Skandal um Spionin

Ärger über Türkei: „Völlig falsche Interpretation“

Politik
02.09.2020 16:42

Die ohnehin seit Jahren angespannten Beziehungen zwischen Wien und Ankara werden aktuell durch einen brisanten Spionagefall zusätzlich belastet. Wie Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Dienstag kundtat, hat eine Frau gestanden, im Sinne des türkischen Geheimdiensts in Österreich gespitzelt zu haben. Eine Anklage stehe bevor (siehe Video oben). Das türkische Außenministerium sprach dagegen von „unbegründeten Behauptungen“. Nehammers Reaktion darauf ließ nicht lange auf sich warten: Er sieht eine „völlig falsche Interpretation der Umstände“.

Bei dem am Dienstag von Nehammer bekannt gemachten Fall einer mutmaßlichen türkischen Spionin (eine Oberösterreicherin mit türkischen Wurzeln) soll es sich um eine Person handeln, die zuvor in türkischem Gewahrsam gesessen sei. Sie sei mit den dortigen Behörden einen Deal eingegangen und habe sich für ihre Freilassung dazu verpflichtet, in Österreich lebende Menschen türkischer Herkunft bzw. Staatsbürgerschaft zu bespitzeln. Nehammer betonte, dass türkische Spionage in Österreich „keinen Platz“ habe.

Bereits Anfang Juli vermutete Nehammer hinter den Krawallen bei Demonstrationen in Wien-Favoriten einen Einfluss aus der Türkei. Daraufhin wurden Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter rekrutiert, um der Sache auf den Grund zu gehen.

Ankara wirft Wien „Anti-Türkei-Besessenheit“ vor
Am Mittwoch meldete sich das türkische Außenministerium erstmals zu den Spionagevorwürfen zu Wort. Ankara weise die „unbegründeten Behauptungen“ zurück, erklärte der Sprecher Hami Aksoy laut Nachrichtenagentur Reuters. Wien sei nicht in der Lage „der populistischen Rhetorik und seiner Anti-Türkei-Besessenheit zu entkommen“. Und er fügte hinzu: „Wir fordern die österreichische Regierung nachdrücklich auf, die Verfolgung der künstlichen Agenda mit flachen und innenpolitischen Berechnungen über die Türkei einzustellen und mit staatlichem Ernst, gesundem Menschenverstand und aufrichtiger Zusammenarbeit zu handeln.“

Nehammer kritisiert türkisches Außenministerium
Nehammer stieß diese Kritik aus Ankara sauer auf. Es sieht eine „völlig falsche Interpretation der Umstände“. Die Regierung schütze und gewährleiste die Ausübung der Grund- und Freiheitsrechte aller Menschen, die in Österreich lebten - ohne Unterscheidung ihrer Herkunft oder Religion. „Wer sich mit unseren demokratischen Grundwerten identifiziert, ist Teil der Gesellschaft und genieße den Schutz der österreichischen Behörden“, so der Innenminister. 

Außenamt: Elf Österreicher in türkischer Haft
Interessant: Wie das Außenministerium am Mittwoch mitteilte, sitzen derzeit elf österreichische Staatsbürger in türkischer Haft. Weitere 16 Österreicher seien auf freiem Fuß mit einem Ausreiseverbot belegt, hieß es. Konsularischer Schutz könne nur mit ausdrücklicher Zustimmung der inhaftierten Personen gewährt werden, teilte eine Sprecherin des Ministeriums weiter mit. Für Doppelstaatsbürger seien die Möglichkeiten des konsularischen Schutzes stark eingeschränkt.

Experte: „Mehrere Dutzend“ Ermittlungen
Die österreichischen Sicherheitsbehörden wiederum ermitteln nach Einschätzung des Extremismus-Experten Thomas Rammerstorfer „gegen mehrere Dutzend“ Personen wegen Spionage für die Türkei. Die türkische Spionagetätigkeit in der Community in Österreich sei „seit vielen Jahren ein offenes Geheimnis“, sagte Rammerstofer, der unter anderem intensiv über die rechtsextremistischen Grauen Wölfe geforscht hat. „Was ein bisschen neu ist, ist die Methode, dass man gezielt Leute anwerben wollte, die inhaftiert waren.“

Rammerstorfer wies darauf hin, dass Grenzen zwischen Spionen und Informanten verschwimmen. So gebe es Leute, die für die AKP und die Grauen Wölfe lobbyieren und in Kontakt mit Diplomaten seien. Dann gebe es aber auch „Aktivbürger“, die etwa per App regierungskritische Postings in sozialen Medien melden würden.

Die in Österreich gesammelten Informationen würden dann auch zu Festnahmen in der Türkei führen. „Von den Menschen, die in den letzten drei, vier Jahren inhaftiert wurden, sind viele, denen bei den Verhören gesagt wurde: ,Wir haben Informationen aus Wels, Linz und so weiter‘“, berichtete Rammerstorfer.

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