Vorreiter und Vorbild

Baltenrepublik: Im Land der digitalen Träume

Politik
08.09.2021 06:00

Die kleine Baltenrepublik Estland hat sich schon früh der Digitalisierung verschrieben und gilt heute als Vorreiter und Vorbild in Europa. Nur zwei Dinge sind online nicht möglich: Eheschließungen und Scheidungen.

Per Hand unterschreiben? Mit einem Stift auf Papier? „Nein, das kennen wir schon lange nicht mehr“, sagt Maris Orav vom Schulungszentrum für den digitalen Staat in Tallinn – und lächelt, weil die Besucher das hier so Selbstverständliche bestaunen. Im hohen Norden Europas geht alles mit einem kleinen Klick, als Schlüssel zu mehr als 3000 Dienstleistungen dient die mobile Bürgerkarte, diese ist Ausweis, Versicherten- und Bankkarte und vieles, vieles mehr.

Kein Anstellen, kein Warten
Kommt ein Baby zur Welt, meldet das Krankenhaus den Nachwuchs bei den Behörden an, gleichzeitig erfolgt die Anmeldung bei der Krankenversicherung (es gibt nur eine) und die Registrierung von Sozialleistungen wie etwa dem Kindergeld. In einem E-Mail werden die Eltern über ihre Ansprüche informiert. Bestätigen diese das Schreiben, wird der Antrag automatisch bei den Behörden erstellt. Ohne Gang zum Amt, ohne Anstellen, ohne Warten.

Hälfte der Bevölkerung wählt auch online
Auch gewählt wird längst online, knapp die Hälfte der Stimmen wurde beim letzten Urnengang digital abgegeben. In Österreich ist das kein Thema, wie Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck betont: „Das ist nicht meine oberste Priorität.“

Nur zwei Dinge funktionieren in Estland noch auf die altmodische Art: die Hochzeit und die Scheidung. Bis vor Kurzem mussten die Esten auch für den Kauf einer Immobilie aufs Amt, aber selbst das ist mittlerweile digital möglich.

Aus der Not eine Tugend gemacht
Die estnische Vorreiterrolle wurde aus der Not geboren: Nach der Erlangung der Unabhängigkeit von Russland im Jahr 1991 war schlicht kein Geld für einen großen Staatsapparat da. Das Land ist dünn besiedelt, Behörden in allen Bezirken wären zu teuer gekommen und es gab keine Strukturen, die umgekrempelt werden mussten, es wurde gleich auf die Digitalisierung gesetzt.

Der Erfolg gibt den Esten recht. Klagen hört man eigentlich nur, wenn es um Geschäfte mit dem Ausland geht. Da müssen dann noch Papiere gescannt, hin- und hergeschickt und per Hand unterschrieben werden.

Viele Fans: Von Angela Merkel bis zum Papst
Estland hat gerade einmal 1,3 Millionen Einwohner. Den digitalen Service können jedoch wesentlich mehr Menschen nutzen. Das Land bietet seit dem Jahr 2014 einen sogenannten elektronischen Wohnsitz an, die elektronischen Bürger erhalten freilich keine Staatsbürgerschaft, aber sie können sämtlichen digitalen Service in Anspruch nehmen. Einige Hundert Österreicher haben ihren Online-Wohnsitz bereits in Estland, ebenso wie die scheidende deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der Papst.

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