IWF im Umbruch

Auf Strauss-Kahn-Nachfolger wartet Mammutaufgabe

Ausland
19.05.2011 14:18
Das Gerangel um die Nachfolge von Dominique Strauss-Kahn als IWF-Chef ist nach dessen Rücktritt aufgrund der New Yorker Sex-Affäre in vollem Gange. Die Europäer verweisen auf die Tradition, wonach sie den IWF und die Amerikaner die Weltbank führen. Die Schwellenländer hingegen wollen den Chefsessel der mächtigen globalen Finanzinstitution erstmals aus ihren Reihen besetzen. Doch wer auch immer dem Franzosen nachfolgt, auf ihn oder sie wartet eine Mammutaufgabe.

Den IWF, hinter dem 187 Mitgliedsländer stehen, als Keimzelle einer irgendwann möglichen Weltwirtschaftsregierung zu begreifen, wäre sicher übertrieben. "Aber im Wettbewerb, der wichtigste institutionelle Berater der Weltwirtschaftspolitik zu sein, liegt der IWF wohl vorne", sagte kürzlich der deutsche Wirtschafts- und Finanzexperte Bernd Pfaffenbach. Strauss-Kahn gab dieser Rolle in den vergangenen drei Jahren mit Charisma, Kompetenz und Weltläufigkeit ein Gesicht - weit stärker als seine Vorgänger Rodrigo Rato oder auch Horst Köhler, der anschließend deutscher Bundespräsident wurde. Damit stärkte der Franzose auch das Selbstbewusstsein des IWF mit seinen gut 2.400 Mitarbeitern aus aller Herren Länder.

Schon die traditionellen Aufgaben des Fonds sind anspruchsvoll und haben in den Krisenjahren noch an Gewicht gewonnen. Es geht um die Aufsicht über das Weltwährungssystem und die globale Finanzstabilität, um technische Unterstützungen für Länder beim Management ihrer Wirtschaft und um Kredithilfen. Es war diese Finanzhelferfunktion für Problemländer in Asien und Lateinamerika, die dem Fonds in den 80er- und 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts wegen seiner harschen Sparauflagen in vielen Schwellenländern einen schlechten Ruf verschafften.

Schwerpunkt der Hilfen liegt nun auf Europa
Inzwischen ist der Kredithilfe-Topf des IWF auf gut eine Dreiviertelbillion Dollar aufgestockt worden, und der Schwerpunkt der Hilfen hat sich nach Europa verschoben - nicht nur zu den Euro-Krisenländern. Auf der Schuldnerliste stehen nicht nur Griechenland, Irland und bald Portugal. Auch Island, Litauen, Rumänien, Georgien und die Ukraine finden sich darauf - neben Ländern aus anderen Erdteilen. Europa wünscht sich daher, dass der neue IWF-Chef die Lage auf dem "alten Kontinent" sehr gut kennen sollte - also am besten ein Europäer ist.

Der IWF hat aber auch viele andere Aufgaben von der Weltgemeinschaft zugewiesen bekommen, vor allem von der Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländern, den G-20. Neue Kreditlinien wurden geschaffen, etwa zur Vorbeugung von Krisen. Bei den Hilfeauflagen werden inzwischen auch sozialpolitische Aspekte einbezogen. Zudem erhielt der IWF eine Schlüsselrolle in den neuen wirtschaftspolitischen Abstimmungsprozessen zwischen den großen Wirtschaftsnationen, an deren Ende eine ausbalancierte, widerstandsfähigere Weltwirtschaft stehen soll. Zuletzt soll der Fonds bei der Reform des Weltwährungssystems aktiv mitarbeiten und ein Rahmenwerk für den Umgang mit Kapitalflüssen entwickeln.

Gleichzeitig ist der IWF-interne Anpassungsprozess an die neuen weltwirtschaftlichen Kräfteverhältnisse noch nicht abgeschlossen. Zwar wurde erst kürzlich das Gewicht von bedeutenden Schwellenländern, vor allem China, im Fonds gestärkt. Doch immer noch dominieren die USA - der größte Anteilseigner mit einer Sperrminorität für wichtige Entscheidungen - und die Europäer in den Führungs- und Entscheidungsgremien, sofern sie gemeinsam handeln. Sollte der Nachfolger von Strauss-Kahn wieder aus Europa kommen, wird dies ein Ausweis weiterer Reformnotwendigkeiten sein.

Wer wen auf dem IWF-Chefposten sehen will
Doch vielleicht kommt es ohnehin nicht dazu, denn die Schwellenländer begehren auf und wollen unbedingt einen aus ihren Reihen an der Spitze der mächtigen Finanzinstitution sehen. Damit würde die seit Jahrzehnten geltende Übereinkunft gesprengt, wonach ein Europäer den IWF und ein Amerikaner die Weltbank führt. Im Folgenden ein Überblick über die Interessenlage einflussreicher Länder:

  • Deutschland: Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte schon am Montag die Nachfolgediskussion eröffnet. "Wir wissen, dass auf mittlere Zeiträume sicherlich die Schwellenländer auch Anspruch haben, sowohl auf den Posten des IWF-Chefs als auch auf den Posten des Weltbank-Chefs", sagte Merkel. "Ich glaube allerdings, dass es in der jetzigen Phase gute Gründe gibt, dass Europa auch gute Kandidaten zur Verfügung hat." Am Donnerstag bekräftigte sie ihre Position und verwies explizit darauf, dass die Amtszeit von Strauss-Kahn noch nicht beendet war. Das könne auch ein "Argument in Richtung der Schwellenländer sein, sich vielleicht einem solchen Gedanken zu öffnen", deutete sie ihre Strategie an. Deutschland kann ein gewichtiges Wort mitreden: Mit 5,8 Prozent hat die Bundesrepublik nach den USA, Japan und China den vierthöchsten Stimmenanteil im IWF.
  • USA: Gegen den Willen der USA wird niemand IWF-Chef. Der Grund: Die Vereinigten Staaten sind größter Geldgeber des Fonds und vereinen deshalb mit 16,7 Prozent auch die meisten Stimmenrechte. Da wichtige Entscheidungen wie die Besetzung des Chefpostens mit einer Mehrheit von 85 Prozent getroffen werden müssen, verfügen die USA über eine Sperrminorität. Finanzminister Timothy Geithner machte klar, dass die USA wie bisher den stellvertretenden Chef stellen werden. Derzeit besetzt John Lipsky diesen Posten, will ihn aber am 31. August nach fünfjähriger Amtszeit abgeben.
  • Japan: Der nach den USA zweitgrößte IWF-Kapitalgeber hat sich noch nicht eindeutig in der Kandidatenfrage positioniert. Finanzminister Yoshihiko Noda mahnte lediglich eine "offene und transparente" Entscheidungsfindung an. Auf die Frage, ob der neue Chef aus Europa oder den Schwellenländern kommen solle, sagte Noda lediglich, dass der fachlich beste Kandidaten das Rennen machen solle.
  • China: China hat den Führungsanspruch der Schwellenländer unterstrichen. "Im Prinzip glauben wir, dass Schwellen- und Entwicklungsländer in Spitzenpositionen vertreten sein sollten", sagte eine Sprecherin des Außenministeriums. Die Auswahl eines Kandidaten sollte auf Kriterien wie Leistung, Transparenz und Fairness basieren. China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und hat nach den USA und Japan die meisten Stimmen beim IWF.
  • Frankreich: Frankreich macht sich dafür stark, dass die Europäer mit einer Stimme sprechen. "Jeder Kandidat, wer auch immer das sein mag, muss von den Europäern gemeinsam kommen", sagte Finanzministerin Chrstine Lagarde. "Jede Kandidatur sollte die europäische Unterstützung haben." Lagarde selbst wird als Kandidatin für die Nachfolge ihres Landsmannes gehandelt.
  • Brasilien: Auch Brasilien pocht auf einen Nachfolger aus dem Kreis der Schwellenländer. "Wir glauben, dass Indien und Brasilien gute Optionen wären", sagte ein Regierungsvertreter, der anonym bleiben wollte, zur Nachrichtenagentur Reuters. Man werde aber keinen Druck ausüben. Brasiliens Finanzminister Guido Mantega wiederholte, der nächste IWF-Chef solle auf Grundlage seiner Eignung und nicht seiner Nationalität ausgewählt werden. Brasilien gehört zu den zehn größten Kapitalgebern des IWF und verfügt über entsprechend viele Stimmrechte.
  • Kanada: Als bisher einziges großes Industrieland hat sich Kanada für ein offenes Auswahlverfahren ausgesprochen. "Wir haben immer die Position vertreten, dass es einen offenen Wettbewerb geben sollte, wenn es eine freie Stelle gibt", sagte Finanzminister Jim Flaherty.
  • Südafrika: Die Regierung fordert einen Kandidaten aus den Schwellenländern. "Institutionen wie der IWF müssen reformiert werden, um glaubwürdig zu werden", sagte Finanzminister Pavin Gordhan. "Und um glaubwürdig zu sein, müssen sie die Interessen und Stimmen aller Länder widerspiegeln - nicht nur die einiger Industriestaaten. Vor diesem Hintergrund fordert Südafrika, dass einem Kandidaten aus den Schwellenländern die Möglichkeit gegeben wird, Geschäftsführender Direktor des IWF zu werden." Südafrika ist das einflussreichste afrikanische Land im IWF.
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