RH-Bericht

Bundesheer-Spitäler sind nur zu 5% ausgelastet

Österreich
03.12.2009 12:11
Während das Bundesheer regelmäßig über Geldmangel klagt, scheinen beim militärischen Ärzte- und Sanitätswesen haufenweise Mittel zu versickern. Ein neuer Bericht des Rechnungshofes bemängelt das Fehlen von Kosten- und Bedarfsplanungen bei der ärztlichen Versorgung und bei den drei Heeresspitälern. Deren Auslastung liegt nur bei lächerlichen fünf Prozent. Auf massive Kritik des RH stoßen auch die Nebenjobs der Ärzte am Wiener Heeresspital. Fast die Hälfte der dortigen Militär-Mediziner betreut teilweise sogar in ihrer Arbeitszeit Privatordinationen.

Vom Rechnungshof geprüft wurde eigentlich die Aufstockung des Sanitätspersonals im Frühjahr 2009. Insgesamt sollten den (laut RH nicht vollständig ausgearbeiteten) Plänen zufolge 141 neue Militärärzte und 176 Sanitätsunteroffiziere eingestellt werden, um im Fall von Auslandseinsätzen über ausreichend Mitarbeiter zu verfügen. Die Planstellen wurden geschaffen.

Hintergrund: Bis dato war der Sanitätsdienst des Heeres in erster Linie auf die Versorgung der Präsenzdiener ausgerichtet. Künftig soll das Heer jedoch in der Lage sein, die Führungsstruktur einer multinationalen Brigade im Auslandseinsatz zu stellen, und dazu gehört auch die medizinische Versorgung.

Ende 2008 verfügte das Bundesheer-Sanitätswesen über 731 Mitarbeiter, mit Februar 2009 gab es insgesamt 1.039 Planstellen für 318 Ärzte und 730 Sanitätsunteroffiziere. In den Zahlen nicht eingerechnet sind Militär-Apotheker, Psychologen, medizinisch-technisches Personal, Assistenzpersonal, Lehrpersonal, ziviles Personal sowie Verwaltungspersonal.

Auslastungszahlen geschönt
Eine Kostenschätzung für die Aufstockung wurde im Verteidigungsministerium allerdings nicht durchgeführt. Der Rechnungshof bezifferte den Mehraufwand mit 19 Millionen Euro pro Jahr. Außerdem kritisieren die Prüfer die fehlende Bedarfserhebung für die Heeresspitäler, die im Jahr 2008 16,4 Millionen Euro - ohne externe Behandlungskosten - verschlangen. Die Gesamtkosten des Heeres-Sanitätssystems mit den Spitälern, Ambulanzen und den nur mit Sanitätsunteroffizieren besetzten Krankenrevieren in den Kasernen wurden zuletzt im Jahre 2003 errechnet und damals mit rund 65 Millionen Euro beziffert.  

Auffälligstes Problem ist die mangelnde Auslastung der drei Spitäler in Graz, Innsbruck und Wien-Stammersdorf (Bild): Während 2003 in öffentlichen Krankenhäusern 70 bis 80 Prozent der Betten belegt waren, waren es in den drei Heeresspitälern nur magere 25,4 Prozent. Dabei wurde diese Zahl noch geschönt, weil auch Patienten stationär aufgenommen wurden, die eigentlich ambulant zu behandeln gewesen wären - Stichwort: "Strafaufenthalte" für tachinierende Grundwehrdiener. Abzüglich dieser Fälle lag die Auslastung in den Heeresspitälern nur bei fünf Prozent.

21 von 43 Wiener Militär-Ärzten haben Nebenjobs
Trotz offizieller Wochendienstzeiten von bis zu 41 Stunden bleibt damit vielen Militärärzten genug Zeit für Nebenjobs: Von 43 im Wiener Heeresspital beschäftigten Ärzten haben demnach 21 eine Nebenbeschäftigung, 13 davon einen Kassenvertrag. Dabei erlaubt die Wiener Gebietskrankenkasse "ihren" Ärzten neben der Ordination offiziell nur eine Nebentätigkeit im Ausmaß von zehn Wochenstunden. Eine nähere Untersuchung des RH ergab, dass sich die Öffnungszeiten der Privatordinationen mit den Kerndienstzeiten im Heeresspital teilweise überschnitten.

Damit nicht genug, können die Militärärzte ihre Patienten nicht einmal ohne die Zuhilfenahme fremder Insitute bewältigen, was aber primär an der Ausrüstung der Heeres-Spitäler liegen dürfte. Bei ohnehin vergleichsweise hohen Kosten - ein "Belagstag" in Wiener Krankenhäusern kostete 2003 674 Euro, in Militärspitälern waren es 1.654 Euro - muss das Bundesheer viele Leistungen extern zukaufen. Eine im Bericht zitierte Studie geht davon aus, dass für die Hälfte der medizinischen Versorgungsleistungen im Heer extra bezahlt werden muss. Die Kosten beliefen sich 2008 auf 5,6 Millionen Euro. Der Rechnungshof kritisiert daher, dass die stationäre Versorgung nicht auf den Bedarf abgestimmt sei: "Jegliche Planungsgrundlagen für die militärischen Krankenanstalten fehlen."

Je ein Labor für Stellungskommission und Militärspital
Ebenfalls nicht zustande gekommen sind demnach Kooperationen mit zivilen Krankenhäusern. Nicht einmal interne Synergien werden genützt: In Graz und Innsbruck befindet sich die für Musterungen zuständige Stellungskommission zwar in derselben Kaserne wie das lokale Militärspital - beide unterhalten allerdings eigene Labors und Röntgengeräte. Grund: Das Spital untersteht dem Kommando Einsatzunterstützung, die Stellungskommission den lokalen Militärkommanden der Steiermark und Tirols.

Überhaupt geschlossen werden sollte nach Ansicht des Rechnungshofs die Gesundheits- und Krankenpflegeschule in der Wiener Van-Swieten-Kaserne mit zuletzt nur sieben bis 17 Teilnehmern pro Jahrgang - zumal die Ausbildung an zivilen Schulen zumeist auch gratis möglich wäre.

Heer: "Nicht mit zivilen Spitälern vergleichbar"
Das Bundesheer erhielt das Prüfungsergebnis laut Rechnungshof bereits im Mai 2009 und gab dazu im August eine Stellungnahme an die Prüfer ab. Im Originalbericht (siehe PDF-Download in der Infobox) verspricht das Bundesheer größtenteils "Optimierung" und nimmt die Vorwürfe zur Kenntnis. Am Donnerstag hieß es in einer Stellungnahme, man sehe sich durch die Kritik des Rechnungshofes an den Heeresspitälern in der Notwendigkeit der geplanten Strukturveränderungen bestätigt. Das gesamte militärisch Sanitätswesen werde einer Gesamtprüfung unterzogen. Die Empfehlungen des RH betrachte man als wichtige Orientierungshilfe.

Das Verteidigungsministerium hält aber auch fest, dass Militärspitäler nicht 1:1 mit zivilen Krankenhäusern vergleichbar seien. Militärspitäler müssten für die Soldatinnen und Soldaten Kapazitäten für eine entsprechende medizinische Versorgung, auch Notfallversorgung im Katastrophenfall, bereithalten. Das gelte insbesondere für die Grundwehrdiener, für deren Gesundheitsversorgung das Bundesheer per Wehrgesetz verantwortlich sei. Im Katastrofenfall bei Versorgungsengpässen im zivilen Bereich stünden die Kapazitäten der Militärspitäler selbstverständlich auch der Zivilbevölkerung zur Verfügung.

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