Nach Schicksalswahl

Athen: Koalition der Extreme fix, Tsipras angelobt

Ausland
26.01.2015 16:11
Syriza-Chef Alexis Tsipras ist am Montag als neuer Ministerpräsident Griechenlands angelobt worden. Bei der Zeremonie am Sitz des Staatspräsidenten in Athen versprach Tsipras, die Interessen des griechischen Volkes zu wahren. Dafür hat der Linkspolitiker nur wenige Stunden nach seinem Wahlsieg am Sonntag ein gewagtes Bündnis mit den Rechtspopulisten der Unabhängigen Griechen geschmiedet.

"Ich werde immer Griechenland und den Interessen des griechischen Volkes dienen", schwor Tsipras, der im blauen Anzug ohne Krawatte auftrat. Tsipras ist der erste Ministerpräsident in der Geschichte Griechenlands, der beim Amtsantritt keinen religiösen Eid ablegte. Zugleich ist der 40-Jährige der jüngste Regierungschef, den Griechenland jemals hatte.

Parlament muss noch zustimmen
Tsipras ist nun voll handlungsfähiger Ministerpräsident. Innerhalb von zehn Tagen nach der konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments am 5. Februar muss ihm die Volksvertretung noch das Vertrauen aussprechen - ein rein formaler Vorgang.

Bei der Parlamentswahl am Sonntag verfehlte Syriza laut vorläufigem amtlichem Endergebnis die absolute Mehrheit der Mandate im neuen Parlament knapp. Die Partei kam mit 36,3 Prozent der Stimmen auf 149 der 300 Mandate - zwei weniger als für die absolute Mehrheit nötig. Tsipras wird daher künftig einer Koalitionsregierung mit der rechtspopulistischen Partei der Unabhängigen Griechen vorstehen, die im neuen Parlament mit 4,8 Prozent der Stimmen über 13 Mandate verfügt.

Ein Pakt mit dem Erzfeind
Das Bündnis ist europaweit einzigartig, Tsipras geht eine Koalition mit einem historischen Erzfeind ein. Im Kampf gegen die internationalen Sparvorgaben ignoriert der neue Premier viele ideologische Gräben, innen- und außenpolitisch drohen Konflikte.

Im Wahlkampf hatte Tsipras noch auf Kompromisslosigkeit gesetzt, Koalitionen schloss er aus. Doch das Wahlergebnis ließ ihm wenige Möglichkeiten. Die beiden bisher regierenden Parteien der Konservativen und der Sozialisten hatte er wiederholt hart angegriffen. Sie seien Lakaien der internationalen Geldgeber und an der Verelendung im Land schuld, sagte er.

Für Kommunisten ist Tsipras Kapitalist
Auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums hat sich Tsipras keine Freunde gemacht. Die kommunistischen Hardliner der KKE verweigerten ihm schon im Wahlkampf jede Unterstützung. Für sie ist auch er ein Repräsentant des kapitalistischen Systems.

Damit blieb Tsipras wenig übrig: Eine Annäherung an die rassistische und rechtsradikale Goldene Morgenröte war selbst für den wandlungsfähigen Politstar undenkbar. Die Parteiführung der nun drittstärksten Kraft in Griechenland hatte ihren Wahlkampf aus dem Gefängnis heraus geführt, zahlreiche Funktionäre sitzen wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung in Untersuchungshaft.

Polit-Konkurrenz rätselt, wie Bündnis funktionieren kann
Am wahrscheinlichsten schien noch am Wahlabend eine Koalition mit der proeuropäischen Partei der politischen Mitte, To Potami (Der Fluss). Deren einzige Bedingung war der Verbleib des Landes in der Euro-Zone. "Wir und wohl auch Tausende Syriza-Wähler fragen sich nun, wie diese neue Koalition funktionieren soll", sagte der enttäuschte Potami-Chef Stavros Theodorakis am Montag.

Offenkundige Einigkeit zwischen dem Linksbündnis und den Rechtspopulisten herrscht im Prinzip nur in einem Punkt: Das Sparprogramm im Land soll sofort beendet werden, mit den internationalen Geldgebern soll ein Schuldenschnitt ausgehandelt werden - Griechenland hat Verbindlichkeiten von rund 320 Milliarden Euro. Andere Themen dürften zunächst an den Rand gedrängt werden.

Linke Zugeständnisse bei Integration und Türkei-Politik?
Im Wahlkampf forderten die Unabhängigen Griechen, Migranten auszuweisen, die sich illegal im Land aufhalten. Syriza ist dagegen für Integration. Im Streit mit der Türkei um Hoheitsrechte in der Ägäis fordern die Unabhängigen Griechen eine harte Linie. Hier könnte sich Tsipras zu Zugeständnissen gegenüber dem ungeliebten Koalitionspartner bereit zeigen, um sein größtes Wahlversprechen einlösen zu können: bessere Lebensbedingungen für die Menschen im Land.

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