Juncker erklärt:

Angst führte zu Einigung im Griechen-Drama

Ausland
22.07.2015 11:56
Nach Einschätzung von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker war es vor allem die Angst vor den unkalkulierbaren Folgen eines "Grexits", die eine Einigung im griechischen Schuldendrama ermöglicht hat. "Man hat nicht das Schlimmste verhindert, weil man besonders klug war, sondern weil man Angst hatte", sagte der Luxemburger der belgischen Tageszeitung "Le Soir" am Mittwoch.

Er kritisierte gleichzeitig, dass sich bei den jüngsten Verhandlungen in der EU ein Bruch der solidarischen Bindungen gezeigt habe. Das sei nicht nur beim Thema Griechenland, sondern auch beim Thema Migration der Fall gewesen. Mit Blick auf die Zukunft stimme ihn das sehr besorgt, sagte der Kommissionspräsident.

Auf die von vielen Seiten geäußerte Kritik am deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble ging Juncker nicht näher ein. Zu dessen Vorschlag für einen zeitweisen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone sagte er der Zeitung: "Ich sehe das weniger dramatisch als Sie." Ein "Grexit" sei nicht die gewünschte Lösung gewesen. Nur bei einem Scheitern der Verhandlungen wäre eine solche Option aufgegriffen worden.

Kraftprobe im Athener Parlament über Reformprogramm
Unterdessen kämpft der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras nach dem Verlust seiner Regierungsmehrheit im Parlament um das zweite von den Gläubigern verlangte Reformpaket. Diesmal geht es um die Modernisierung der Justiz und des Bankenrechts.

Bis Mittwochnacht muss das Parlament nun die Modernisierung des Justizsystems und die Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken billigen. Der Sprecher der Syriza-Fraktion, Nikos Filis, drohte im Rundfunk: "Wenn wir am Mittwoch nicht mindestens 120 Stimmen bekommen, werden wir so nicht weiter regieren können."

Abweichler auf Regierungslinie gebracht
Um ein weiteres Bröckeln des Koalitionslagers zu verhindern und das Kernprojekt zu retten, legte Tsipras eine heftig umstrittene Initiative zur höheren Besteuerung der Bauern auf Eis. Außerdem wurden potenzielle Abweichler in der linken Regierungspartei Syriza persönlich angesprochen, um sie auf Regierungslinie zu bringen.

Tsipras rief am Dienstagabend den linken Syriza-Flügel auf, "die Wünsche und Hoffnungen" der Gesellschaft zu akzeptieren. Erst wenn das Hilfsprogramm unter Dach und Fach ist, könnte die Linke ihre Meinungsverschiedenheiten in den Parteigremien klären.

Hilfspaket soll bis zu 86 Milliarden Euro umfassen
Griechenland ist mit 313 Milliarden Euro verschuldet und steht chronisch kurz vor der Pleite. Nach dem Beschluss der Justiz- und Bankengesetze könnten die Gespräche mit den Gläubigern über eine neue Finanzhilfe beginnen, sagte eine Regierungssprecherin in Athen. Das neue Hilfspaket soll bis zu 86 Milliarden Euro für drei Jahre umfassen.

Der Internationale Währungsfonds teilte unterdessen mit, dass er seinen Leiter bei den Verhandlungen mit Griechenland über neue Gelder austauscht. Der Finanzökonom Rishi Goyal werde noch "in dieser Woche" andere Aufgaben übernehmen. Seinen Posten in der Verhandlungsleitung übernimmt demnach die Wirtschaftswissenschafterin Delia Velculescu. Sie arbeitete bereits in den vergangenen Jahren mit der griechischen Seite zusammen und verhandelte für den IWF zuletzt in Slowenien und Zypern.

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