Rouhani in Wien:

„Müssen alles tun, um den Atomdeal zu retten“

Österreich
04.07.2018 19:13

Fast 1000 Polizisten, Platzverbote, Straßensperren, Scharfschützen auf den Dächern, Hubschrauber über der Innenstadt: Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen und begleitet von Protesten ist am Dienstag in Wien der Besuch von Irans Präsident Hassan Rouhani über die Bühne gegangen. Im Rahmen der von einem diplomatischen Eklat überschatteten Visite traf Rouhani am Nachmittag mit Kanzler Sebastian Kurz zusammen. Hinsichtlich des Atomabkommens forderte er: „Wir müssen alles tun, um diesen Deal zu retten.“ Zum Thema Israel kam es zu einem Schlagabtausch mit Kurz. Bereits am Vormittag stand ein Treffen mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf dem Programm.

„Dieser Beschluss hilft niemandem, nicht einmal den Amerikanern, die eine sehr merkwürdige Entscheidung gefällt haben. Wir selbst werden aus dem Atomabkommen nicht aussteigen, sondern so wie bisher kooperieren und unsere Verpflichtungen erfüllen. Wir müssen alles tun, um diesen Deal zu retten. Er stellt eine große Errungenschaft für alle dar. Es gibt dadurch sehr viele positive Auswirkungen. Wir sind jedenfalls dabei, solange wir einen Nutzen davon haben“, so Rouhani am Mittwoch.

Schlagabtausch mit Kurz zum Thema Israel
Kurz stimmte dem prinzipiell zu, schnitt aber auch andere brisanten Themen wie Irans Verhältnis zu Israel an. „Österreich hat aus historischen Gründen eine besondere Verantwortung im Kampf gegen den Antisemitismus. Aus unserer Sicht ist es deshalb inakzeptabel, wenn Israel nicht anerkannt wird. Die Sicherheit Israels ist für uns nicht verhandelbar.“ Kurz bedauerte auch die instabile Lage im Nahen Osten und insbesondere „das Leid der syrischen Bevölkerung“. Rouhani hatte zuvor Israel Unterstützung des IS vorgeworfen. Die Iraner hätten „gute Beziehungen zu den Juden in aller Welt“, nicht aber zu „Zionisten und Besatzern“, die Menschen etwa im Gazastreifen unterdrückten.

Der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif schien dem Kanzler die scharfen Worte offenbar nicht nachzutragen. Bei einem gemeinsamen Auftritt mit seiner Amtskollegin Karin Kneissl in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hob Zarif hervor, wie sehr Rouhanis Delegation den Aufenthalt in Wien genossen habe. Zarif, der Kurz aus dessen Zeit als Außenminister kennt, bezeichnete den Kanzler dabei als „guten alten Freund“.

Van der Bellen: „Abkommen Schlüsselelement gegen Atomwaffen“
Ähnlich wie mit Kurz war auch das Zusammentreffen Rouhanis mit Van der Bellen gewesen, der bereits am Vormittag sagte: „Das Abkommen ist ein Schlüsselelement gegen die Verbreitung von Atomwaffen. Es wurde vom UNO-Sicherheitsrat einstimmig beschlossen und ist äußerst wichtig. Österreich und EU sind weiterhin für das Fortbestehen des Deals, der ein Fenster in den Iran geöffnet hat, um auch andere Probleme anzusprechen.“ Als Beispiele nannte der Bundespräsident die Beziehungen des Iran zu Israel und zum Irak sowie in Syrien den Kampf gegen den IS.

Alte Freundschaft und gegenseitiger Respekt
Beide Präsidenten betonten auch die „alte Freundschaft“ ihrer Staaten, die laut Van der Bellen „einander immer mit Respekt begegnet sind. Die Beziehungen gehen weit über die Diplomatie und den wirtschaftlichen Bereich hinaus. Wir haben viele Staatsbürger mit iranischen Wurzeln in Österreich, darunter sind 2000 Ärzte.“ Rouhani bedankte sich seinerseits für die Einladung und die Gastfreundschaft Österreichs. „Die Beziehungen unserer Länder waren immer gut. Hunderte österreichische Unternehmen sind im Iran tätig. Wir wollen diese Handels-, Wirtschafts- und kulturellen Beziehungen weiter vertiefen“, so Rouhani.

Fast 1000 Beamte im Einsatz
Aufgrund zahlreicher Hinrichtungen im Iran fanden auch Kundgebungen gegen den Empfang Rouhanis statt. Es wurden enorme Sicherheitsvorkehrungen getroffen, 950 Beamte waren im Einsatz. Während der Begrüßung, bei der auch Außenministerin Kneissl und ihr iranischer Amtskollege Zarif anwesend waren, kreisten permanent zwei Hubschrauber über der Hofburg. Von den Protesten dürfte Rouhani wegen der weiträumigen Platzsperren nichts gemerkt haben.

Auch am Stephansplatz fand eine Demonstration von rund 100 Exil-Iranern gegen den Besuch statt. Europa dürfe „keinen roten Teppich für Henker und Terroristen ausrollen“, betonte der Sprecher des regimekritischen „Nationalen Widerstands des Iran“ (NWRI). Bei der Kundgebung wurden Slogans wie „Nieder mit Rouhani“ oder „Nieder mit (Revolutionsführer Ali) Khamenei“ gerufen.

Video: Proteste gegen Rouhani in Wien

Das Iran-kritische Bündnis „Stop the Bomb“ hat die scharfen Aussagen des Bundeskanzlers zum Thema Israel im Beisein des iranischen Präsidenten als „reine Rhetorik“ zurückgewiesen. „Wir werden uns von solchen rhetorischen Floskeln keinen Sand in die Augen streuen lassen“, sagte Sprecher Stephan Grigat am Mittwochnachmittag. „Das ist das, was die Europäer seit 40 Jahren betreiben“, so Grigat mit Blick auf rhetorische Bekenntnisse europäischer Staaten zu Israel. Die Iraner hätten deshalb „gelernt, es routiniert zur Kenntnis zu nehmen und mit den Schultern zu zucken, denn es bleibt konsequenzlos“.

Kritik aus den USA
Die USA hatten im Vorfeld Kritik am Besuch Rouhanis geübt. „Die Vereinigten Staaten stehen auf der Seite derjenigen im Iran, die für ihre grundlegenden Menschenrechte kämpfen“, twitterte die US-Botschaft am Mittwochvormittag. Verwiesen wurde dabei auf eine Erklärung von US-Außenminister Mike Pompeo, der jüngste Menschenrechtsverletzungen - etwa die Festnahme von 5000 Menschen nach Protesten im Jänner - durch „das kriminelle Regime im Iran“ angeprangert hatte.

Diplomatischer Eklat einen Tag vor Rouhanis Besuch
Am Dienstag, nur einen Tag vor Rouhanis Besuch, kam es außerdem zu einem diplomatischen Eklat: Österreich will dem iranischen Botschaftsmitarbeiter Assadollah A. (47) den Diplomatenstatus aberkennen, weil er in Anschlagspläne gegen eine Versammlung von Exil-Iranern in Paris verwickelt sein soll. Gegen ihn liegt laut Außenministerium ein europäischer Haftbefehl vor. Kurz sprach am Mittwoch auch dieses Thema an und zeigte sich erfreut, dass Rouhani ankündigte, „die Aufklärung zu unterstützen“.

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