In den letzten Jahren gab es für Gamer, die anderen gern beim Spielen zusehen, eine zentrale Anlaufstelle: die mittlerweile zu Amazon gehörende Plattform Twitch. Doch die Allmacht, die sich der Dienst über die Jahre aufgebaut hat, bröckelt. Der Abgang des „Fortnite“-Superstars Tyler „Ninja“ Blevins war da wohl nur der Anfang …
Mittlerweile buhlen neben Twitch mehrere große Dienste um die Aufmerksamkeit derer, die sich die Zeit mit dem Konsum von Gaming-Livestreams vertreiben. YouTube bietet schon länger einen Gaming-Bereich mit entsprechenden Live-Streams, Microsofts Live-Plattform Mixer hat sich im vergangenen Jahr gut entwickelt und auch die Datenkrake Facebook will ihren Teil vom Live-Gaming-Kuchen.
„Ninja“-Abgang war PR-Flop für Twitch
In diesem sich verschärfenden Krieg der Spiele-Streamer sind die großen Stars der Szene eine wertvolle Währung. Und sie zeigen sich mit Twitch zunehmend unzufrieden - allen voran „Fortnite“-Star „Ninja“. Der erklärte kürzlich im Interview, er habe von Twitch bloß „etwas mehr Freiheit“ gefordert, nach monatelangen Verhandlungen aber frustriert das Handtuch geworfen. Binnen zwei Wochen war ein Deal mit dem Microsoft-Konkurrenzdienst Mixer ausgehandelt und der populäre „Fortnite“-Gamer wechselte dorthin.
Twitchs anschließende Reaktion habe das Ansehen des Dienstes bei den Nutzern nicht unbedingt gesteigert, analysiert „Engadget“. Erst flutete man den aufgelassenen Twitch-Channel von Ninja mit Werbung für andere „Fortnite“-Streamer, dann tauchte dort auch noch Reklame für Porno-Streams auf. Via Twitter äußerte „Ninja“, der ein familienfreundliches Image pflegt, seinen Unmut und sein Bedauern darüber. Später entschuldigte sich das Twitch-Management, doch der Imageschaden war schon angerichtet.
Rivalen sichern sich Stars mit Exklusiv-Deals
Beim Rivalen Mixer nutzte man das Momentum und lockte mit Sonderangeboten für werbefreien Zugang und dem zugkräftigen „Fortnite“-Star schon in der ersten Woche eine Million Gamer zu dem Dienst. Andere beliebte Streamer folgten „Ninjas“ Beispiel und wechselten von Twitch zur Konkurrenz - sei es Microsofts Mixer, YouTube Gaming oder Facebook Gaming, wo man gerade erst die populäre und für Gaming in leichter Bekleidung bekannte „Fortnite“-Streamerin Corinna Kopf („Pouty Girl“) für einen Exklusiv-Deal gewonnen hat.
Die Abwanderung der Szene-Stars ist für Twitch gefährlich, immerhin waren sie es, die die Plattform so groß gemacht haben. Doch auch sie sehnen sich nach finanzieller Sicherheit, wollen nicht vom einzelnen Stream abhängig sein - und sind damit empfänglich für Exklusiv-Deals anderer Plattformen, die hohe Einmal- oder geringere monatliche Zahlungen abseits von Werbeerlösen oder Nutzerspenden mit sich bringen. „Engadget“ zitiert in diesem Zusammenhang Devin Nash, Manager einer Influencer-Agentur: „Das gibt ihnen ein zusätzliches Sicherheitsnetz. Sie ändern ihre Art, Geld zu machen.“
Reichweite ist für Streaming-Stars nicht alles
Dafür sind die Streamer auch bereit, Einbußen bei ihrer Reichweite in Kauf zu nehmen. Bei „Ninja“ sahen auf Twitch im Schnitt 30.000 Menschen beim „Fortnite“-Spielen zu, auf Microsofts Mixer sind es nur mehr 10.000. Überhaupt ist Twitch nach wie vor der Streaming-Platzhirsch, hatte laut dem Blog „StreamElements“ im dritten Jahresviertel 2019 einen Marktanteil von über 75 Prozent, während YouTube Gaming auf 17,6, Facebook Gaming auf 3,7 und Mixer auf 3,2 Prozent kamen. Doch Marktanteile können sich in der IT-Welt schnell ändern - ein großer Exodus der Streaming-Stars bei Twitch könnte deren Anhänger in Scharen zur Konkurrenz treiben.
Für Twitch wird es 2020 ungemütlicher
Hinzu kommt die Marktmacht der Konkurrenten: Google stellt Twitch mit YouTube einen Streaming-Giganten entgegen, der mit beträchtlichen Mitteln ausgestattet ist. Microsoft könnte bei seiner nächsten Xbox - der Controller soll mit einem „Share“-Knopf für Streamer ausgestattet sein - den hauseigenen Dienst Mixer tief ins System integrieren und den Rivalen Twitch eher stiefmütterlich behandeln und auf diesem Weg Nutzer gewinnen. Auch Facebooks Finanzkraft sollte man bei Twitch nicht unterschätzen. Will Twitch seine aktuelle Bedeutung am Streaming-Markt behalten, wird die Amazon-Tochter im neuen Jahr deutlich mehr unternehmen müssen, um ihre Stars zu halten und gegen die potenten neuen Rivalen zu bestehen.
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