Mit dem Huawei Mate XS gibt es seit kurzem ein weiteres Falt-Smartphone in Österreich zu kaufen. Das Gerät wird vom Smartphone zum Tablet aufgeklappt und ist außen komplett mit Display überzogen. Das geht mit einer gewissen Zerbrechlichkeit einher, weshalb Huawei einen aufklebbaren String-Tanga von einer Hülle beilegt, der zumindest die Kanten ein wenig schützt. Wir haben das Falt-Smartphone Mate XS ausprobiert.
Huaweis erstes Falt-Smartphone ist mehr Technikdemo denn Massenphänomen. Sicher, der Show-Effekt ist gewaltig, wenn man das Knöpfchen an der Rückseite drückt, das Spezialscharnier aufspringt und man aus dem Smartphone im Handumdrehen ein quadratisches Tablet macht. Aber bei 2500 Euro Anschaffungskosten und fragwürdiger Haltbarkeit werden die meisten erst einmal schlucken.
Das Grundrezept des Gerätes: Das fast quadratische biegsame Display mit 2480 mal 2200 Pixeln Auflösung ist acht Zoll groß, also im Grunde wie ein kleines Tablet, und überzieht das Gerät an der Außenseite. Die komplette Fläche wird aber nur im Tablet-Modus genutzt: Zusammengeklappt hat man es mit einem 6,6-Zoll-Smartphone im Breitbildformat mit 2480 mal 1148 Pixeln zu tun - etwas dicker und schwerer, aber im Prinzip ein gängiger Smartphone-Formfaktor.
Gute Bildqualität - mit einigen Besonderheiten
Knackpunkt des Mate XS ist das flexible OLED-Display. Das erfreut das Auge zwar mit intensiven Farben, tollen Kontrasten, sattem Schwarz, guter seitlicher Ablesbarkeit und hoher Helligkeit. Es ist aber nicht, wie sonst bei Smartphones üblich, von Glas geschützt, sondern von einer stark spiegelnden Kunststoff-Folie - und trotzdem permanenter Beanspruchung ausgesetzt, weil es das Gerät außen überzieht.
Weitere Besonderheiten des flexiblen Bildschirms: An der Faltstelle hat man eine leichte Wellung, die bei Benutzung aber zumeist überstrahlt wird. Und die Gleiteigenschaften entsprechen nicht ganz denen von Glas, der Nutzer ist auf Plastik mit etwas mehr Widerstand konfrontiert.
Gepolsterte Tasche ist Pflicht
Legt man das Mate XS im Smartphone-Modus auf den Tisch, liegt es automatisch am Display. Kein Wunder, dass das von uns getestete Exemplar schon ein paar Kratzer hatte - es ging schon durch einige Testerhände, und dazwischen lag es am Display auf dem Tisch. Es ist eine Problematik, derer wohl nur Herr wird, wer das Smartphone in einem gepolsterten Tascherl mitführt. Das Allernötigste bedeckende Silikonhüllen, wie sie Huawei mitliefert, lassen immer noch viel Angriffsfläche.
Das Scharnier, das die beiden Hälften des Mate XS zusammenhält, hat Huawei seit Prototypentagen konsequent weiterentwickelt, im Test machte es einen guten Eindruck. Kein lautes Knarzen, nur mehr leise macht sich die komplizierte Mechanik unter dem Bildschirm bemerkbar. Aber auch hier gilt: Bei Langzeitnutzung hat man es mit einer möglichen Schwachstelle zu tun.
Huawei Mate XS | |
CPU | HiSilicon Kirin 990: |
RAM | 8 GB |
Bildschirme | Tablet-Modus: 8 Zoll (2480 x 2000) |
Diagonale | 6,6 - 8 Zoll (OLED) |
Kameras | 40 MP (F/1.8): Phase-Detection-, Laser- und Kontrast-Autofokus |
Frontkamera | Hauptkamera nutzbar |
Speicher | 512 GB |
Speicherkarten-Slot | bis 256 GB (proprietär) |
Funk | 5G, LTE, .ac-WLAN, Bluetooth 5.0, NFC, Infrarot, GPS, GLONASS, BeiDou, Galileo, QZSS |
Akku | 4500 mAh (lädt via USB-C) |
Extras | Flexibler OLED-Bildschirm |
Software | Android 10 (ohne Play Store) |
Preis | Ab 2500 Euro |
Neueste Smartphone-Technik an Bord
Die Smartphone-Technik im Huawei Mate XS ist, standesgemäß für eine Technologiedemo, vom Allerfeinsten. Huawei verbaut den Top-Prozessor Kirin 990 der hauseigenen Prozessorschmiede HiSilicon, der einerseits 5G-Funk mitbringt und andererseits mehr als genug Leistung für jegliches Anwendungsszenario bietet.
Ob man heute schon 5G-Funk braucht, darüber ließe es sich streiten. Die Netze reifen noch, die Tarife sind schwindelerregend teuer. Andererseits: Wer 2500 Euro für ein Smartphone auf den Tisch legt, wird vermutlich auch früh den kommenden Datenturbo 5G adaptieren.
Sehr gute computerunterstützte Kamera
Von den Qualitäten der Kamera hat jeder etwas: Huawei verbaut ein Kamera-Gespann, das jenem des P30 Pro ähnelt - und das gilt bis heute als eines der besten Foto-Smartphones. Die lichtstarke (F/1.8) Hauptkamera mit Leica-Branding stellt schnell scharf und liefert flott und unkompliziert detailreiche Ergebnisse - auch, wenn die Lichtverhältnisse nicht so toll sind.
Algorithmen zur Bildverbesserung helfen mit Motiverkennung oder Verwacklungsreduktion, die Zusatz-Linsen erhöhen die Flexibilität und für Selfies dreht man einfach das Gerät um - die Kamera-App wechselt zuverlässig auf die Geräterückseite mit dem Kamera-Streifen, die ja eben auch zum Großteil ein Display ist. Kurzum: Eine Kompaktkamera braucht der Besitzer eines Mate XS nicht mehr.
Akku reicht in den meisten Fällen für einen Tag
Den Akku des Mate XS wird man unserer Erfahrung nach täglich aufladen. Spieler werden vielleicht sogar untertags nachladen. Der zweigeteilte 4500-mAh-Akku würde bei einem normalen Smartphone für gute Laufzeiten sorgen, je mehr der Tablet-Modus genutzt wird, desto kürzer aber die Laufzeiten. Dafür lädt er aber auch schnell: Das 55-Watt-Netzteil lud das Gerät im Test in unter einer Stunde vollständig auf.
Im Handling als Smartphone schlägt sich das Mate XS grundsätzlich gut: In den allermeisten Situationen kommt man mit dem halben Display gut zurande und braucht den Tablet-Modus gar nicht. Nur etwas schwer - etwa ein Drittel mehr als normale Geräte - ist das 300-Gramm-Smartphone, das merkt man in der Hosentasche. Im Tablet-Modus erwies sich im Test der etwas dickere Streifen, in dem Kamera und Fingerscanner untergebracht sind, als ergonomischer Haltegriff.
Zusätzliche Diagonale wird klug ausgenutzt
Den Tablet-Betrieb nutzt das mit Huaweis EMUI-Interface überzogene Android 10 gut aus - etwa mit einem Multi-Tasking-Modus, der zwei Apps gleichzeitig darstellt, was auf dem quadratischen Display gut funktioniert. Beim Lesen profitiert man von der schieren Fläche, bei manch anderer Tätigkeit - etwa Breitbildvideos - ist das ungewöhnliche Format wiederum nachteilig.
Trotzdem: Die Möglichkeiten des aufgeklappten Bildschirms sind nicht nur eindrucksvoll, sondern tatsächlich praktisch, erspart man sich doch im Grunde ein zweites Gerät. In manchen Details gibt es freilich auch noch Verbesserungsmöglichkeiten. So könnte sich manch ein Nutzer im Tablet-Modus eine zweigeteilte Tastatur wünschen, wie man sie bei Samsungs Galaxy Fold findet. Kann man zur Not aber auch selbst nachinstallieren.
Sanktioniertes Android ohne Google Play Store
Ein „Dealbreaker“ für viele Nutzer könnte - wenn es schon der Preis und die Haltbarkeit nicht sind - der Umstand sein, dass Huaweis Android-Installation ohne Google-Dienste auskommen muss, weil die Chinesen diese aufgrund von US-Wirtschaftssanktionen derzeit nicht vorinstallieren dürfen.
Vor allem der Google Play Store wird vielen Nutzern fehlen, immerhin ist die Auswahl in Huaweis eigener App Gallery noch sehr dünn und das Nachinstallieren des Play Stores sollten nur versierte Android-Kenner in Erwägung ziehen, die sich nicht vor tiefen Eingriffen in die Software und auch nicht vor Garantieverlust scheuen.
Auch bei Apps, die auf den ersten Blick gar nichts mit Google zu tun haben, aber an Googles Programmierschnittstellen oder mitgelieferte Bibliotheken anknüpfen, kann es zu gehörigen Problemen kommen. Netflix brachten wir gar nicht zum Laufen. Kurzum: Huaweis Android ist derzeit mit größter Vorsicht zu genießen, Einsteigern raten wir vom Kauf ab.
Fazit: Imposant, aber die Technik muss reifen
Einem gewaltigen Wow-Effekt bei jedem Aufklappen stehen beim Huawei Mate XS Einschränkungen gegenüber, die es wenig alltagstauglich machen. Das Display ist beeindruckend, aber auch enorm anfällig für Kratzer. Das Scharnier ist im jahrelangen Einsatz eine potenzielle Bruchstelle. Der App-Mangel durch den fehlenden Play Store und ein Preis von 2500 Euro tun ihr Übriges dafür, dass wir derzeit nicht zum Kauf raten würden.
Letztlich ist das Mate XS aber ohnehin nichts für die Masse, sondern ein teurer und nicht zwingend praktischer Blick in die Zukunft. Wie bei der Konkurrenz braucht es auch bei Huawei noch eine Reifephase, in der die Haltbarkeit solcher Geräte steigen und der Preis sinken muss, bevor Falt-Smartphones massentauglich werden.
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