Ein Gehirntumor! Johanna ist erst elf Jahre alt, als sie stirbt. Lesen Sie das Tagebuch einer Mutter, die lernen musste, ihr Kind gehen zu lassen.
Die Kinder, so sagt man, sind gerade erst gekommen und haben keine Angst zu gehen. Nur wir können nicht loslassen.
Oktober 2011: Johanna zieht ihr Bein so komisch hinter sich her. Das tut sie schon länger. Erst tue ich es als Spleen ab. Dann denke ich, da stimmt was nicht. Am Abend erbricht sie sich.
Nächster Tag: Unsere Kinderärztin schickt uns zum MR. Während mein Kind in die Röhre geschoben wird, halte ich seine Hand. Johannas Vater steht draußen beim Arzt. Sie schauen auf die Aufnahmen. Am Gesichtsausdruck meines Ex-Mannes sehe ich: Der schlimmste Fall ist eingetreten. Ich will schreien. Aber ich bin die Mutter, ich muss stark sein. Johanna darf nicht in Panik geraten. Ein Film läuft in mir drin ab. Ich sehe sie als Baby, nach der Geburt. Ich sehe sie als Schulkind und beim Querflötespielen. Dann sehe ich wieder die Gegenwart vor mir. Ich bin wie paralysiert.
November 2011: Ein Spezialist im Wiener AKH spricht Klartext. Johannas Diagnose lautet DIPG. Gehirntumor. Der Arzt gibt ihr noch sechs bis neun Monate. Das Gespräch hätte sensibler sein können. Aber der Arzt hat nur die Wahrheit gesagt und dass es immer Wunder gibt.
Dezember 2011: Wir werden kämpfen. Meine Philosophie ist: Wenn du etwas willst, dann musst du deine ganze Kraft einsetzen und dann schaffst du es. Das habe ich auch Johanna beigebracht. Wir beschließen: Zusammen werden wir den Tumor los.
März 2012: Wir stehen an der Wand. Wir merken, die Schulmedizin kann uns nicht helfen. Ich werde offen für andere Dinge. Johanna und ich machen eine schamanische Seelenreise. Das bewirkt etwas. Eine Erkenntnis. Nämlich die, dass wir unser Ziel umdefinieren müssen. Es geht nicht mehr um Heilung. Es geht darum, dass Johanna es schafft, sich ohne Ängste von dieser Welt zu lösen. Ich wünsche mir, sie würde endlich toben.
April 2012: Johanna ist ein Pflegefall. Eines der Augenlider geht nicht mehr zu. Sie ist todkrank. Der Gedanke, sie könnte Schmerzen haben, schnürt mir die Kehle zu.
Mai 2012: Ich wünsche mir, sie würde endlich toben, schreien, fragen: Warum ich? Aber darauf gibt es keine Antwort.
Juni 2012: Ich lebe quasi im Spital. Wenn ich Johanna allein lasse, umarme ich sie und sage: Wenn du gehen willst, dann gehe. Ich habe gehört, dass viele Kinder bleiben und leiden, weil ihre Eltern klammern. Das will ich vermeiden.
22. Juli 2012: Johanna stirbt. Ihr Vater ist bei ihr. Ich komme nicht mehr rechtzeitig. Aber wir haben uns bereits verabschiedet. Sie konnte sich befreien, und ich muss jetzt lernen, mit dem Schmerz umzugehen.
Dezember 2012: Mir ist wichtig: Johannas Tod soll nicht umsonst gewesen sein. Mit Freunden gründe ich einen Verein, der schwerst kranke Kinder und deren Eltern unterstützt. Johannas Vermächtnis.
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