Staatssekretäre weg

Brexit-Chaos: Londoner Parlament entmachtet May!

Ausland
26.03.2019 06:07

Das britische Parlament hat der Regierung die Kontrolle über den Brexit-Prozess abgerungen. Die Abgeordneten stimmten am späten Montagabend mit 329 zu 302 für einen Antrag, der ihnen gegen den Willen von Premierministerin Theresa May vorübergehend mehr Einfluss auf das weitere Vorgehen im Ringen um den Brexit-Kurs verschafft. Zudem traten drei Staatssekretäre der May-Regierung zurück. Am Mittwoch wird nun über Alternativen zu Mays Deal mit der EU abgestimmt - freilich gegen den Willen der Noch-Premierministerin. Damit ist weiter völlig offen, wann, wie oder gar ob es überhaupt zum Brexit kommt. 

Die Abstimmung zeigte, wie sehr May selbst in den eigenen Reihen an Autorität eingebüßt hat. Rund 30 Abgeordnete von Mays Konservativer Partei stimmten für die Vorlage, darunter auch drei Staatssekretäre. Alistair Burt (Außenpolitik), Richard Harrington (Industrie) und Steve Brine (Gesundheit) erklärten danach aus Protest gegen die Haltung der Regierung ihren Rücktritt. Harrington, der dies via Twitter bekannt gab, warf der Regierung vor, „Roulette“ mit dem Schicksal der Bevölkerung zu spielen. Er wolle alles ihm Mögliche unternehmen, um einen EU-Austritt Großbritanniens ohne Abkommen zu verhindern.

May spricht von „Probeabstimmungen“
May erklärte, dass es sich am Mittwoch lediglich um „Probeabstimmungen“ handle, an deren Ergebnis sie nicht gebunden sei. Dennoch würden die Abstimmungen erhebliches politisches Gewicht haben und den Druck auf die Premierministerin erhöhen.

Wie lange hält sich die Premierministerin noch?
Spekulationen über Mays Zukunft kochten zuletzt wiederholt hoch. Die Zeitung „The Sun“ berichtete in der Nacht auf Dienstag, May habe führenden Euroskeptikern aus ihrer Partei am Sonntag in Aussicht gestellt, im Gegenzug für eine Zustimmung zu ihrem Brexit-Vertrag könnte sie einen Rücktritt in Betracht ziehen. Der konservative Abgeordnete Andrew Bridgen sagte dem Sender Sky News, er halte es für wahrscheinlich, dass im Sommer Neuwahlen angesetzt werden.

Der Brexit-Experte der oppositionellen Labour-Partei, Keir Starmer, bezeichnete das Abstimmungsergebnis am Montagabend via Twitter als „weitere demütigende Niederlage für die Premierministerin, die komplett die Kontrolle über ihre Partei, ihr Kabinett und den Brexit-Prozess verloren hat“.

Die Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Oliver Letwin, mit dem sich das Unterhaus die Kontrolle über das weitere Vorgehen verschaffte, war angesetzt worden, nachdem May eingeräumt hatte, dass ihr Brexit-Vertrag wohl auch bei einem dritten Anlauf derzeit am Widerstand im Parlament scheitern würde. Gleichzeitig betonte sie, weiterhin um Unterstützung für ihren Vertrag zu werben, um doch noch ein drittes Votum zu ermöglichen. Im Gespräch dafür ist der kommende Donnerstag.

Nach wie vor verschiedene Szenarien möglich
Zuerst können nun aber eine ganze Reihe von Testabstimmungen am Mittwoch angesetzt werden. Mit ihnen soll ausgelotet werden, welcher alternative Plan eine Mehrheit im Unterhaus finden könnte. Als denkbar gilt etwa eine Variante, die eine engere Anbindungen an die EU anstrebt. Aber auch eine wegen potenziell schwerwiegender wirtschaftlicher Folgen von vielen besonders gefürchtete Scheidung ohne Abkommen ist nicht vom Tisch.

Ein Sprecher des für den Brexit zuständigen Ministeriums nannte es enttäuschend, dass der Antrag auf mehr Kontrolle für das Parlament angenommen wurde und verurteilte den „gefährlichen Präzedenzfall“. Im Namen der Regierung rief er die Abgeordneten dazu auf, „Realismus“ walten zu lassen. Jede Option müsse auch in den Verhandlungen mit der EU darstellbar sein. Außerdem müsse beachtet werden, wie lange Verhandlungen dauern könnten und dass ein eventuell längerer Brexit-Aufschub eine Teilnahme an der Europawahl Ende Mai bedeuten würde.

Eigentlich war der Brexit für diesen Freitag vorgesehen. Da Mays mit der EU ausgehandelter Vertrag aber beim Unterhaus durchfiel, räumte die EU eine Verschiebung ein, um einen harten Brexit zu verhindern. Sollte weiterhin keine Einigung auf einen Vertrag gelingen, muss Großbritannien nunmehr am 12. April die EU verlassen. Mit einem Abkommen gilt eine Frist bis zum 22. Mai.

EU bereitet sich auf „No-Deal-Brexit“ vor
Die EU treibt unterdessen die Vorbereitungen auf einen chaotischen Brexit weiter voran. Die EU-Kommission veröffentlichte am Montag dazu neues Informationsmaterial für EU-Bürger. Darin ist beispielsweise beschrieben, was im Fall der Fälle bei Reisen ins Vereinigte Königreich beachtet werden muss. Es werde immer wahrscheinlicher, dass es zu einem Brexit ohne Austrittsabkommen komme, sagte eine hohe EU-Beamtin zu den Vorbereitungen. Sollte Großbritannien tatsächlich ohne Austrittsvertrag aus der EU ausscheiden, wird mit dramatischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche gerechnet. Millionen EU-Bürger in Großbritannien sowie Briten in der EU würden in große Unsicherheit gestürzt.

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