplett frei davon?
In erster Linie denke ich an mich und dass die Musik zu 100 Prozent mich ausdrückt. Mir ist es aber genauso wichtig, die Botschaften so zu adressieren, dass sich jeder damit identifizieren kann und alles verständlich ist.

Du warst im Frühling die erste Rapperin überhaupt, die das Cover der „Vogue“ zierte. Ist es gut, dass Rap nun langsam auch im Mainstream ankommt?
Es ist gut, wenn viele Communitys mit der Musik etwas anfangen oder darüber reden können. Damit merkst du, dass du jeden damit erreichen und mitnehmen kannst. Alle fühlen sich von dir und deinen Songs angesprochen, das ist ein sehr gutes Zeichen für das ganze Genre.

Glaubst du, dass dein Erfolg und dein Ruhm deine Texte verändern werden? Dass du andere Themen ansprechen oder dich anders in deinen Songs gebärden wirst?
Ich bin erst 19 und ich habe nie den Gedanken, dass ich irgendwann einmal nichts mehr zu sagen habe. Es passieren die ganze Zeit Sachen, die mich inspirieren. Im Frühling waren wir wieder auf Tour, woraus neue Ideen entstanden. Es tut sich jeden Tag etwas.

Kannst du dich noch mit den frühen Texten aus deiner Karriere identifizieren oder blickst du weniger gerne darauf zurück?
Manchmal ist es einfach situationsbedingt. Ich kann mich in jedes Lied hineinversetzen, weil es ja auch meine Geschichte ist, aber Vieles ist so lange her, dass man sich an den Punkt, an dem man damals war, gar nicht mehr wirklich zurückerinnern kann. Meine Songs haben sich immer gesteigert und den derzeitigen Level kann man mit damals nicht mehr vergleichen. Aber so wie es war, so war es auch richtig.

Du stehst als Künstlerin für totale Offenheit. Du unterstützt etwa aktiv die LGBTQ-Community und hast immer zugegeben, mit externen Songwritern zu arbeiten, denen du dadurch ganz uneigennützig auch eine Plattform gibst. Willst du ganz allgemein enttabuisieren?
Das ist mir sogar sehr wichtig. Ich halte nichts von Ghostwriting, wo man die Leute dahinter versteckt. Ich arbeite mit Menschen zusammen, die ich sehr schätze und die ich unterstützen möchte. Wir sind alle eine Familie und arbeiten miteinander. Ich würde niemals sagen, dass alles von mir ist, wenn das nicht stimmt. Das Songwriting ist in der Musikbranche gut angekommen, aber nach außen hin eher weniger. Es wird nicht so akzeptiert, wie es eigentlich sein sollte.

Werden Rap und Hip-Hop auch nach „badmómz.“ die Basis von deinem Sound bleiben, oder kannst du dir auch vorstellen, in eine andere Richtung abzurücken. Vielseitigkeit ist dir ja bekanntlich nicht fremd…
Ich mag es gar nicht, wenn mich die Leute als Sängerin bezeichnen. Ich singe nicht, ich rappe. Ich bin sehr vielfältig und viele Sachen von mir hören sich ganz anders an. Ich kann hoch singen, aggressiv singen und auch mal Chill-Parts einbauen. Ich kann viele andere Sachen machen, werde aber immer beim Rap bleiben. Man kann im Rap Dinge anders ausdrücken. Die Attitüde ist toll, alles hat unglaublich viel Energie und die Musik holt etwas anderes aus dir raus, als es andere Musikstile tun.

Welche Rapperinnen hörst du? Wer sind deine Idole?
Nicki Minaj. Ich bin mit ihr aufgewachsen und groß geworden und ich schätze sie bis heute. Sie hat immer alles anders gemacht als alle anderen. Sie hatte bunte Haare und lange Fingernägel. Das habe ich bei ihr das erste Mal gesehen und sie hat als Person sehr viele Türen geöffnet.

Würde das Genre Rap ganz allgemein mehr Gefühle vertragen?
Im Rap ist sehr viel sehr stumpf und es wäre toll, wenn sich die Menschen einmal öffnen, austauschen und über Dinge informieren würden. Es gibt zu viel Sexismus und Rassismus im Rap. Die Leute könnten sich weiterentwickeln und nach vorne schauen. Das würde der ganzen Szene sehr helfen. Jeder interpretiert die Dinge anders, aber ich finde es schön zu sehen, wie die Leute auf meine Songs ansprechen. Ich gebe meine Message, aber was die Leute daraus machen, das ist dann wieder ganz etwas anderes. Wichtig ist aber, dass die Songs sie berühren.

Gerade der Deutschrap ist durchzogen von Sexismus und veralteten Rollenbildern. Ein Thema, das immer stärker diskutiert wird. Wie weit darf Kunst gehen? Was ist noch okay und was nicht?
Am Ende des Tages ist es immer noch Rap und Kunst - das darf man nicht vergessen. Man darf das aber nicht als Ausrede verwenden. Manche sind offen sexistisch, homophob und rassistisch - das ist natürlich nicht alles Kunst. Es ist ein schwieriges Thema, das man von Fall zu Fall betrachten sollte. Man muss schon sehr gut aufpassen.

Geht im Deutschrap zu viel durch? Wird zu viel akzeptiert, was gar nicht in Ordnung ist?
Es geht viel zu viel durch. Die Leute werden bei den schlimmsten Dingen nicht nur nicht boykottiert, sondern teilweise auch noch aktiv unterstützt. Es geht definitiv viel zu viel in eine falsche Richtung.

Du bist durch deinen Song „Snow Bunny“ selbst ein gebranntes Kind. Was hast du aus diversen Fehlern für deine Karriere gelernt?
Ich habe gelernt, besser mit Fehlern umzugehen. In diesem Business kriegt man das schnell mit. Wir alle machen Fehler und man muss es einfach besser machen und weitermachen. Auch wenn es um Liveshows geht, fallen mir oft Dinge auf, die das Publikum gar nicht mitkriegt. Da wird dann einfach intern darüber geredet und diskutiert und beim nächsten Mal macht man es besser. Aus Fehlern muss man immer lernen.

Gibt es inhaltliche oder textliche Grenzen? Bereiche, in die du nicht unbedingt vordringen möchtest?
Eigentlich nicht. Wenn ich der Meinung bin, ich kann zu einem Thema etwas sagen und bin ausreichend darüber informiert, dann rede ich offen darüber.

Verfolgst du eigentlich auch die österreichische Rap-Szene?
Tatsächlich gar nicht. Wobei: Yung Hurn ist doch Wiener oder? RAF Camora doch auch. Sehr krass, da war ich mir auch nicht sicher. Newcomer kenne ich aber keine. Das zweite Album von mir wird jedenfalls hoffentlich einmal im Winter passieren.

Live im Prater Dome
Am Freitag, 15. Juli, tritt Badmómzjay im Wiener Prater Dome auf. Ebenfalls on stage sind u.a. Mosaken, Mastercash, G-Dugz oder C Black. Unter www.praterdome.at gibt es alle weiteren Infos zum „Juicy! Bigger And Better Special“ im Herzen von Wien.

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