EU-Gipfel

Banken-Rettungsplan für die gesamte Union

Ausland
16.10.2008 13:11
Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten haben sich einstimmig auf einen gemeinsamen Rettungsplan für krisengeschüttelte Banken geeinigt. "Das gesamte Europa ohne Ausnahme billigt den abgesprochenen Plan vom vergangenen Sonntag", sagte der französische Präsident und EU-Ratsvorsitzende Nicolas Sarkozy am späten Mittwochabend in Brüssel. Am Sonntag hatten die 15 Länder der Euro-Zone in Paris gemeinsame Grundsätze zur Stabilisierung der Finanzwirtschaft in Europa beschlossen. Insbesondere Tschechien hatte zunächst Bedenken geltend gemacht. Kontroverse Debatten gab es zu den Klimaplänen der EU, die inzwischen neun Mitgliedstaaten zu weit gehen.

"Angesichts der nie dagewesenen Krisen haben die EU-Saaten jetzt eine Doktrin", sagte Sarkozy zu dem Bankenplan. Der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker zeigte sich überzeugt, dies werde zur Stabilisierung der Finanzmärkte beitragen. "Dies ist die Zeit zum Handeln für Regierungen, nicht um verzweifelt zu hoffen, dass die sogenannten Marktkräfte uns die Arbeit abnehmen", sagte Juncker, der der Gruppe der Euro-Länder vorsitzt. Der Plan sieht vor, dass in allen EU-Ländern künftig milliardenschwere Garantien und die Teilverstaatlichung von Banken möglich sind. Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso betonte die Bedeutung der Entscheidung: "Europa ist geeint. Es hat einen Plan."

Breiter Konsens unter den EU-Staats- und Regierungschefs
Unter den EU-Staats- und Regierungschefs gibt es nach Worten von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer einen "breiten Konsens" zu Maßnahmen für die Realwirtschaft angesichts der Finanzkrise und der drohenden Rezession. Wichtig wäre es, neben der Fortsetzung von Strukturreformen auch "Schritte zu setzten, die die Konjunktur stimulieren", sagte der Bundeskanzler. Als solche nannte er ein Vorziehen von Infrastrukturprojekten, steuerliche Anreize für Klein-und Mittelbetriebe, steuerliche Entlastungen sowie Investitionen im Klima- und Umweltbereich.

Vizekanzler Finanzminister Wilhelm Molterer sagte, am 6. November werde die Bundesregierung mit der Europäischen Investitionsbank eine Initiative für Klein- und Mittelbetriebe starten. Dabei soll aufgezeigt werden, wie die Mittel aus dem EIB-Topf für Klein- und Mittelbetriebe in Höhe von insgesamt 30 Milliarden Euro am besten für die österreichischen Firmen genutzt werden könnten. "Andere Elemente" würden dann folgen.

Treffen mit Schwellenländern vereinbart
Geeinigt hat man sich auch auf ein Treffen mit den wichtigsten Schwellenländern, zu dem die G8-Länder Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, Russland und die USA noch vor Jahresende einladen wollen. Der Weltfinanzgipfel könne "größere Stabilität auf den Finanzmärkten" bringen, sagte Juncker, der über neue Überwachungsstrukturen für die Finanzzentren, eine "Neubewertung der Ratingagenturen" und über "eine stärkere Dosis Transparenz der Finanzprodukte" beraten möchte. Man müsse die Ursachen der augenblicklichen Krise "für alle Zukunft beseitigen."

Molterer für europäische Finanzmarktaufsicht
Eine europäische Bankenaufsichtsbehörde wird es laut Sarkozy nicht geben. Die 27 EU-Staaten seien sich indes einig, die Kontrolle über eine Kooperation der nationalen Aufseher zu verstärken. "Manche wollen sogar mehr", sagte der französische Präsident. Molterer erwartet hingegen, dass die jüngste Krise des Finanzsystems langfristig zur Schaffung einer europäischen Finanzmarktaufsicht führen wird. Nach der Diskussion der letzten Monate sei für ihn klar, dass es zu stärkerer europäischer Kooperation kommen müsse. "Am Ende wir eine europäische Finanzmarktaufsicht stehen müssen", sagte Molterer nach den Beratungen.

Lissabon-Problem vertagt
Das Problem mit dem blockierten EU-Vertrag von Lissabon wollen die Staats- und Regierungschefs der EU bei ihrem nächsten Gipfel im Dezember wieder besprechen. Der irische Premierminister Brian Cowen habe über die Folgen des irischen Neins zu dem Vertrag gesprochen, sagte Sarkozy. Im Dezember wolle man Elemente zu einer Lösung und einem gemeinsamen Weg festlegen.

Wiederaufnahme der Gespräche mit Russland noch offen
Ebenfalls keine Entscheidung haben die EU-Außenminister zur Wiederaufnahme der nach dem Georgien-Krieg verschobenen Gespräche mit Russland getroffen. "Wir haben noch keine Entscheidung über die Wiederaufnahme von Verhandlungen für das neue Partnerschafts- und Kooperationsabkommen erzielt, aber ich habe den Eindruck, dass sich die Dinge in eine positive Richtung bewegen", sagte Außenministerin Ursula Plassnik am Mittwochabend nach den Gipfelberatungen.

Sarkozy will Klimapaket durchboxen
Uneinigkeit herrschte auch über das Klimapaket, das Sarkozy jedoch ungeachtet des Widerstands aus zahlreichen EU-Mitgliedstaaten noch bis Ende des Jahres unter Dach und Fach bringen möchte. "Ich trete mit meiner ganzen Person dafür ein - wir können die Klimaziele nicht in Frage stellen." Vor Jänner müsse eine Lösung gefunden werden. In der Klimafrage gehe es um eine "historische Verantwortung". Barroso zeigte sich skeptisch: "Ganz ehrlich, es wird nicht einfach."

Polen und Italien haben größere Probleme mit dem Plan, aber auch die baltischen Staaten, Ungarn die Slowakei oder Bulgarien wünschen noch Änderungen. Die EU will den Treibhausgasausstoß bis 2020 um 20 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Sarkozy zeigte sich zuversichtlich, den italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi von seinem Gegenkurs abbringen zu können. Der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt sagte, etliche Länder befürchteten durch das Klimapaket negative Auswirkungen auf ihre Volkswirtschaften.

Ein Kompromiss soll beim Dezember-Gipfel beschlossen werden, sagte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (S). Das sei auch so im Entwurf für die Schlusserklärung festgehalten.

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